Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der MmtsSszirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Epping en, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boackerg, TauberbifchsfLheiM und Wertheim.
Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn S.— Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeils (36 mm breit) 1.30 Mk., Reklame-Anzeigen
(93 mm brert) 2.80 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Eeheinnnittelanzeigsn Werden nicht ausgenommen.
Ecsä:ästsstunden: 8—'/»6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 1t—12 Uhr.
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Heidelberg, Donnerstag, 13. Oktober 1921
Nr. 239 » 3» Jahrgang
Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilletons
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales»
O. Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg,
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H>, Heidelberg-
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.
Die Krise auf dem Höhepunkt.
Die Entscheidung in Gens gefallen. — Politische Zerreißung Oberschlestens. — Das Industriegebiet als
autonome WirtschastsPrsVinz Unter polnischer SuBsrämLLt.
ErMruWgLN des Reichskanzlers.
Berlin, 12. Ott. (Priv.-Tcl. der „Franks. Ltg.) In der
Das Gutachten des Völkerbundsrates über Oberschlesien ist
gestern fertiggestellt worden, die Veröffentlichung der Lösung selbst
soll aber erst nach der Annahme durch die Oberste Rats- Hzw. Bot-
schastsrkonferenz am Samstag oder Sonntag erfolgen. Wenn die
vorliegenden Meldungen über den Inhalt der Lösung richtig sind
und falls von den Ententemächten keine Korrekturen mehr vor-
genommen werden, bestätigt es sich, daß man die politische und
wirtschaftliche Lösung getrennt hat. Darüber liegt dem „Berliner
Tageblatt" folgende authentische Meldung vor:
Genf, 12. Ott. Heute vormittag wurde die abschließende
Besprechung über Oberfchlesien im Rat fortgesetzt. Ein diplomati-
scher Kurier wird dann das Dokument, das wer Oberschlestens
Schicksal entscheidet, heute abend Herrn Brtand als Vorsitzende«
des Obersten Rates nach Paris bringe«. Am Samstag wird die
Welt offiziell erfahren, was die Weisen von Genf beschlossen haben.
Der VSlksrbundsrat hat im wesentlichen die französisch-polnische
These akzeptiert und empfohlen, Oberfchlesien nach einer Grenz-
linie ausetnanderzureiße«, die sich als eine Verschmelzung
der ersten mit der zweiten Ssorzalinte erweist. Po-
len erhält die Bezirke Pleß und Ryvnik sowie weiter nördlich
gelegene Streifen und KSntgshütte mit Einschluß aller wich-
tigen Städte und endlich den Kreis Beuthsn. Deutsch-
land verbleibt die Stadt Benthe« selbst. Das ist
die Lösung nach polnische« Gesichtspunkte«. Ferner kam man zur
Annahme des SachverstäNdigenvorfchlags, das Industrie-
gebiet als autonome Wirtschastsprovinz zu kon-
struiere« unter polnischer Staatsoberhoheit.
In dem Gutachten des Völkerbundsrates, das fünf Teile um-
fassen Wird, findet sich eine Einleitung, tn der die Gründe, die zu
dem Vorschlag geführt haben, dargelegt werden. Polen und
Deutschland sollen sich über gewisse Vereinbarungen unter sich ver-
ständigen, der gemischte Ausschuß zur Leitung der autonomen Jn-
dttstrieprovinz soll aus einem Deutschen, einem Polen und einem
Neutralen bestehen.
Bereits am Dienstag mittag, als die ersten für uns ungünstig
lautenden Nachrichten aus Genf Vorlagen, hat der Botschafter Dr.
Mayer bei Briand einen letzten diplomatischen Schritt unter-
nommen, in dem er, wie verschiedene französische Blätter berichten,
energisch gegen die voraussichtlichen Genfer Entscheidungen prote-
stiert habe. Der Botschafter habe ohne Umschweife erklärt, daß
die Teilung Oberschlestens durch den Versailler Vertrag keineswegs
autorisiert sei, und daß angesichts der Vergewaltigung der deut-
schen Rechte durch die Genfer Entscheidung das Kabinett Wirth
nicht in seiner persönlichen Haltung verbleiben könne, und zwar
in der Angelegenheit des Wiesbadener Abkom-
mens insbesondere. Des weiteren hat der Botschafter aus die
Politischen Folgen aufmerksam gemacht, die dis Teilung Ober-
schlesiens in Deutschland haben werde. Sogar von einer De-
mission des Kabinetts Wirth habe er gesprochen.
Wenn der Schritt des deutschen Botschafters wirklich in dieser
Form erfolgt setn sollte, so kann man über seine Klugheit und
keinen Erfolg geteilter Meinung sein. So richtig es war, Bri-
cmd auf die kritische Situation und die Gefahren einer Teilung
Oberschlesiens hinzuweisen, so ging es doch nicht an, sofort das
Wiesbadener Abkommen und die ganze bisherige Stellung des
Reichskabtnetts Wirth in Frage zu stellen. Diese naive, jeder
nüchternen politischen Klugheit bare Drohung hat denn auch in
der Pariser Presse das entsprechende Echo gesunden.
