Tageszeit««- für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Bachen,
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Heidelberg, Samstag, 17. Dezember 1921
Nr. 293 * 3. Jahrgang
....—.„...
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Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales-
O. Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadische» Verlagsanstalt G.m.b.H^ Heidelberg»
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Zur Lage.
Rr. Heidelberg, de» 17. Dezernber.
Es ist bereits gestern an dieser Stelle mtt wenigen Sätzen aus
die Bedeutung der neuen Situation in der Reparattonsfrage hin-
gewiesen worden. Deutschland hat sich außerstande erklärt, die am
15. Januar uird 15. Februar fälligen Barzahlungen zu leisten, nach-
dem die englische Ftnanzwelt in einem offiziellen Schreiben, das
durch die Reichsbank an den Reichskanzler geleitet wurde, jeden
Kredit an Deutschland ablehnte, solange die jetzigen Reparations-
verpflichtungen in ihrer Londoner Form au? Deutschland lasten.
Mit anderen Worten: die englische Ftnanzwelt hat genau wie vor
einigen Wochen die englische Industrie und wie seit Jahren die
englische Arbeiterschaft vor aller Welt ausgesprochen, daß jede
Sanierungsaktion zugunsten der deutschen Wirtschaft keinen Sinn
habe, solange nicht die Bedingungen des Londoner Ultimatums
eine entscheidende Revision erfahren. Der Gedanke der Revision
hat ja, nachdem jetzt Lloyd George sich mit allen Kräften auf ihn
konzentrierte, in den letzten Wochen und Tagen wesentliche Fort-
schritte gemacht. Nach neueren Meldungen will ja England auf
eine Reduzierung der deutschen Schuld um mindestens die Hälfte
hinaus, und zwar dadurch, daß es auf seinen Anteil an der Repa-
ration völlig Verzichtet, für die 600 Millionen Pfund, die ihm
Frankreich schuldet, deutsche Reparationsbonds der Serie L in
Zahlung nimmt, um sie zu vernichten, und auf alle Gläubigerstaaten
der Entente, insbesondere auf Amerika einwirkt, diesem Beispiel
zu folgen. Damit beginnen sich ökonomische Forderungen durch-
zusetzen, die schon vor Jahren von dem bekannten englischen Na-
ttonalökonomen Keynes gestellt worden sind. Aber währen-
Keynes damals in England ziemlich alleinstehend u. in der franzö-
sischen Presse aufs heftigste angegriffen und verdächtigt wurde, sind
diese Probleme und Forderungen jetzt Plötzlich in den Vordergrund
der politischen Diskussion gerückt, hat sich die englische Industrie-
und Handelswelt dieselben zu eigen gemacht und auch der Ton
der französischen Presse ist ein wesentlich anderer geworden. Der
„Temps" z. B„ der seit einiger Zeit in sachlicher Ruhs und nüch-
terner Objektivität diese Dinge erörtert, begrüßt diese Reparations-
pläne und warnt davor, sie durch vorzeitige Kritik zu Fall zu
bringen, da nur auf diesem Wege eine Wiederherstellung Europas
möglich sei, die doch auch dringend im Interesse Frankreichs liege.
Demgegenüber will es gar nichts bedeuten, wenn gestern auf die
Nachricht von der deutschen Zahlungsunfähigkeit hin an der Börse
der Dollar plötzlich wieder aus 200 und darüber hinaufgeschnellt ist.
Die Börsenspekulanten, die zwar recht gute Schieber, aber sehr
schlechte Politiker und oft noch schlechtere Charaktere sind, beurteilen
eben die jeweilige Situation nur nach den privaten Profitmöglich-
keiten. Solange sie auf ein positives Ergebnis der Londoner Ver-
handlungen hoffen zu können glaubten, spekulierten sie auf Mark-
hausse, nachdem es jetzt mit der Rechnung wieder nichts ist, iverfen
sie wieder Mark auf den Geldmarkt und spekulieren wieder tu
Devisen und Markbaisse. Diese Börse von heute kann kein Baro-
meter der Politik mehr sein. Tatsache ist, daß trotz der sehr ernsten
ZahlungsunsähigkeitserWrung die deutsche Position durch die
Stellungnahme der englischen Industrie- und Bankwelt außer-
ordentlich gewonnen hat.
