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Heidelberg, Dienstag, 8. November 1821
Nr. 261 * 3. Jahrgang
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Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
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1 Dollar --300 Marl.
Der Wrchnfinrr der privatkapitalistischen Wirtschaft. — Die Luruseinfuhr: für 990 Millionen Weine, Champagner, Liköre;
für 17 Millionen Parfüme und Puder, für 360 Millionen Spitzen.
Deutscher Reichstag.
Heidelberg, den 8. November.
In den Zahlen, die heute an dieser Stelle veröffentlicht wer-
.xu, kommt der ganze Wahnsinn der privatkapitalistischen Vrofit-
wirt'chast zum schreiendsten Ausdruck, ihre ganze Ohnmacht und
UnsMgkeit, irgend etwas zur Gesundung unserer trostlosen wirt-
schaftlichen und finanziellen Lage zu tun. Der Dollar mutz nun
glücklich dank der Verantwortungslosigkeit des privatkapitalisti-
schen Spekulantentums und die Weigerung der Besitzenden, ihre
Vermögenswerte der Volksgemeinschaft zur Sanierung der
Rcichssinanzen zur Verfügung zu stellen, mit 300 Mk. bezahlt
werden, d. b. unsere Mk. ist noch 2 ganze Goldpfennig wert. Und
gleichzeitig kann unser Reichswirtschastsminister Gen. Schmidt
mfttcilen, daß fortwährend für Hunderte von Millionen Luxus-
artikel im Ausland eingekanft werden. Wer leistet sich denn diese
rbamvagner und Liköre, diese Parfüms und seidenen Spitzen?
Uva die Arbeiter und ihre Frauen? Nein, das sind die sogen,
oesferen Kreise, die angeblich infolge der hohen Besitzsteuern
kein Vermögen mehr haben. Nun, man braucht nur einen Blick
> die großen Hotels, in die Kaffees, Bars und Weindielcn zu
elfen und Est versteht die Zahlen des Reichswirtschaftsmint-
tcrs. Und es muß ausgesprochen werden: die bürgerlichen Par-
eien, die auch jetzt wieder bei der Beratung der neuen Steuer-
vc-rlagen, alle möglichen und unmöglichen Entlastungen und
Hintertürchen für die Besitzenden zu schaffen suchen, sie machen
sich mitschuldig an diesem Schieber- und Schmarozertum, das
auf dem Rücken des vollkommen verarmten und verelendeten
Volkes Feste feiert, Wein und Sekt in Strömen fließen läßt. WaS
soll eS denn heißen, wenn jetzt ein Helsserich im Reichstag hin-
steht und über die ungeheuren Reichsausgaben für den Friedens-
vcrirag jammert. Er trägt doch mit in erster Linie die Schuld an
unserer heutigen FinanzkalamitSt, er hat Loch Mit hochnäsigem
Nafcnrttmpsen über England, die Deckung der Kriegsausgaven
durch die verschärfte Besitz- und Krtegsgewirmsteuern abgciehnt,
weil er die Rechnung für den Krieg dem Gegner präsentieren
wollte.
Scholl am letzten Samstag wurde an dieser Stelle darauf
hmgewiefen, daß es uns ausgeschlossen erscheint, daß durch die
neuen Steuervorlagen irgend eine Sanierung der Finanzen her-
vcigeführt werden kann, geschweige denn eine solche unserer Wirt-
chast. Das Kernproblem ist ja die Stabilisierung der
B a l:: t a und da hängt so ziemlich alles vom Ausland ab. Aber
recht viel kann auch von uns getan werden. Aber hier geschieht
so gut wie nichts. Was soll man denn dazu sagen, wenn die deut-
schen Banken demonstrativ die Teilnahme einer internationalen
Wäbrungskonsereng ablehnen, wo es uns doch nichts anderes so
ruf den Nägeln brennt? Wir wissen ja, daß die Banken beim
fetzigen Zustand horrent verdienen und gar keine Aenderung
wünschen, aber soll das schließlich der ganze Sinn des freien
Bolksstaates sein, daß das deutsche Volk nur die Drahrgruppe in
der Hand eines Häufleins von BanNapitalisten ist. Der Neichs-
wirtschastsminister hat ein Gesetz gegen die wilden Devifenaus-
lüufc angekündigt, hoffentlich kommt es bald und so scharf als
uöglich. Gleichfalls hat er nochmals die Privatindustrie um ihre
urcdtthilfe angefleht. Wir meinen, so wie die Dinge jetzt liegen,,
ist nicht mehr viel Zeit zu langem Verhandeln und Paktieren. Ent-
weder die Bank- und Jndustriewelt erklären sich zur freiwilligen
Kredithilse bereit und zwar ohne erpresserische Bedingungen oder
die goldwerticzen Sachwerte müssen irgendwie gesetzlich erfaßt
werdet!, aber so rasch als möglich. In aller Deutlichkeit müßte
je tzt, ivo wir in der 12. Stunde stehen, den Besitzenden klar ge-
macht werden, daß sie entweder freiwillig auf einen Teil ihres
Besitzes verzichten, oder sie müssen gewärtig fein, daß sie einen
viel größeren durch den offiziellen Staatsbankerott verlieren. Aber
dieser schleichende Bankerott kann unmöglich mehr lange fort-
dauern.