In Berlin hat die Krise offenbar ihren Höhepunkt erreicht.
Die Meldung, die wir nachstehend veröffentlichen, bezeichnet den
Rücktritt des Kabinetts Wirth tm Falle der ungünstigen Entschei-
dung über Oberfchlesien als ziemlich sicher. Wir haben bereits
Sestern an dieser Stelle dargelegt, wie wir über diese Frage denken
und freuen uns, dem „Vorwärts" und der „Freiheit" entnehmen
ru können, daß auch unsere sozialdemokratische Fraktion in Berlin
sich für das Bleiben des Kabinetts Wirth einsetzt,
während offenbar einige Minister des Zentrums und der Demo-
kraten für den Rücktritt sind. Was soll denn ein solcher Rücktritt
m dieser kritischen Stunde? Glaubt man damit irgend welchen
Eindruck auf den Völkerbundsrat und die Entente machen zu
Wunen, und würde man damit nicht alle die tn den letzten Wochen
doch zweifellos erzielten außenpolitischen Erfolge des Kabinetts
«irth in Frage stellen? Man hat sich eben tn gewissen bürger-
lichen Kreisen offenbar die Politik der Verständigung und der
Leistungen etwas zu leicht vorgestellt, man hat nicht mit
Rückschlägen und Mißerfolgen gerechnet, die aber tapfer und ent-
schlossen überwunden werden müssen, wenn die ganze Politik über-
haupt einen Sinn gehabt haben soll. Schließlich kommt es jetzt
sucht auf heroische nationale Gesten und pathetische Proteste an,
wndern daraus, einmal abzuwarten, ob die Genfer Lösung nicht
»och einen modus vivendi bedeuien kann, oder ob sie sich in
Praxis ad absurdum führt.
Wir geben die nachstehende T.U.-Meldung über die Lage in
Berlin mit allem Vorbehalt wieder:
-Berlin, 13. Okt. Der von dem deutschen Botschafter
^ryamer aus London erwartete Bericht über seine Demarche
der englischen Regierung ist auch gestern vormittag noch nicht
"gegangen. Dagegen lag eine Reihe alarmierender Meldungen
n"/ Genf, Paris und London vor, die die pessimistischen Nsch-
der Presse über die Entscheidung des Völkerbundsrates be-
"Sen. Dieses Material bildete die Unterlage für die Verhand-
heutigen Sitzung des ReichskaStnetts gab der Reichskanzler
Dr. Wirth der allgemeinen Erregung darüber Ausdruck, daß der
Völkerbundsrat in Genf, soweit stch aus unwidersprochene«
Nachrichten entnehmen läßt, über das oberschlestfche Gebiet in
einer Weife verfügt hat, die weder der durch die Abstimmung klar
zutage getretenen Willenskundgebung der overschlesischen Bevölke-
rung, noch dem wirtschaftlichen Bedürfnis des Landes entspricht.
Träfen diese Rachrichte« zu u«d fälle der Oberste Rat eine so ge-
artete Entscheidung, so wäre« deutsche Städte mit allem, was i«
ihnen an Arbeitswerten u«d Kulturgütern von deutschem Fleiß
und deutschem Geist geschaffen worden iftzvomReichgetrennt
und unter Fremdherrschaft gestellt. Die Zerreißung
würde nicht nur von der Mehrheit der Bevölkerung Oberschlestens,
sondern auch vom gesamten deutsche« Volk als Vergewalti-
gung und bitteres Unrecht empfunden werden.
Richt friedliche Entwicklung, sonder« unablässige Beunruhigungen
würde« die Folge sei«. Dem deutsche« Wirtschaftskörper würde
eine unheilbare Wunde geschlagen werden.
Zusammeufafsend erklärte der Reichskanzler: „Falls die Ent-
scheidung so fällt, wie zu befürchten ist, so ist eine neue Lage
geschaffen, die die Voraussetzungen einschneidend beeinträch-
tigt, unter denen die -stegenwär »e Regierung die Geschäfte des
Reiches übernommen und geführt hat. Eine abschließende Ent-
scheidung wird das Kabinett erst dann treffen können, wenn der
Spruch des Oberste« Rates amtlich vorliegt."
Der Reichskanzler stellte dies als einmütige Auffas-
sung des gesamten Kabinetts fest.
Die neue politische Greuze.