Als wir gestern an dieser Stelle diesen Posttionsgewin» auf
das Konto der deutschen Erfüllungspolitik buchten, waren wir uns
ganz klar darüber, daß die oppositionelle Rechtspresse, die ja alle
außenpolitische« und wirtschaftlichen Fragen nur von ihrem inner-
politischen Oppofltionsstandpunkt beurteilt, anders schreiben wird,
daß sie nämlich jubelnd den Zusammenbruch der Wtrthschen Er-
füllungSPolitik konstatieren wird. Und richtig, über der gestrige»
„Südd. Zeitung" prangt die Schlagzeile „Der Zusammen-
bruch der Erfüllungspolitik" und auch nach der Meinung der „Ba-
dischen Post" enthält die deutsche Note die „Bankerotterklärung der
Erfüllungspolitik des Kabinetts Wirth". In ihrer bissig-ironischen
und satirischen Art schreibt die „Süddeutsche" u. a.:
Grelles Tageslicht fällt mit eirrem Male in das geheimnis-
volle Dunkel, das die Reichsregierung in den letzten Tagen und
Wochen um das ganze Reparationsproblem gewoben hatte, und
vor ihm zerstieben die optimistischen Rebelschwaden, die sich tm
Schutz« dieses Dunkels um die „Erfolge" des stillen Regierungs-
mannes Rath enau gelegt hatten. Die Regierung der „Er-
füllung" ist am Ende mit ihrem Erfüllungslatein und steht
keinen anderen Ausweg mehr als ein offizielles Ersuchen um
Stundung der «SchstfSAgen Zahlungen. . . .
In derselben Stunde geht die deutsche Note nach Parts, in
der das Reich sich als zahlungsunfähig erklärt. „Run klatscht
Beifall, die Komödie ist aus!" sagte ein verröchelnder römischer
Kaiser auf dem Sterbebette. Bis zum letzten Augenblicke hatte
man noch durch Schminke sein Gesicht zum Grinsen verzerrt, daß
bloß die Leute nichts merken sollten. . . Der grosse „Erfüller"
Wirth ist auch am Ende seiner Komödie »«gelangt. Er steht auf
den Trümmern seiner gailzen Politik."
So können nur Leute schreiben, denen nlcht nur jedes reale
außenpolitische Denke« abhanden gekommen ist, sondern denen vor
allem jeder innenpolitische, jeder staatspolitische Ernst fehlt. Aber
leider sind diese Menschen in Deutschland heute sehr zahlreich»
für die daher das Urteil der „Süddeutschen Zeitung" auch das
ihrige ist. Eine grauenhafte politische Oberflächlichkeit und Dema-
gogie grinst uns aus solchen Zeilen entgegen. Warum haben wir
denn ISIS den Vertrag von Versailles und 1921 tm Mat das Ulti-
matum von London unterschrieben? Etwa weil wir illusionistisch
genug waren, anzunehmen, daß wlr all das Geforderte auf den
Buchstaben werden erfüllen können? Durchaus nicht, sondern weil
die realpolittsAe Sachlage uns zur Unterschrift zwang, wenn wir
Das Echo unsere» Stundungsgesuches.
Die Stellung der Reparationskommission.
London, 18. Dez. Wie Reuter berichtet, ist die englisch«
Haltung gegenüber dem deutsche« Stundungsantrag noch unbe-
stimmt, jedoch ist sicher, daß England nur unter sehr be-
stimmten Bedingungen einem Aufschub zustimmen würde.
