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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 17.1926-1927

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6. Heft
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Ostwald, Wilhelm: Farbenschönheit
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Baum, Oskar: Die Augen des Publikums
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https://doi.org/10.11588/diglit.47216#0117

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auf Harmonien bunter Farben gestellt.
An 20 kann man erkennen, dass auch bei
vollständiger Abweichung der Farbgebung
von der natürlichen Erscheinung eine gute
Wirkung erzielt werden kann, falls nur
die gewählten Farben unter sich in har-
monischer Beziehung stehen. Die Mehr-

zahl der anderen Tafeln kann man als
„Blumenbildnisse“ gelten lassen, in denen
ihrelFarbharmonien,die in der Natur meist
nur angedeutet oder unvollkommen ent-
wickelt sind, klar herausgearbeitet wurden
und die somit in bestimmtem Sinne die
Ideale ihrer Erscheinungsweise darstellen.

Wir veröffentlichen diesen Beitrag von Wilhelm Ostwald mit der Bemerkung, dass wir bekanntlich seine
Ansicht über Form absolut nicht teilen. Die Schriftleitung.

Oskar Baum
Die Augen des Publikums
„Sprich nur, wenn du gefragt wirst“, sagten
mir meine Lehrer und Eltern immer, als
ich in jenem Alter stand, in dem es manchem
Gedankenlosen als eine Ehre gilt, Lehrern
und Eltern nicht zu folgen.
Daran muss ich immer denken, wenn ein
Dichter zum ersten Mal vor einen Saal voll
fremder Menschen tritt, ein Unbekannter!
Denn dass sie seinen gedruckten Namen
kennen und dass Interesse und Sympathie
für seine künstlerischen Absichten sie her-
geführt hat, ändert nichts daran. Es sind
ja nicht seine geistigen Absichten, nicht die
Gestalten seiner Romane oder der Tonfall
seiner klanggewordenen Gefühle, die sie
hier erwarten; nein, nur seine Person ist es,
die dasteht, sein Gesicht und seine Stimme,
seine Körperlichkeit, und es kommt darauf
an, ob er das Bild, das man sich von ihm
gemacht hat, erreicht, ergänzt oder in über-
zeugender Natürlichkeit verdrängt. Und

damit könnte man es auch begründen,
dass — wie ein witziger Impresario einmal
sagte — mancher Dichter und wohl auch
mancher König gut täte, sich durch einen
sorfältig ausgewählten Anderen darstellen zu
lassen. Aber die Wirkung auf das Publikum
scheint mir — so paradox das auch klingen
mag — nur die Hälfte, fast möchte ich sagen,
die kleinere Hälfte der Bestimmung einer
künstlerischen Vorführung.
Jeder Schaffende, der in seinem Werk nicht
nur eine Äusserung, ein zu überwindendes
Erlebnis, sondern einen Bestandteil seines
Wesens sieht, der einmal aus ihm hervor-
gewachsen, durch keine Zeit, durch keine
Umwandlung, welcher Art auch immer, von
ihm getrennt werden kann, der fühlt in
jeder Darbietung seiner Werke und beson-
ders, wenn er selbst den unmittelbaren
Verkehr mit seinem Kunstwerk vermittelt,
eine Wiedergeburt des Geschaffenen, das
auch ihm selbst in neuer Gestalt erscheint.
Mehr noch als für das empfänglichste
Publikum ist es für den Komponisten ein
Ereignis, das ihn und vor allem sein Werk

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