ja keine Blume ab, aber sonst tut er Dir
nichts. Denk mal, als der Dichter wurde,
da hat er den Vers gedichtet: „Im Paradies
muss darben, wer nicht bekränzt schon
kommt.“ Und darum ist er hier im
Paradies von oben bis unten bekränzt an-
gekommen, weil er eine schreckliche Angst
hatte, eventuell darben zu müssen. Aber
der steht jetzt nichts aus, der darbt kein
bischen.“ — „Aber wozu hat der denn die
Bretter dabei?“ — „Kindchen, da stellt er
seine Blumen in Töpfen darauf. Weil er es
sehr gut haben will, schleppt er eine große
Menge Blumen mit sich herum, denn je
mehr er mitschleppt, desto weniger darbt
er.“ — „Aber warum hat denn der Onkel
Pfizer die Töpfe dabei?“ — „Kindchen sonst
sind doch die Blumen so schnell welk, er
müsste sich sonst dauernd neue Kränze von
abgeschnittenen Blumen winden, wenn er
bei dieser trockenen Hitze hier im Paradiese
stets propper aussehen wollte.“ — „Ja aber
wie pflegt denn der seine Blumen?“ —
„Sehr einfach, seine Schüler begiessen ihn
alle paar Stunden.“ — „Ja aber Onkel Un-
geflochten, hatte denn der das so gemeint
mit seiner Blumenetagere, wie der das
seinerzeit dichtete? Hat denn der nicht
bloße Poesie machen wollen?“ — „Meine
liebe Marie, hier im Paradiese gibt es keine
blosse Poesie, hier im Paradiese muss man
alles so tun, wie man es sagt. Darum sagen
es auch alle Leute so, wie sie es meinen.“ -
„Aber Onkel Ungeflochten, der redet doch
in Bildern.“ - „I wo, Bilder gibt es nicht
im Paradiese,“ sagte Onkel Ungeflochten.
„Sei bloss froh Kind, dass es hier nicht auch
noch Bilder gibt. Ich habe die Kunst
wirklich satt. Weisst Du, und ich hoffe,
dass ich doch noch einmal mit Getreide
arbeiten kann. Dann kann ich mir wenigstens
ein Reitpferd leisten. Darum sag ich immer
zu Onkel Pluvinel: „Getreide ist eine
solide Beschäftigung. Bei der Kunst kommt
doch kein Reitpferd heraus. Ich hätte lieber
’ne Bar, oder wäre bei meinem Getreide-
handel geblieben.“ - „Aber Onkel Un-
geflochten, musst Du denn hier auch noch
Geld verdienen?“ — „Nein, Kind, das
vergess ich ja immer wieder, Gott sei Dank
nicht, denn ein Reitpferd hab ich hier so-
wieso.“ — Und da kam plötzlich Onkel
Herwarth Walden mit dem Bubikopf und
sagte: „HerrPfizer, Ihre Poesie hoch in Ehren,
denn ich interessiere mich lebhaft für Poesie,
gleichsam immer schon; aber was Sie da
schreiben,das sind für mich nur unbewiesene
Aussagen. Versuchen Sie es nur einmal
zu beweisen, dass gerade die Bekränzten
nicht zu darben brauchen. Ich kann Ihnen
nur soviel sagen, dass von meinen Sturm-
künstlern mancher mit Ruhm bekränzt ist
und hat doch gleichsam darben müssen.“ —
„Jawohl,“ sagte Ungeflochten, „Walden hat
nicht unrecht mit den unbewiesenen Be-
hauptungen. Beweisen Sie erst mal.“ —
Da sagte Onkel Pfizer: „Ich bin mein
eigener Beweis, denn ich laufe hier wie
ein Pfingstochse herum.“ - „Sie meinen
wie ein Nilpferd,“ sagte Herr Geheimrat
Ungeflochten, „aber das beweist darum doch
nichts, denn wir darben hier alle nicht,
Walden nicht, Pluvinel nicht, und ich erst
recht nicht. Obgleich sich von uns keiner
so mit Blumen seinen Anzug versaut hat,
wie Sie. Entschuldigen Sie den harten
Ausdruck, aber Ihr Aufzug beginnt mich
allmählich anzuekeln. Reiten Sie lieber
öfter einmal, da kommen Sie auf ganz andere
Gedanken.“ — „O ja“ sagten die Kinder,
„Onkel Pfizer mit den Blumen, soll auf
dem zahmen Esel reiten.“ — Aber nun
wurde mit einem Male Onkel Ungeflochten
böse, indem er sagte: „A propos, Herr Pfizer,