Oberfchlesien soll nach den soeben eingegangenen Meldungen
folgende Gestaltung erhalten:
Polen erhält Pleß und einen größeren Teil von
Rhbnik. Das Jndustrterevter wird zwischen den beiden
Ländern aufgeteilt derart, daß Deutschland die beiden west-
liche« Distrikte Gletwitz und Hindenburg und den Distrikt Beu-
then-Gtadt, Polen die Bezirke Königshütts, Beuthen-Land, Katto-
Witz-Stadt und Kattowitz-Zmrd erhält. Die beiden im Nordosten
des Jndustriereviers liegenden Bezirke Lubltnitz und Tarnowitz
sollen zwischen Deutschland und Polen ausgeteilt werden. Die
westlichen und nördlichen landwirtschaftliche« Kreise bleiben bei
Deutschland.
lungen des Kabinetts, an denen wiederum sämtliche Minister teil-
nahmen. Irgend welche Beschlüsse konnten mangels authentischen
Materials nicht gefaßt werden. Es darf bereits jetzt als ziemlich
sicher angesehen werden, daß im Falle der ungünstigen Entsche».
düng das Reichskavinett zurücktritt, da es die Erfüllung des Wie-
dergutmachungs-Ultimatums nicht übernehmen zu können glaubt.
Nach 2^stündiger Beratung wurde die Sitzung um ^412 Uhr
unterbrochen. Die Pause benutzte der Reichskanzler, um mit den
inzwischen erschienenen sozialdemokratischen Parteiführern Her-
mann Müller, Schetdemann, Wels und dem Reichstags-
präsidenten Löbe die Frage seiner Demission zu besprechen. Der
telegraphisch nach Berlin berufens Vorsitzende des Deutschen Aus-
schusses für Oberschlesten, Landrat a. D. Lukaschek, erschien tn
den ersten Nachmittagsstunden, um sich dem Kabinett für eine Be-
richterstattung über die oberschlestfchen Verhältnisse zur Verfügung
zu stellen. Die Verhandlungen der Regierung mit der Industrie,
den Banke» und der Landwirtschaft sind einstweilen auf unbe-
stimmte Zeit verschoben worden. Die Fraktionen des Reichstags
wollten heute tm Laufe des Tages Sitzungen abhalten und gegen-
seitig Fühlung nehmen. Die Absicht ist jedoch heute vormittag
vorläufig fallen gelassen, weil, wie gesagt, noch keine offi-
zielle Meldung aus Gens und London eingetrofsen
war. Dagegen ist für heute vormittag der Zusammentritt des
auswärttgen Ausschusses des Reichstags in Aussicht genommen.
Die demokratischen Fraktionen des Reichstags und des preußischen
Landtags versammelten stch gestern abend S Uhr.
Badische Politik.
Soztalistenyetze in der evangelische« Kirche.
Ein geradezu skandalöses Vorkommnis wird aus dem Ober-
land bekannt. In Riegel am Kaiserstuhl amtiert der evangelische
Pfarrer Löw, der eingeschriebenes Mitglied der Sozialdemokratie
ist. Wie wir von vornherein betonen möchten, ist Pfarrer Löw tn
seiner Gemeinde als tüchtiger Seelsorger beliebt. Nun sollte Pfar-
rer Löw, wie dies öfters vorkommt und überall im ganzen Land
üblich ist, für seinen Kollegen in Teningen, einer Nachbargemeinde,
als Vertreter einen Gottesdienst halten. Der Teninger Geistliche
war auch durchaus damit einverstanden. Da erhob stch der Te-
ninger Kirchengcmcindeausschuß und faßte den geradezu unerhör-
ten Beschluß, daß ein Pfarrer, dsr eingeschriebenes Mitglied der
Sozialdemokratischen Partei ist, in der Teninger Kirche nicht pre°
— Die Krise in Berlin.
digen soll". Demgemäß wurde dem Gen. Pfarrer Löw die Kirchs
und der Gottesdienst in Teningen gesperrt. Eine Beschwerde a«
den Ev. Oberfirchenrat hatte keinen Erfolg; der Oberktrchenrat
stellt sich auf den Standpunkt, daß „es verständlich sei, wenn Ge-
meinden mit einem bestimmten politischen Charakter es ablebnen,
stch von einem Pfarrer bedienen zu lassen, der einer andersgear-
teten politischen Partei angehört, und daß, „wer im Sinne einer
bestimmte« politischen Partei wirkt und öffentlich hervortrirt, der
mutz eben auch bereit sei«, die Folgen auf sich zu nehmen, die seins
Stellungnahme für ihn Haven kann."