141. Sitzung.
Berlin,?. November.
Die große Steuerdebatte.
Auf der Tagesordnung steht das Gesetz über das Brannt-
weinmonopol, ferner die 11 Steuergesetze, verbunden
mit der Aussprache über die deutschnationale Interpellation über
die Valutanot.
Abg. Edler v. Braun (D.N. fordert Auskunft über das
Programm der Regierung hinsichtlich der finanziellen Not. Wir
werden den Sturz der deutschen Valuta nicht aufhalten, wenn nicht
im Innern Ordnung geschaffen wird, und wenn nicht dadurch dem
Ausland bewiesen wird, daß die deutsche Regierung nicht eine
Bankerottpolitik betreibt, sondern den Wiederaufbau will.
Abg. Dr. Braun-Franken (Soz.):
Die Rede des Finanzministers hat bei allen Parteien sehr
enttäuscht. Der Zustand, wie schon seit Mai das Finanzministe-
rium, in dieser Zett der finanziellen. Katastrophe, nur im Nebenamt
verwaltet wird, ist einfach unerhört. Dr. Hermes hat sich in
feine Aufgaben nicht vertieft, sondern nur die Rechnung
seines Vorgängers übernommen. An einer schöpferischen Idee
fehlt es vollkommen. Wir müssen eingcstchen, daß wir vor dem
Nichts stehen, und daß wir keinen Ausweg aus den Wirrnissen
finden können. Die Vorschläge des Ministers befriedigen in keiner
Weise. Die Gesamtheit der Steuern erscheint uns nicht annehm-
bar. Die Devisenbeschaffung ist eine Frage von Leben und Tod.
Die Arbeiterschaft wird ihre Pflicht dem Staate gegenüber tun
Die Reparationskomurisfion irr Berlin.
Berlin, 8. Nov. Zur bevorstehenden Ankunft der Repara-
tionskommission erfährt die Telegraph en-Union: Der mit einem
umfangreichen Stab ausgerüsteten Kommission gehören u. a. an
als führende Vertreter Englands Loeth-Rotz und Dr ad-
bury, als Vertreter Belgiens Del« Croix, der frühere Mini-
sterpräsident, und Bemmelmans, als Vertreter Frankreichs
Dubois, sowie ein Vertreter der Vereinigten Staaten und
Italiens. Ueber die voraussichtliche Tätigkeit der Kommission
ersährt die die Telegraphen-Union ferner, daß neben dem Wunsch
der Kommission, sich über die deutschen Zahlungsmöglichleftcn
ein klares Bild mache«, die Absicht besteht» gegebenenfalls eine
durchgreifende Aenderung in den bisherigen Zahlungs-
modalitäten
zu erörtern. Die Kommission wird diese Verhandlungen nicht
auf die deutschen amtlichen Stellen beschränken, sondern auch
führende deutsche Persönlichkeiten des Wirtschaftsleben befragen.
Hierbei spielt naturgemäß das Problem der deutschen Da-
tura bezw. die Stabilisierung der Mark eine ausschlaggebende
Rolle. Wie verlautet, liegen in dieser Hinsicht bereits bestimmte
Pläne vor. ES liegt auf der Hand, daß die rapide Markeutwer-
tung der letzten Woche auch in den ehemals feindlichen Ländern
nicht ohne Beunruhigung beovach.e« wird.