Paris, 1«. Dez. (Prtv.-Tel. der „Frlf. Zig.") Die Repa-
rationskommisston ist heute nachmittag zu einer Sitzung zusmn-
mengetreten, um über die Antwort aus die gestern von der
deutschen Regierung überreichte Note zu beraten. Ihre Beschlüsse
sind zur Stunde noch nicht bekannt. Es ist jedoch wahrscheinlich,
daß ihre Antwort, wenn ste auch unter Bezugnahme auf die in der
Note vom 2. Dezember niedergelegte Auffassung erneut der Ansicht
Ausdruck geben wird, daß die wirtschaftliche Situation
Deutschlands de« von der deutsche« Regierung unternomme-
nen Schritt nicht gerechtfertigt erscheinen lasse, die Türe für die
Fortsetzung der Diskussion offenlassen wird. Ste wird vermutlich
von der deutschen Regierung nähere Erklärungen zur Be-
gründung ihres Gesuches um Zahlungsaufschub und um detail-
lierte Unterlagen zur Beurteilung der finanziellen
Situation Deutschlands fordern. — Im übrigen kann
als sicher gelterr, daß dis Entscheidung, die zwar «ach dem Friedens-
vertrag der Reparattonskommtssion susteht, nicht in deren Schoße,
sondern in den Besprechungen zwischen Lloyd George und
Brianv zu Begin« der nächsten Woche falle« wird.
RrrMch-sranzöfifche Verhandlungen in Genf?
Berlin, 17. Dez. Wie die Telegraphen-Union aus zuver-
lässiger Quelle erfährt, Haben in jüngster Zett in Genf Berhand-
lungen zwischen Vertretern der Sowjetregieramg in Moskau
und solchen aus Parts stattgefunden. Ste haben folgende Grund-
lage gehabt:
1. ) Rußland erkennt die Vorkriegsschulde« an Frankreich an.
Frankreich erklärt sich demgegenüber bereit, auf die Rückzcchlung
der während des Krieges aufgenommenen Schulden zu verzichten.
2. ) Frankreich erkennt die Sowjetregierung und die Sowjetre-
publik an. Rußland erklärt sich demgegenüber bereit, dem Ver-
sailler Vertreter als Stguatarmacht beizutreten.
uns nicht katastrophalen Repressalien seitens der Entente ausfetzen
wollten. So wie die politische Psychologie der Regierenden wie
der Regierten in der Entente damals war, konnte eine Erleichte-
rung der deutschen Lasten lediglich auf die deutschen Proteste und
Unmöglichkeitserklärungen hin nicht erwartet werden, zumal damit
nur die Gewaltpolitik der chauvinistischen und militaristischen Kreise
genährt worden wäre. Deutschland mutzte erst weitgehende ehrliche
Erfüllungsverfuche mache», schon um wieder ein moralisches Pre-
stige in der Weltpolitik zu gewinnen. Deutschland hat unter dem
Kabinett Wirth diesen Weg beschritten; es hat das Londoner Ulti-
matum unterschrieben, es hat die erste Goldmtlliarde unter schwer-
sten Opfern bezahlt, es hat mit Frankreich daS Wiesbadener Sach-
rerstüngsabkomme« abgeschlossen. Und auch jetzt hat Deutschland
versucht, seine Januar- und Februarsälligketten zu begleichen, in-
dem es, dem Rate der Reparationskommission folgend, in England
um Kredite und Darlehen nachsuchte. Aber nun kamen die Hem-
mungen und Widerstände von außen, die englischen Industriellen
forderte» Revision des Londoner Reparationsplanes, weil er Eng-
lands Außenhandel ruiniere — England hat 1921 zum ersten Male
auch eine passive Zahlungsbilanz — und die englische Finanzwelt
fordert ebenfalls Revision, weil die unsinnigen Reparattonsbedin-
gunge« jede Kreditaktto« illusorisch »rachen. Wenn Deutschland
jetzt seine Zahlungsunfähigkeit erklärt hat/so wird kein Mensch
mehr an seinem guten Willen zweifeln, man wird eben andere
Wege zu finden suche« und damit hat doch diese Außenpolitik der
Erfüllung eine» ersten großen Erfolg zu verzeichnen.