Diese Sozialistenhetze, die hiermit ausdrücklich vom Ev. Ober-
Nrchenrat gebilligt wird, sollte nach verschiedenen Setten zu den-
ken geben. Vor allem ist sie ein glänzender Beweis dafür, wie
tief die evang. Kirche und Kirchenregierung verschwägert und ver-
schwistert ist mit der Reaktion. Die Auskunft des Oberkirchen-
rats ist ein Schlag ins Gesicht jeder Gerechtigkeit. Wir wissen ge-
nau, daß niemand einem der sozialdemokratischen Pfarrer Vor-
wersen kann, sie treiben Politik aus der Kanzel; wir kennen aber
Fälle genug, wo dentfchnattonalc, militaristische, monarchistische,
reaktionäre Politik in der Kirche getrieben wird und wurde. Man
stelle stch vor, welch ein Sturm entstanden wäre, wenn etwa eine
Arbeitergemeinde einem bekannten deutschnationalem Pfarrer, et-
wa Herrn Würth oder Oberfirchenrat Meyer, verboten hätte,
in ihrer Kirche Gottesdienst zu haltenl Das Geschrei über die ktr-
chenfeindliche Sozialdemokratie hätten wir hören mögen! Unbe-
greiflich ist nur das eine: daß stch die Teninger ev. Arbeiterschaft
nicht geschloffen aus die Seite des Pfarrers Löw gestellt hat. Hier
Wäre stramme Solidarität am Platze gewesen.
Allgemein aber möge dieser Fall eine glänzende Illustration
sein für den Wahlkampf, wenn es sich dämm handelt, zu zeigen,
wer aus der Religio» Politik macht, wer die Feinde der Religion
sind. Dann sollen unsere Redner, namentlich in den ev. Orten,
mit dem Finger daraus Hinweisen, wie die Kirche zur Sozialisten-
hetze mißbraucht wird! Wir danken den Teningern Reaktionären
und dem Ev. Oberfirchenrat für dies Material für den Wahlkampf;
es soll uns gute Dienste leisten! Wer Wind sät, wird Sturm ern-
ten! ' H.
Die demokratische Landesliste.
Die Landeswahlltste der Deutschen demokratischen Partei wird
folgende Namen an erster Stelle tragen: 1. Verwaltungsgerichts-
Hofs-Präsidem Glöckner, 2. Hauptlehrer Hofheinz in Hei-
delberg, 3. eine Dame aus Mittelbadm, 4. Amtsrichter D r.
Leser aus Heidelberg.
Die Kandidatur des Herrn Abg. Leser dürfte damit mehr
als fraglich sein, es müßte denn setn, daß die Demokraten in de«
einzelnen Wahlkreisen derart schlecht abschnetden, daß sie den größ-
ten Teil der für sie abgegebenen Stimmen überhaupt nur auf der
Landesliste verwerten können. Mit der Kandidatur des Herrn
Hofheinz, des Obmanns des Bad. Lehrervereins, scheint man
besonders in Lehrerkreisen Stimmung für stch machen wollen.
So sehr wir Herrn Hofheinz persönlich schätzen und seine Person
als eine wertvolle Bereicherung des kommenden Landtages anse-
hen, so werden wir uns gerade deshalb in den nächsten Tagen
noch ganz besonders mit der Schulpolitik der Demokraten zu be-^
fassen haben, insbesondere mit der Oberlehrerpolitik des Herrn
Ihrig.
Gegen die Tariferhöhungen in den unteren Etsenbahn-
Wagenklaffen.
Dem Antrag, den vor kurzem unsere Mannheimer Genossen
Retchstagsäbgeordneter Oskar Geck, Landtagsabg. Hahn und
Prof. Endres gegen die smente Erhöhung der Preise für Wo-
chenkarten und Fahrkarten vierter und dritter Klaffe auf der
Reichsbahn, sowie wegen Einführung von beschleunigten Zügen
zu billigen Tarife« an die sozialdemokratische Fraktion des Reichs-
tags gerichtet haben, ist diese jetzt vollinhaltlich beigetreten und hat
sie in Form einer Eingabe an das Reichsverkehrsmtnisterinm wet-
tergelettet.
Soziale Rundschau.
Die Notlage der Bolksschullehrer.
Nach langen Verhandlungen im vorigen Monat rauschte es
endlich durch den deutschen Blätterwald, daß die Beamten vom 1.
August d. Js. an ein paar Prozent Teuerungs- und Kinderzulagen
mehr erhalten sollen, um in den kommenden Teuerungswellen sich
über Bord halten zu können. Das war aber schon eine große Ent-
täuschung. Der Finanzminister gab den Befehl, daß mit der Nach-
zahlung am 19, September begonnen werde und bas Gehalt auch
Vox dem 1. Oktober zur Auszahlung komme. Die Reichsbeamte«
erhielten nun auch diese Gelder zugewiesen. Wir Volksschulleh-
rer aber warten von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Die Ge-
duld will man verlieren; die Not steigert stch; es ist ein Elend,
ja, geradezu ein Skandal. Kummer und Sorgen sind die beständi-
gen Hausgenossen in den Lehrerfamilien. Pumpen, Schulde«
machen? — man tuts nicht gern. Sollen uns die Teuerungswel-
len unter Wasser kriegen? Haben die maßgebenden Körperschaften
denn gar keine Ahnung von der immer größeren Verarmung der
Beamtenschaft? Sollen wir Gründe und Beweise aufmarschieren
lassen? Freilich is- der Binar.zapparat für die Lehrer noch nie so
sehr geschmiert gewesen und Zas Ausrechnen der „paar Groschen
Adelsheim, Boackerg, TauberbifchsfLheiM und Wertheim.
