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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 17.1926-1927

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9. Heft
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Blümner, Rudolf: Licht und Schatten: zu den wechselnden Lichtbildern von Nikolaus Braun
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https://doi.org/10.11588/diglit.47216#0167

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Rudolf Bliimner
Licht und Schatten
zu den wechselnden Licht-
bildern von Nikolaus Braun
Vor einigen Jahren zeigte Nikolaus Braun im
Sturm zum ersten Mal seine wechselnden Licht-
bilder. Die Zeitschrift „Der Sturm“ enthielt
im dritten Heft des fünfzehnten Jahrgangs
zahlreiche Abbildungen dieser Lichtbilder. Im
vorliegenden Heft ist eine Reihe neuer Arbeiten
dieser Art reproduziert. Wer diese Bilder ge-
sehen hat, wird zwar einer Beschreibung und
Erklärung nicht zu bedürfen glauben, selbst
dann nicht, wenn ihm ihre wesentliche Be-
deutung nicht zum Bewußtsein gekommen ist
oder wenn er gar nur in diesen Arbeiten eine
Spielerei erblickt haben sollte. Wer nur die
Reproduktion sieht, kann vom Wesentlichen
überhaupt keine Vorstellung erhalten. Aber
dieses hat ja stets von allen Gemälden des
Expressionismus gegolten. Nur daß der Tadel,
der die Reproduktionen traf, gleichzeitig das
Original lobte. Denn er bewies, daß die Farbe
der neuen Bilder wesentlich war, während sie
in der gesamten früheren Malerei, man mag
mir einwenden, was man will, eine unwesent-
liche Zugabe war, sodaß dem Kenner der ein-
farbigen Reproduktion das farbige Original oft
genug enttäuschte. Aber trotz der Mangel-
haftigkeit braucht man auf die einfarbige Re-
produktion auch in der neuen Kunst nicht zu
verzichten. Man soll an sie nur nicht jene
Forderung richten, daß sie ein Ersatz des
Originals sei, wie in der alten Kunst. Sie ist jetzt
das, was sie sein soll, ein Hilfsmittel. Und was
hier geschrieben wird, will nicht reproduzierte
Bilder erklären. Die Reproduktionen sollen
eine kritische Untersuchung so viel und so
wenig unterstützen, als sie können. Denn es
soll untersucht werden, welcher Art das künst-

lerische Wesen und die Bedeutung der
wechselnden Lichtbilder ist.
❖ *

Wer durch die Bezeichnung „Lichtbild“ zu Asso-
ziationen mit dem Film gelangt, wird zu einer
falschen Vorstellung verführt, umsomehr, da die
meisten Menschen dem Worte Bild ausschließlich
einen engen überlieferten Begriff unterlegen. Die
neue Kunst hat das „Bild" wieder in der ur-
sprünglichen Bedeutung dieses Worts geschaffen,
in der es Ge staltung ist. Als sich das primäre
Wort Bild ausschließlich auf die sekundäre zwei-
dimensionale Vision bezog, mußte es in seiner
primären Bedeutung durch das Wort „Gebilde“
ersetzt werden und erhielt sich in dieser primären
Bedeutung nur noch in dem Wort „Bildhauer“
(Bild-Hauer). So geschah es, daß neuere Künstler
„Gebilde“ schufen, die man weder unter den
alten Begriff des Bildes ordnen noch für Plastiken
halten wollte. Und die man also schon darum
ablehnte, weil sie in das überlieferte ästhetische
Schema nicht paßten. In Wahrheit waren sie
„Bilder“ im ursprünglichen Sinne des Worts.
Für die meisten Menschen war es umso schwerer
zu erkennen, als sich sogar schon gegen Kan-
dinskys absolute Malerei der Vorwurf gerichtet
hatte, es seien keine „Bilder“. Sehr ernst war
der Vorwurf nicht gemeint, da man in der ab-
soluten Malerei nur darum keine Bilder sehen
wollte, weil das Wort „Bild“ schon längst die
weitere Einschränkung auf den Begriff des
„Abbilds“ erhalten hatte. Inzwischen haben
die Menschen gelernt, auch in der absoluten
Malerei ein Bild zu erkennen (bis sie einsehen
werden, daß grade das nicht-abbildende Bild
dem Begriff der Gestaltung, der Schöpfung
näherkommt). Und so richtet sich denn der
Vorwurf ausschließlich gegen jene Gebilde, wie
sie zuerst etwa Schwitters und andere geschaffen
haben, die aus verschiedenen Materialien inner-
halb eines Rahmens gefügten Kompositionen.
Aber wenn die Betrachter solcher Konstruktionen
oder Kompositionen auch nicht imstande waren,
für im Gebilde das primäre Bild zu sehen, so hätten
sie bei einigem gutem Willen, etwas Einsicht-

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