Wirths Antwort an den Botschafterrat.
Berlin. 8. Nov. Im auswärtigen Ausschuß des Reichs-
rats erklärte der Reichskanzler in der Aussprache über die ober-
schlesische Frage, daß durch die Antwort der Botschaftcrkouserenz
die Tatsache der Einlegung einer Rechtsverwahrung wird nicht
dadurch beseitigt, daß sie zurückgewiefen Wird. Sie bleibt vor der
Geschichte für alle Zeit bestehen.
Aber auch die Besitzenden müssen ihr Teil dazu beitragen. Soll
die Erfüllungspolitik keine Phrase sein, so müssen wir zur Er-
fassung der Sachwerte komme«. (Beifall bet den Soz.)
Abg. Herold (Zentr.) erinnert den Vorredner daran, daß er
als Angehöriger einer Regierungspartei die Stellung der Negie-
rung nicht erschweren dürfe. Schon Erzberger habe anerkannt, daß
die SteUerquellen aus dem Besitz erschöpft sind. Die Steuern
müssen so ausgebaut werden, daß sie unsere Wirtschaft nicht zu
sehr beeinträchtigen. Der Anteil der Länder und Gemeinden reicht
nicht mehr aus.
Abg. Böhm (V.V.) erklärt, daß es keinen Zweck habe. Zett
zu gewinnen, da wir auf die Dauer doch nicht erfüllen können.
Die Neichsregierung mutz endlich den Mut haben, den Gegnern
den ganzen Umfang unserer Not zu zeigen.
Abg. Dietrich-Vaden (Dem.): Der jetzige Weg unserer Fi-
nanzen führt in den Abgrund. Die Schuld tragen allein die Repa-
rationsverpslichtungcn. Diese Lasten belaufen sich schon aus 225
Milliarden Papiermark. Das kann aus dem deutschen Volke Nicht
mehr herausgeholt werden. Der Grund für die rapide Geldent-
wertung liegt ausschließlich in der Erstattung gewisser Zahlungen
und Sachleistungen. Ohne diese wäre es möglich, den Etat zu
bilanzieren. Werden die NeParationsansprüche in solchem Umfang
aufrechterhalten, dann bedeutet das für Deutschland Fortdauer der
Geldentwertung. Die Entente trägt die ganze Verantwortung da-
für, daß Deutschland demnächst nicht mehr zahlungsfähig sein wird.
Die Folgen des wirtschaftlichen Durcheinanders und die der Ar-
beitslosigkeit trägt nur die Entente. (Zustimmung.) Der Redner
fordert die Einsetzung einer Kommission zur Prüfung der Lei-
stungsfähigkeit Deutschlands. Ohne die Beseitigung der unmög-
lichen Bestimmungen des FriedensvertragS gibt es keine Ordnung
in der Weltwirtschaft. (Zustimmung.)
Reichswirtschastsminister Schmidt
erklärt, daß sich die Regierung der Schwere der Verantwortung,
die sich aus dem Ultimatum ergibt, voll bewußt sei, aber wäre
den» die Situation besser, wenn wir damals das Ultimatum ab-
grlchnt hätten? Daun hätten wir neben dem finanziellen auch
noch den tndustrtellen Zusammenbruchi
Die Urfachen der Krise.
In finanzieller Hinsicht sind wir leider kn außerordentlich üble
Verhältnisse geraten. Die Ursachen, weshalb wir auf dem Ge-
biete unserer Finanzen in diese ganz unleidliche Lage gekommen
find, find klar. Wir haben nach dem Frieden diepassive Seite
in unserer Handelsbilanz stark vermehrt; wir können heute damit
rechnen, daß wir in unserer Handelsbilanz ein Passivum von
2 Milliarde« Goldmark haben. Dazu kommen die Leistungen für
die Reparationen von 3 Milliarden und rund 1 Milliarde,
die aus den B e s atz u ngs ko st cu entsteht, aus den: Ausgleichs-
fonds und sonstigen Belastungen, die nicht zu den laufenden Aus-
gaben in unserem inneren Etat gehören. Das find rund 6 Milliar-
den, die natürlich bedeuten, daß wir, abgesehen Non den Sach-
lei st u n g e n für die Reparation, die vielleicht 1 Milliarde be-
tragen, noch 5 Milliarden in Ansatz bringen müssen. Für dieses
Defizit werden wir leider die Notenpresse in Bewegung
setzen müssen. Wir müssen in der Einfuhr Zurückhaltung
üben und die Ausfuhr mehr beMusttgerr, um Devisen zu er-
langen, Ich möchte einmal in.Zahle» zeigen, welche ungeheuren
Warenmengen, die ,ficht absolut für die Einfuhr- notwendig -sind, .