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Heidelberg, Donnerstag, 13. Oktober 1921
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Die Krise auf dem Höhepunkt.
Die Entscheidung in Gens gefallen. — Politische Zerreißung Oberschlestens. — Das Industriegebiet als
autonome WirtschastsPrsVinz Unter polnischer SuBsrämLLt.
ErMruWgLN des Reichskanzlers.
Berlin, 12. Ott. (Priv.-Tcl. der „Franks. Ltg.) In der
Das Gutachten des Völkerbundsrates über Oberschlesien ist
gestern fertiggestellt worden, die Veröffentlichung der Lösung selbst
soll aber erst nach der Annahme durch die Oberste Rats- Hzw. Bot-
schastsrkonferenz am Samstag oder Sonntag erfolgen. Wenn die
vorliegenden Meldungen über den Inhalt der Lösung richtig sind
und falls von den Ententemächten keine Korrekturen mehr vor-
genommen werden, bestätigt es sich, daß man die politische und
wirtschaftliche Lösung getrennt hat. Darüber liegt dem „Berliner
Tageblatt" folgende authentische Meldung vor:
Genf, 12. Ott. Heute vormittag wurde die abschließende
Besprechung über Oberfchlesien im Rat fortgesetzt. Ein diplomati-
scher Kurier wird dann das Dokument, das wer Oberschlestens
Schicksal entscheidet, heute abend Herrn Brtand als Vorsitzende«
des Obersten Rates nach Paris bringe«. Am Samstag wird die
Welt offiziell erfahren, was die Weisen von Genf beschlossen haben.
Der VSlksrbundsrat hat im wesentlichen die französisch-polnische
These akzeptiert und empfohlen, Oberfchlesien nach einer Grenz-
linie ausetnanderzureiße«, die sich als eine Verschmelzung
der ersten mit der zweiten Ssorzalinte erweist. Po-
len erhält die Bezirke Pleß und Ryvnik sowie weiter nördlich
gelegene Streifen und KSntgshütte mit Einschluß aller wich-
tigen Städte und endlich den Kreis Beuthsn. Deutsch-
land verbleibt die Stadt Benthe« selbst. Das ist
die Lösung nach polnische« Gesichtspunkte«. Ferner kam man zur
Annahme des SachverstäNdigenvorfchlags, das Industrie-
gebiet als autonome Wirtschastsprovinz zu kon-
struiere« unter polnischer Staatsoberhoheit.
In dem Gutachten des Völkerbundsrates, das fünf Teile um-
fassen Wird, findet sich eine Einleitung, tn der die Gründe, die zu
dem Vorschlag geführt haben, dargelegt werden. Polen und
Deutschland sollen sich über gewisse Vereinbarungen unter sich ver-
ständigen, der gemischte Ausschuß zur Leitung der autonomen Jn-
dttstrieprovinz soll aus einem Deutschen, einem Polen und einem
Neutralen bestehen.
Bereits am Dienstag mittag, als die ersten für uns ungünstig
lautenden Nachrichten aus Genf Vorlagen, hat der Botschafter Dr.
Mayer bei Briand einen letzten diplomatischen Schritt unter-
nommen, in dem er, wie verschiedene französische Blätter berichten,
energisch gegen die voraussichtlichen Genfer Entscheidungen prote-
stiert habe. Der Botschafter habe ohne Umschweife erklärt, daß
die Teilung Oberschlestens durch den Versailler Vertrag keineswegs
autorisiert sei, und daß angesichts der Vergewaltigung der deut-
schen Rechte durch die Genfer Entscheidung das Kabinett Wirth
nicht in seiner persönlichen Haltung verbleiben könne, und zwar
in der Angelegenheit des Wiesbadener Abkom-
mens insbesondere. Des weiteren hat der Botschafter aus die
Politischen Folgen aufmerksam gemacht, die dis Teilung Ober-
schlesiens in Deutschland haben werde. Sogar von einer De-
mission des Kabinetts Wirth habe er gesprochen.
Wenn der Schritt des deutschen Botschafters wirklich in dieser
Form erfolgt setn sollte, so kann man über seine Klugheit und
keinen Erfolg geteilter Meinung sein. So richtig es war, Bri-
cmd auf die kritische Situation und die Gefahren einer Teilung
Oberschlesiens hinzuweisen, so ging es doch nicht an, sofort das
Wiesbadener Abkommen und die ganze bisherige Stellung des
Reichskabtnetts Wirth in Frage zu stellen. Diese naive, jeder
nüchternen politischen Klugheit bare Drohung hat denn auch in
der Pariser Presse das entsprechende Echo gesunden.