Allerdings wäre es jetzt gerade angesichts der kommenden wich-
tigen und entscheidenden Reparationskonferenzen verfehlt, wenn
unsere Politik lediglich bei der rein negativen Erklärung unserer
Zahlungsunfähigkeit stehen bleiben, etwa in der Hoffnung, daß
alles andere nun von selbst kommen werd«. Wlr müssen gerade in
den nächsten Wochen unsererseits alles tun, was die Reparations-
frage einer vernünftigen Lösung entgegensührrn kann. Hier sind
der deutschen Politik, Diplomatie und Presse heikle, aber dankbare
Aufgaben gestellt: steuer- und wirtschaftspolitisch muß alles getan
werden, um unsere Staatsstnanzen, wobei natürlich gewisse volks-
wirtschaftlich gerade noch zulässige Grenzen nicht überschritten wer-
den dürfen, in Ordnung zu bringen. Bor allem aber müssen wir
jeden irgendwie vernünftigen Revistonsvorschlag des Auslands
unterstützen, ja unsererseits selbst solche machen. Das Hauptziel
mutz jetzt sein: unter keinen Umständen darf im Ausland der Ein-
druck entstehen, Deutschland w i l l nicht zahlen, Deutschland sa-
botiert die Reparation, sondern man mutz klar und deutlich er-
kennen: Deutschland will erfüllen, aber nur soweit es ihm volks-
wirtschaftlich möglich ist und in Formen, die einen wirtschaftliche«
Wiederaufbau der Welt und nicht einen vöMge» Ruin zur Folge
haben. Dies mutz der Leitsatz unserer Außenpolitik sein, unter ihm
mutz auch die Innenpolitik stehen. In diesem Sinne bewegen sich
ja auch die Ausführungen, die gestern der Kanzler im Auswärtigen
Ausschuß gemacht hat. Man wird deshalb einer Ver-
breiterung der Netchsregierung, die nach wie vor sine ehrliche Er-
fWungsregierung bleiben mutz, nach rechts nur sehr skeptisch und
vorsichtig gegenübertreten Müssen. Doch darüber soll ein andermal
gesprochen werden.
Politische Ueberficht.
Der Reichskanzler zur Lage.
Berlin, den 16. Dezember.
In der heutigen Sitzung des Hauptausschusses des Reichstags
machte der Reichskanzler längere Ausführungen über die Repara-
tionsfrage. Er sagte u. a.:
Meine Damen und Herren! Sie haben heute morgen Ge-
legenhett gehabt, in den Zeitungen Kenntnis von der Note zu
nehmen, die an den Herrn Präsidenten der Reparationskommission
gerichtet ist. Durch die Absendung dieser Note ist
eine neue politische Situation geschaffen
worden. Niemand in der Welt hat Anlatz, an unserem ernste«,
festen guten Willen zu zweifeln und ich habe auch niemand gesun-
den, auch draußen nicht, der in diesen Willen ernsthafte Zweifel
gesetzt hätte, abgesehen von einigen Leuten, mit denen politisch
überhaupt nicht zu diskutieren ist. Ein großer Teil dessen, was
uns auserlegt ist, hängt aber nicht allein von uns ab, sondern von
der Wirtschaftslage Europas, ja der ganzen Welt. Wer zurückbltckt,
wird heute mit uns sagen, daß das Erfüllenwollen in vielen Fra-
gen nicht das Erfüllenkönnen bedeutet. Schon bei Annahme des
Ultimatums habe ich am 10. Mat und bei der Bildung der Regie-
rung im Reichstag betont, daß die weltwirtschaftlichen Folgen der
Annahme dieses Uliimatums und seine Ausführung der Gegenseite
verantwortli chzur Last fallen. Diese weltwirtschaftlichen Folgen
sind etngetteten, vor allem der Sturz der deutschen Mark. Unsere
Verpflichtungen im Januar und Februar können nur zum Teil
durch Sachleistungen avgedeckt werden und das auch nur, wenn
diese Verpflichtungen auf dem Wege des Kredits erledigt werden
können. Die Reparationskommission Hai uns bet ihrer Anwesen-
heit tu Berlin aufgefordert, alles zu tu«, um di« Januar- und
Februarverpflichtungen zu erfüllen. Ju dem Brief, den ich vor
der Abreise der Reparationskommission am IS. November dem
Präsidenten überreicht habe, wird
1. angekttndigt, daß wir offizielle Schritte unternehmen werden
und offiziöse schon unternommen haben, um zu einem
Kredit zu kommen;
2. ist darin die Bitte ausgesprochen, daß die Reparationskom-
misstö« in dieser Hinsicht uns au den zuständigen Stellen
unterstützen möge.