dnrK die Emser Einf u h r st ekle nach Deutschland herein-
gekommen sind. Zum großen Teil sind es französische Ware»
und zwar Kautschulwaren für 50 Millionen» Weine, Champagner,
Cognac, Liköre und Branntwein für SSO Millionen (Lebhaftes
Hört, hört!), und zwar innerhalb von vier Monate»
(Hört, hört!) Es sind weiter eingeführt worden Parfüme, Oele.
Puder, Schminke für 17-4 Millionen, Wäsche, Spitzen für 360 Mil-
lionen (Lebhaftes hört, hört!), Perlen und Edelsteine für 59 Mil-
lionen. Alle diese Artikel find natürlich für unsere deutsche Volks-
wirschaft überflüssige Luxusartikel. (Zustimmung.) Die Dinge
liegen so: Entweder wir trinken französische Weine, Champagne«
und Liköre und pfeifen aifi die Reparation oder wir suchen unsere
Verpflichtungen zu erfüllen — dann müssen wir die Gelage in
französischen Likörstubcn aölchncn! Auf der einen Seile Haven
wir große Verpflichtungen aus der Reparation, auf der andere«
Seite kommt man uns handclspolttlsch mit den unverständlichsten
Maßnahmen. Diese Tatsachen müssen für die Entwertung unserer
Zahlungsmittel geradezu ruinöse Folgen haben! Das ist
das Unheilvolle, daß wir einmal die Hausse und daun wieder ein
Falten der ganzen Geschäftskonjunktur im wirtschaftlichen Gesamt-
leben Haven, was auch Folgen für die Arbeiterschaft nach sich zieht.
Der Ausweg.
Wir müssen einen Ausweg aus diesen Verhältnissen suchen
und einen fremden Eingriff in unser wirtschaftliches Leben ab-
Ichnen. Aber leider finden wir ans der anderen Seite nicht
das Verständnis hierfür und leider Haven wir auch nicht die Macht,
um dem Unverständnis eine entschiedene Absage zu erteilen. Die
Spekulation allein ist nicht die Ursache des Sinkens der Mark, aber
auf diesen« ungesunden Boden entwickelt sich die Spekulation in
übelster Weise die sehr weite Kreise des Volkes in die Sptelsucht
hineinrieht. Bei den schwankenden Kursen an einem Tage von
nuhr als 100 Prozent ist es begreiflich wenn sich alles auf das
Börscnspiel und die wilde Spekulation wirst. Ich befürchte aber,
daß sehr viele eines Tages enttäuscht find und schwere Verluste
erleiden. Die Regierung hat die Absicht, Ihnen einen Gesetz-
entwurf zur schleunigen Verabschiedung vorzulegen,
um dem wilden Börsenspiel vorzubeugen.
Nur eingetragene Firmen sollen Auftraggeber sein können. Das
Finanzamt ist von den Aufträgen zu benachrichtigen, um dadurch
fcstzustellen, welche Vermögenswerte in diesen Spekulationen fest-
gelegt sind. Ich verspreche mir, offen gesagt, nicht allzu viel davon
(Zustimmung rechts), aber immerhin wird die ungestüme Speku-
lation eingeschränkt werden. Weiter wird geprüft, ob nicht
Spekulationsgewinne gleich an Ort und Stelle zum Teil wcgge-
steucrt werden können. Ich hoffe auf die Unterstützung des Reichs-
tags. Die RcichSvank wird bei Beschaffung der Devisen nicht
genügend unterstützt. Eine schärfere Erfassung der Devisen ist zu
erwägen. Der Außenhandel steigt weiter, woraus zu schließen ist,
da ßdie vorhandenen Devisen doch größer sind, als angenommen
wird. Es sragt sich, ob wir nicht aufs neue au die Regierungen
des Auslandes herantreten sollen, um von ihnen zu verlange,»,
daß uns in dem Nachweis Hilfe geleistet wird, welche großen Ber-
mögensbestände nach dem Ausland verschoben worden sind.