In Berlin hat die Krise offenbar ihren Höhepunkt erreicht.
Die Meldung, die wir nachstehend veröffentlichen, bezeichnet den
Rücktritt des Kabinetts Wirth tm Falle der ungünstigen Entschei-
dung über Oberfchlesien als ziemlich sicher. Wir haben bereits
Sestern an dieser Stelle dargelegt, wie wir über diese Frage denken
und freuen uns, dem „Vorwärts" und der „Freiheit" entnehmen
ru können, daß auch unsere sozialdemokratische Fraktion in Berlin
sich für das Bleiben des Kabinetts Wirth einsetzt,
während offenbar einige Minister des Zentrums und der Demo-
kraten für den Rücktritt sind. Was soll denn ein solcher Rücktritt
m dieser kritischen Stunde? Glaubt man damit irgend welchen
Eindruck auf den Völkerbundsrat und die Entente machen zu
Wunen, und würde man damit nicht alle die tn den letzten Wochen
doch zweifellos erzielten außenpolitischen Erfolge des Kabinetts
«irth in Frage stellen? Man hat sich eben tn gewissen bürger-
lichen Kreisen offenbar die Politik der Verständigung und der
Leistungen etwas zu leicht vorgestellt, man hat nicht mit
Rückschlägen und Mißerfolgen gerechnet, die aber tapfer und ent-
schlossen überwunden werden müssen, wenn die ganze Politik über-
haupt einen Sinn gehabt haben soll. Schließlich kommt es jetzt
sucht auf heroische nationale Gesten und pathetische Proteste an,
wndern daraus, einmal abzuwarten, ob die Genfer Lösung nicht
»och einen modus vivendi bedeuien kann, oder ob sie sich in
Praxis ad absurdum führt.
Wir geben die nachstehende T.U.-Meldung über die Lage in
Berlin mit allem Vorbehalt wieder:
-Berlin, 13. Okt. Der von dem deutschen Botschafter
^ryamer aus London erwartete Bericht über seine Demarche
der englischen Regierung ist auch gestern vormittag noch nicht
"gegangen. Dagegen lag eine Reihe alarmierender Meldungen
n"/ Genf, Paris und London vor, die die pessimistischen Nsch-
der Presse über die Entscheidung des Völkerbundsrates be-
"Sen. Dieses Material bildete die Unterlage für die Verhand-
heutigen Sitzung des ReichskaStnetts gab der Reichskanzler
Dr. Wirth der allgemeinen Erregung darüber Ausdruck, daß der
Völkerbundsrat in Genf, soweit stch aus unwidersprochene«
Nachrichten entnehmen läßt, über das oberschlestfche Gebiet in
einer Weife verfügt hat, die weder der durch die Abstimmung klar
zutage getretenen Willenskundgebung der overschlesischen Bevölke-
rung, noch dem wirtschaftlichen Bedürfnis des Landes entspricht.
Träfen diese Rachrichte« zu u«d fälle der Oberste Rat eine so ge-
artete Entscheidung, so wäre« deutsche Städte mit allem, was i«
ihnen an Arbeitswerten u«d Kulturgütern von deutschem Fleiß
und deutschem Geist geschaffen worden iftzvomReichgetrennt
und unter Fremdherrschaft gestellt. Die Zerreißung
würde nicht nur von der Mehrheit der Bevölkerung Oberschlestens,
sondern auch vom gesamten deutsche« Volk als Vergewalti-
gung und bitteres Unrecht empfunden werden.
Richt friedliche Entwicklung, sonder« unablässige Beunruhigungen
würde« die Folge sei«. Dem deutsche« Wirtschaftskörper würde
eine unheilbare Wunde geschlagen werden.
Zusammeufafsend erklärte der Reichskanzler: „Falls die Ent-
scheidung so fällt, wie zu befürchten ist, so ist eine neue Lage
geschaffen, die die Voraussetzungen einschneidend beeinträch-
tigt, unter denen die -stegenwär »e Regierung die Geschäfte des
Reiches übernommen und geführt hat. Eine abschließende Ent-
scheidung wird das Kabinett erst dann treffen können, wenn der
Spruch des Oberste« Rates amtlich vorliegt."
Der Reichskanzler stellte dies als einmütige Auffas-
sung des gesamten Kabinetts fest.
Die neue politische Greuze.