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nichts. Denk mal, als der Dichter wurde,
da hat er den Vers gedichtet: „Im Paradies
muss darben, wer nicht bekränzt schon
kommt.“ Und darum ist er hier im
Paradies von oben bis unten bekränzt an-
gekommen, weil er eine schreckliche Angst
hatte, eventuell darben zu müssen. Aber
der steht jetzt nichts aus, der darbt kein
bischen.“ — „Aber wozu hat der denn die
Bretter dabei?“ — „Kindchen, da stellt er
seine Blumen in Töpfen darauf. Weil er es
sehr gut haben will, schleppt er eine große
Menge Blumen mit sich herum, denn je
mehr er mitschleppt, desto weniger darbt
er.“ — „Aber warum hat denn der Onkel
Pfizer die Töpfe dabei?“ — „Kindchen sonst
sind doch die Blumen so schnell welk, er
müsste sich sonst dauernd neue Kränze von
abgeschnittenen Blumen winden, wenn er
bei dieser trockenen Hitze hier im Paradiese
stets propper aussehen wollte.“ — „Ja aber
wie pflegt denn der seine Blumen?“ —
„Sehr einfach, seine Schüler begiessen ihn
alle paar Stunden.“ — „Ja aber Onkel Un-
geflochten, hatte denn der das so gemeint
mit seiner Blumenetagere, wie der das
seinerzeit dichtete? Hat denn der nicht
bloße Poesie machen wollen?“ — „Meine
liebe Marie, hier im Paradiese gibt es keine
blosse Poesie, hier im Paradiese muss man
alles so tun, wie man es sagt. Darum sagen
es auch alle Leute so, wie sie es meinen.“ -
„Aber Onkel Ungeflochten, der redet doch
in Bildern.“ - „I wo, Bilder gibt es nicht
im Paradiese,“ sagte Onkel Ungeflochten.
„Sei bloss froh Kind, dass es hier nicht auch
noch Bilder gibt. Ich habe die Kunst
wirklich satt. Weisst Du, und ich hoffe,
dass ich doch noch einmal mit Getreide
arbeiten kann. Dann kann ich mir wenigstens
ein Reitpferd leisten. Darum sag ich immer
zu Onkel Pluvinel: „Getreide ist eine
solide Beschäftigung. Bei der Kunst kommt
doch kein Reitpferd heraus. Ich hätte lieber
’ne Bar, oder wäre bei meinem Getreide-
handel geblieben.“ - „Aber Onkel Un-
geflochten, musst Du denn hier auch noch
Geld verdienen?“ — „Nein, Kind, das
vergess ich ja immer wieder, Gott sei Dank
nicht, denn ein Reitpferd hab ich hier so-
wieso.“ — Und da kam plötzlich Onkel
Herwarth Walden mit dem Bubikopf und
sagte: „HerrPfizer, Ihre Poesie hoch in Ehren,
denn ich interessiere mich lebhaft für Poesie,
gleichsam immer schon; aber was Sie da
schreiben,das sind für mich nur unbewiesene
Aussagen. Versuchen Sie es nur einmal
zu beweisen, dass gerade die Bekränzten
nicht zu darben brauchen. Ich kann Ihnen
nur soviel sagen, dass von meinen Sturm-
künstlern mancher mit Ruhm bekränzt ist
und hat doch gleichsam darben müssen.“ —
„Jawohl,“ sagte Ungeflochten, „Walden hat
nicht unrecht mit den unbewiesenen Be-
hauptungen. Beweisen Sie erst mal.“ —
Da sagte Onkel Pfizer: „Ich bin mein
eigener Beweis, denn ich laufe hier wie
ein Pfingstochse herum.“ - „Sie meinen
wie ein Nilpferd,“ sagte Herr Geheimrat
Ungeflochten, „aber das beweist darum doch
nichts, denn wir darben hier alle nicht,
Walden nicht, Pluvinel nicht, und ich erst
recht nicht. Obgleich sich von uns keiner
so mit Blumen seinen Anzug versaut hat,
wie Sie. Entschuldigen Sie den harten
Ausdruck, aber Ihr Aufzug beginnt mich
allmählich anzuekeln. Reiten Sie lieber
öfter einmal, da kommen Sie auf ganz andere
Gedanken.“ — „O ja“ sagten die Kinder,
„Onkel Pfizer mit den Blumen, soll auf
dem zahmen Esel reiten.“ — Aber nun
wurde mit einem Male Onkel Ungeflochten
böse, indem er sagte: „A propos, Herr Pfizer,
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