Es kommt natürlich auch in Betracht, in welchem Umfange das
Wiesbadener Abkommen eine tatsächliche Anwendung fin-
det. Ein wirksames Mittel zur Verbesserung der Verhältnisse des
Devisenmarktes ist vielleicht eine ausländische Anleihe.
Die Sicherung dieser Anleihe kann durch Inanspruchnahme des
Privatbesttzes erfolgen. Ich bedauere lebhaft, daß der Reichsvcr-
vand der deutschen Industrie an die Erfüllung eines solchen
Vorhabens Bedingungen knüpfen kann, die politisch außerordent-
lich bedenklich erscheinen. Es liegt nicht nur im Interesse der Re-
gierung, daß die Besserung eintritt, sondern auch im Interesse
weiter wirtschaftlicher Kreise unserer gesamten Industrie, unseres
Handels und unserer Arbeiterschaft. Wir müssen ueueSteuer-
quellen erschlichen, um zu einer gesunden Reform unserer ge-
samten Finanzlage zu kommen.
Abg. Dr. Helfferi ch (D.N.) weist daraus hin, daß in dieser
schwierigen Finanzlage Dr. Hermes nur im Nebenamt Minister
sei. Der Beamtenapparat rnuß auf das Mindestmaß gestellt wer-
den. Energische Schritte zur Verminderung der Besatzungskosten
sind notwendig. Niemals ist ein Volk schamloser ausgenutzt wor-
den als Deutschland durch diese Besatzungskosten. Bei dem Wies-
badener Abkommen ist das Parlament nicht gefragt worden. Auch
die zu Wasser gelieferte Kohle wird Frankreich nur zum deutschen
Jnlandpreis ungerechnet, während uns früher Weltmarktpreis zu-
gcstanden war. (Hört, hört!) Diese Richtbesragung des Parlaments
ist eine Verletzung der Verfassung Wir werden das Kabinett Wirth
dafür zur Verantwortung ziehen. Wenn wir unsere Verpflich-
tungen ersüllen sollen, daun ist jede Familie jährlich mit 35 000
Mark belastet. Man will uns bis aufs Blut aussaugen. Wenn
Steuern bewilligt erden, dann bewilligen wir sie dem Vaterland
und nicht diesem Kabinett provisorischer Persönlichkeiten; was wir
nicht verantworten können, machen Wr nicht mit. Steuern zahlen
ist eine staatsbürgerliche Ehrenpflicht. (Lachen links.) Notwendig
ist eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung. Die Sozial-
demokraten haben das Machtbedürfnts, in der Regierung zu sitzen,
und das Agitationsbedürfnis, Opposition zu machen. (Lachen
links.) Die Gemeinde müssen wir leistungsfähig erhalten. Der
Gewinn in der Landwirtschaft beträgt nicht mehr als 2 Prozent.
(Lachen links.) Deutsche Bankaktien kaust der Amerikaner heute
für den 25. Teil des Preises vor dem Kriege. Das Schlagwort
von den Goldwerten ist Unsinn. Man will damit die deutschen
Sachwerte der Entente ausliefern. Wir bedanken uns sür den
Ententekapitalismns. Welche Wege will die Regierung in der
ErfüAuugsvolltik weiter verfolgen? Die bisherige Politik hat
finanziell und moralisch völlig versagt. Die Erfüllungspolitik des
Herrn Dr/Wirth hat uns dem Abgrund wesentlich näher gebracht.
Der Reichskanzler hat sogar schon behauptet, daß durch die An-
nahme des Ultimatums unsere Valuta in die Höhe gehen müßt«-
(Lachen rechts.)
Das Haus vertagt sich aus Dienstag 1 Uhr. WetterverstunL
Schluß 6-4 Uhr.