Oberfchlesien soll nach den soeben eingegangenen Meldungen
folgende Gestaltung erhalten:
Polen erhält Pleß und einen größeren Teil von
Rhbnik. Das Jndustrterevter wird zwischen den beiden
Ländern aufgeteilt derart, daß Deutschland die beiden west-
liche« Distrikte Gletwitz und Hindenburg und den Distrikt Beu-
then-Gtadt, Polen die Bezirke Königshütts, Beuthen-Land, Katto-
Witz-Stadt und Kattowitz-Zmrd erhält. Die beiden im Nordosten
des Jndustriereviers liegenden Bezirke Lubltnitz und Tarnowitz
sollen zwischen Deutschland und Polen ausgeteilt werden. Die
westlichen und nördlichen landwirtschaftliche« Kreise bleiben bei
Deutschland.
lungen des Kabinetts, an denen wiederum sämtliche Minister teil-
nahmen. Irgend welche Beschlüsse konnten mangels authentischen
Materials nicht gefaßt werden. Es darf bereits jetzt als ziemlich
sicher angesehen werden, daß im Falle der ungünstigen Entsche».
düng das Reichskavinett zurücktritt, da es die Erfüllung des Wie-
dergutmachungs-Ultimatums nicht übernehmen zu können glaubt.
Nach 2^stündiger Beratung wurde die Sitzung um ^412 Uhr
unterbrochen. Die Pause benutzte der Reichskanzler, um mit den
inzwischen erschienenen sozialdemokratischen Parteiführern Her-
mann Müller, Schetdemann, Wels und dem Reichstags-
präsidenten Löbe die Frage seiner Demission zu besprechen. Der
telegraphisch nach Berlin berufens Vorsitzende des Deutschen Aus-
schusses für Oberschlesten, Landrat a. D. Lukaschek, erschien tn
den ersten Nachmittagsstunden, um sich dem Kabinett für eine Be-
richterstattung über die oberschlestfchen Verhältnisse zur Verfügung
zu stellen. Die Verhandlungen der Regierung mit der Industrie,
den Banke» und der Landwirtschaft sind einstweilen auf unbe-
stimmte Zeit verschoben worden. Die Fraktionen des Reichstags
wollten heute tm Laufe des Tages Sitzungen abhalten und gegen-
seitig Fühlung nehmen. Die Absicht ist jedoch heute vormittag
vorläufig fallen gelassen, weil, wie gesagt, noch keine offi-
zielle Meldung aus Gens und London eingetrofsen
war. Dagegen ist für heute vormittag der Zusammentritt des
auswärttgen Ausschusses des Reichstags in Aussicht genommen.
Die demokratischen Fraktionen des Reichstags und des preußischen
Landtags versammelten stch gestern abend S Uhr.
Badische Politik.
Soztalistenyetze in der evangelische« Kirche.
Ein geradezu skandalöses Vorkommnis wird aus dem Ober-
land bekannt. In Riegel am Kaiserstuhl amtiert der evangelische
Pfarrer Löw, der eingeschriebenes Mitglied der Sozialdemokratie
ist. Wie wir von vornherein betonen möchten, ist Pfarrer Löw tn
seiner Gemeinde als tüchtiger Seelsorger beliebt. Nun sollte Pfar-
rer Löw, wie dies öfters vorkommt und überall im ganzen Land
üblich ist, für seinen Kollegen in Teningen, einer Nachbargemeinde,
als Vertreter einen Gottesdienst halten. Der Teninger Geistliche
war auch durchaus damit einverstanden. Da erhob stch der Te-
ninger Kirchengcmcindeausschuß und faßte den geradezu unerhör-
ten Beschluß, daß ein Pfarrer, dsr eingeschriebenes Mitglied der
Sozialdemokratischen Partei ist, in der Teninger Kirche nicht pre°
— Die Krise in Berlin.
digen soll". Demgemäß wurde dem Gen. Pfarrer Löw die Kirchs
und der Gottesdienst in Teningen gesperrt. Eine Beschwerde a«
den Ev. Oberfirchenrat hatte keinen Erfolg; der Oberktrchenrat
stellt sich auf den Standpunkt, daß „es verständlich sei, wenn Ge-
meinden mit einem bestimmten politischen Charakter es ablebnen,
stch von einem Pfarrer bedienen zu lassen, der einer andersgear-
teten politischen Partei angehört, und daß, „wer im Sinne einer
bestimmte« politischen Partei wirkt und öffentlich hervortrirt, der
mutz eben auch bereit sei«, die Folgen auf sich zu nehmen, die seins
Stellungnahme für ihn Haven kann."
Diese Sozialistenhetze, die hiermit ausdrücklich vom Ev. Ober-
Nrchenrat gebilligt wird, sollte nach verschiedenen Setten zu den-
ken geben. Vor allem ist sie ein glänzender Beweis dafür, wie
tief die evang. Kirche und Kirchenregierung verschwägert und ver-
schwistert ist mit der Reaktion. Die Auskunft des Oberkirchen-
rats ist ein Schlag ins Gesicht jeder Gerechtigkeit. Wir wissen ge-
nau, daß niemand einem der sozialdemokratischen Pfarrer Vor-
wersen kann, sie treiben Politik aus der Kanzel; wir kennen aber
Fälle genug, wo dentfchnattonalc, militaristische, monarchistische,
reaktionäre Politik in der Kirche getrieben wird und wurde. Man
stelle stch vor, welch ein Sturm entstanden wäre, wenn etwa eine
Arbeitergemeinde einem bekannten deutschnationalem Pfarrer, et-
wa Herrn Würth oder Oberfirchenrat Meyer, verboten hätte,
in ihrer Kirche Gottesdienst zu haltenl Das Geschrei über die ktr-
chenfeindliche Sozialdemokratie hätten wir hören mögen! Unbe-
greiflich ist nur das eine: daß stch die Teninger ev. Arbeiterschaft
nicht geschloffen aus die Seite des Pfarrers Löw gestellt hat. Hier
Wäre stramme Solidarität am Platze gewesen.