Die Reparationskommission hat mich selbst bet ihrer Anwesen-
heit in Berlin dazu ermuntert, daß Kredite in der Welt Wohl zu
erhalten seien. Wir haben darum entsprechende Schritte tu Lon-
don versucht, um langfristige oder kurzfristige Kredite zu erhalte«.
In der Note, die gestern nach Paris gesandt worden ist, ist der
wortgetreue Wortlaut enthalten, was wir von England gehört
haben. Die Antwort Englands lautet: Deutschland kann keine»
Kredit bekommen, solange es unter den Bedingungen steht, die zur
Zeit die Zahlungsverpflichtungen Deutschlands nach dem Londoner
Ultimatum regeln.
Damit ist von der Gegenseite selbst dte Sinnlosigkeit
der Kreditgewährung umer den bisherigen Zahlungs-
bedingungen zum Ausdruck gebracht.
Hiernach wird unsere Politik einzurichten sein. Wir müssen darum
dieser Sachlage entgegenkommen durch eine iuncrpolitische ausser-
ordentlich gesteigerte Aktivität. Wir müsse» unsere Etats möglichst
rasch verabschieden und wer auswärtige Politik in vollster Verant-
wortung ausüben will, der muß mit uns dafür sorgen, daß zunächst
der Pvstetat und danach der Eisenbahnetat balanztert. Draußen
in der Welt wird angenommen, daß wir durch Unterstützungen an
die Post und Eisenbahnen sür die Ernährung unseres Volkes Mittel
zur Verfügung stellen. Es wird nicht mehr möglich sein, tm näch-
sten Jahre das deutsche Volk draußen in der Welt als eine Gefahr
für die Wirtschaft anderer Völker erscheinen zu lassen. Um dem
Ziel entgegenzuarbeiten,
muß unsere Innenpolitik nach außenpolitische«
Notwendigkeiten eingerichtet werden.
Wir sehen mtt großer Spannung den Besprechungen der Alliierte»
entgegen. Durch unnütze Polemiken wollen wir diesen Besprechun-
gen nicht vorgretsen. Richt nur wir in Deutschland haben vielfach
eine Scheinwirtschaft, sondern diese Scheinblüte, die uns dte
Gegenseite zum Vorwurf macht, zeigt sich auch in England und
Amerika in der groben Arbeitslosigkeit. Es ist nicht möglich, die
Weltwirtschaft zu sanieren, wen« der ganze Oste« Europas zu-
sammengevrochen bleibt. Es ist kaum jemals in den vergangenen
drei Jahren in der Welt mit so Narem Blick dte wirtschaftliche Er-
wägung gegenüber der rein politischen des Siegers in den Vor-
dergrund getreten. Tiefe Lage müßten wir zu einer ernsten und
wahren Besprechung der Verpflichtungen ausnützen, die man uns
auferlegt hat. Die Wege werden wir nur ebnen können, wenn wir
in: Reichstag Parteien finden, die hinter der Regierung stehe«,
und die tnnerpolitischen Notwendigkeiten den außenpolitischen un-
terordnen.
Der Schwerpunkt liegt in den steuerlichen Frage«.
Ei« Kompromiß ist notwendig. Wir kommen nicht weiter, wen«
wir nicht ernstlich den Willen kundgetan haben, das zu leisten, was
nach einem so verlorenen Krieg »»bedingt notwendig ist.
Die Strafanträge im Iagorv-Pr-szeß.
Leipzig, 16. Dez. Im Jagowprozeß beantragte der Ober«
reichsanwalt unter Zubilligung mildernder Umstände ge-
gen Jagow 7 Jahre und gegen den Angeklagten Freiherr» v.
Wangenheim und gegen Dr. Schiele je 8 Jahre Fe-
stungshaft. I« einer mehr als zweistündigen Ausführung
kam der Oberreichsanwali zu dem Schluß, daß die drei Angeklag-
ten nicht nur als Mittäter, fvudern ' mich als Mitführer
des Pntsches m,zusehen smv und also nickt unter das Amnestie-