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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 8.1917-1918

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Neuntes Heft
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Walden, Herwarth: Sünde: ein Spiel an der Liebe
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https://doi.org/10.11588/diglit.37114#0137

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Die Mutter
Wir haben Besuch
Der Vater
Wieder der Doktor
Die Mutter
Morgen wird er um Ilse anhalten
DerVater
Sie hat mir nie etwas gesagt.
Die Mutter
Menschen scheuen sich vor Göttern
Der Vater
Ich bin ihr nicht Gott
DieMutter
Was bist Du ihr
Der Vater
Liebt sie ihn denn
Die Mutter
Ja
Der Vater
Unmöglich
Die Mutter
Sie ist kein Kind. Sie ist eine Jungfrau.
Der Vater
Unmöglich. Sie kann ihn nicht lieben
DieMutter i
Das verstehst Du nicht. Du bist zu alt
Der Vater
Bin ich zu alt
Die Mutter
Alt bist Du. Sonst hast Du nichts gegen den Doktor einzu-
wenden
Der Vater
Er ist ein Mann. Glaubst Du, daß er sie schon geküßt hat
Die Mutter
Warum droht Deine Stimme. Du bist alt. Sie ist eine Jung-
frau
Der Vater
Unmöglich, Sie, die Männer fürchtet
Die Mutter
Furcht ist Hoffnung. Sonst bist Du einverstanden
Der Vater
Alt bin ich
Die Mutter
Man muß es lernen. Deshalb soll die Jugend aus dem Hause
Der Vater
Opfre die Jugend nicht, Opfre sie nicht dem Alter
Die Mutter
Das Alter hat seine Jugend geopfert
Die Tochter
Ich habe das Kleid gleich anbehalten Mutter.
Die Mutter
Laß sehen. Nimm die Arme herunter. Du sollst nicht im-
mer die Hände falten. Das sieht unschön aus
Die Tochter
Das Kleid ist so kurz Mutter
Die Mutter
Das bildest Du Dir nur ein. Die Zeit verlangt es. Man darf
nicht auffallen
Der Vater
Das alte Kleid stand Dir besser
Die Mutter
Wie ein Schulmädchen sah sie darin aus. Ohne Figur. Ohne
Hals. Wozu hat ein Mädchen einen schönen Hals
Die Tochter
Die Herren sollen nicht hinsehen, Mutter
Die Mutter
Schäme Dich, eine so unreine Phantasie zu haben. Schön-
heit ist eine Gabe Gottes
Der Vater
Das Leben sieht, mein armes Kind

Die Mutter
Mach sie nicht dümmer, als sie schon ist. Du kannst doch
nicht ewig Schulmädchen sein
Die Tochter
Ich will mich umziehen Mutter
Die Mutter
Heute kommt Besuch. Der Doktor. Du behältst das Kleid
an. Und steck Dir das Haar hoch. Es ist zu albern, daß Du
den ganzen Tag mit Zöpfen herumrennst
Die Tochter
Die Kämme tun mir weh Mutter
Die Mutter
An so etwas muß man sich gewöhnen, wenn man älter
wird. Alles ist Gewohnheit. Nachher tut es nicht mehr weh
Der Vater
Warum soll sie sich quälen
Die Mutter
Man muß sich üben. Ist man alt, ist es zu spät. Außerdem
verderben die Zöpfe das Kleid
Der Vater
Hart ist das Alter der Jugend. Härter die Jugend des Alters
Die Mutter
Ihr redet und redet und der Tisch ist nicht fertig. In einer
halben Stunde sind wir nicht mehr allein
Der Vater
Nie mehr allein
DieMutter hinter der Tür
Holen Sie drei Flaschen Wein herauf. Von dem weißen
Bordeaux
Der Vater
Heute wird Wein getrunken
Die Tochter
Ich trinke keinen Wein Vater
Der Vater
Heute beginnt das neue Leben
Die Tochter
Welches Leben Vater
Der Vater
Heute hast Du das neue Kleid an
Die Tochter
Ich mag es nicht Vater
Der Vater
Heute steckst Du das Haar auf
Die Tochter
Vater
Der Vater
Heute kommt Besuch
Die Tochter
Vater Vater
Der Vater
Heute springen wir in den süßen Rausch des Lebens
DieTochter
Nie werde ich einen Tropfen trinken Vater
Der Vater
Die Mutter will es. Das Leben will es. Das Alter will es.
0 süßer Rausch des süßen Lebens. Du willst es.
Die Tochter
Nie Vater
DerVater
Du bist mir treu
DieTochter kniet
Der Vater
Das neue Kleid wird schmutzig
DieTochter
Vater, was habe ich Dir getan
Der Vater
Du bist mir treu. Bist Du mir treu
Die Tochter
Vater mein, der Du bist mein Himmel

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