Allgemein aber möge dieser Fall eine glänzende Illustration
sein für den Wahlkampf, wenn es sich dämm handelt, zu zeigen,
wer aus der Religio» Politik macht, wer die Feinde der Religion
sind. Dann sollen unsere Redner, namentlich in den ev. Orten,
mit dem Finger daraus Hinweisen, wie die Kirche zur Sozialisten-
hetze mißbraucht wird! Wir danken den Teningern Reaktionären
und dem Ev. Oberfirchenrat für dies Material für den Wahlkampf;
es soll uns gute Dienste leisten! Wer Wind sät, wird Sturm ern-
ten! ' H.
Die demokratische Landesliste.
Die Landeswahlltste der Deutschen demokratischen Partei wird
folgende Namen an erster Stelle tragen: 1. Verwaltungsgerichts-
Hofs-Präsidem Glöckner, 2. Hauptlehrer Hofheinz in Hei-
delberg, 3. eine Dame aus Mittelbadm, 4. Amtsrichter D r.
Leser aus Heidelberg.
Die Kandidatur des Herrn Abg. Leser dürfte damit mehr
als fraglich sein, es müßte denn setn, daß die Demokraten in de«
einzelnen Wahlkreisen derart schlecht abschnetden, daß sie den größ-
ten Teil der für sie abgegebenen Stimmen überhaupt nur auf der
Landesliste verwerten können. Mit der Kandidatur des Herrn
Hofheinz, des Obmanns des Bad. Lehrervereins, scheint man
besonders in Lehrerkreisen Stimmung für stch machen wollen.
So sehr wir Herrn Hofheinz persönlich schätzen und seine Person
als eine wertvolle Bereicherung des kommenden Landtages anse-
hen, so werden wir uns gerade deshalb in den nächsten Tagen
noch ganz besonders mit der Schulpolitik der Demokraten zu be-^
fassen haben, insbesondere mit der Oberlehrerpolitik des Herrn
Ihrig.
Gegen die Tariferhöhungen in den unteren Etsenbahn-
Wagenklaffen.
Dem Antrag, den vor kurzem unsere Mannheimer Genossen
Retchstagsäbgeordneter Oskar Geck, Landtagsabg. Hahn und
Prof. Endres gegen die smente Erhöhung der Preise für Wo-
chenkarten und Fahrkarten vierter und dritter Klaffe auf der
Reichsbahn, sowie wegen Einführung von beschleunigten Zügen
zu billigen Tarife« an die sozialdemokratische Fraktion des Reichs-
tags gerichtet haben, ist diese jetzt vollinhaltlich beigetreten und hat
sie in Form einer Eingabe an das Reichsverkehrsmtnisterinm wet-
tergelettet.
Soziale Rundschau.
Die Notlage der Bolksschullehrer.
Nach langen Verhandlungen im vorigen Monat rauschte es
endlich durch den deutschen Blätterwald, daß die Beamten vom 1.
August d. Js. an ein paar Prozent Teuerungs- und Kinderzulagen
mehr erhalten sollen, um in den kommenden Teuerungswellen sich
über Bord halten zu können. Das war aber schon eine große Ent-
täuschung. Der Finanzminister gab den Befehl, daß mit der Nach-
zahlung am 19, September begonnen werde und bas Gehalt auch
Vox dem 1. Oktober zur Auszahlung komme. Die Reichsbeamte«
erhielten nun auch diese Gelder zugewiesen. Wir Volksschulleh-
rer aber warten von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Die Ge-
duld will man verlieren; die Not steigert stch; es ist ein Elend,
ja, geradezu ein Skandal. Kummer und Sorgen sind die beständi-
gen Hausgenossen in den Lehrerfamilien. Pumpen, Schulde«
machen? — man tuts nicht gern. Sollen uns die Teuerungswel-
len unter Wasser kriegen? Haben die maßgebenden Körperschaften
denn gar keine Ahnung von der immer größeren Verarmung der
Beamtenschaft? Sollen wir Gründe und Beweise aufmarschieren
lassen? Freilich is- der Binar.zapparat für die Lehrer noch nie so
sehr geschmiert gewesen und Zas Ausrechnen der „paar Groschen