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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 17.1926-1927

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9. Heft
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Schreyer, Lothar: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47216#0175

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Gedichte / Lothar Schreyer

Vernichtung
Aus dem mahlenden Rad fallen die Früchte
des Bösen
Alle Lüste sind erfüllt
Alle Wünsche sind getan
Alle Taten empfangen ihren Lohn
Die unersättlichen Mäuler fressen sich
Das geschändete Menschtier schändet sich
Die gemordeten Seelen sind Fleisch
Das Fleisch schleift durch den Kot
Die Peitschen der Wollüstigen schillern
Das Totenschiff berstet
Aus dem Bauch der Tiefe quillt der Wurm
Hastige Finger nesteln das Häschernetz
Ueber den Berg blinzelt Hohn
Die schwarze Kralle reisst ein Loch ins Nichts
Die Sonne stürzt stürzt stürzt

Umsonst
Ein Name treibt im Uferlosen Namenlosen
Niemand spricht ihn aus
Aus wehendem Staub steigt eine weisse Hand
Der Finger schreibt den Namen auf die Füsse
aller Namenlosen
Gezeichnet ist der Mensch
Am Rand der Wüste betet der verlassene
Mensch
Der Sturm braust durch die Wüste
Furchtbar erkennt der Mensch
An allen Glocken zerren alle Menschen
Alle Giockentürme bersten bis zum Grund
Umsonst verlohen alle Opfer
Alle Werke zerbrechen
Keiner errichtet das Kreuz auf dem
verlassenen Stern
Der Himmel ist versunken in das Nichts

Tröstung
Du liegst in dunkler Kammer auf den Knien
Du siehst die Nacht
Die Leere ist um dich
Du hüllst in deine Arme das zertretne Lamm
Sanft schwebt dein Flehen auf der Menschenwunde
Fest falten Deine Hände sich um müdes Herz
Sanft lächeln Tieresaugen
Selig weint das kurze Menschenglück
Das kleine Licht in leerer Brust entbrennt
Du hebst die heilige Lampe zwischen Sünden hoch
Du tust die Liebe
 
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