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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 281 - Nr. 290 (1. Dezember - 12. Dezember)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Borberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich cin^chl. Trägerlohn 6.— Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (86 mm breit) 1.60 Mk., Reklame-Anzeigen
(Sö mm breit) 4.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlass nach Taris.
Eeheinimittclanzeigen werden nicht ausgenommen.
Eesckäftsstlmdxn: 8—'/»6 Uhr. Sprechstunden derNedaltion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karls-nhe Nr. 22577. Tel.-Adr : Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Freitag, 2. Dezember 1921
Nr. 282 * 3. Jahrgang

Derantwurrl.: Für innere u.äussere Politik, Volkswirtschaft ».Feuilleton:
Tr. E Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Ge,be!; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Untcrbadischen Verlagsa statt G. »r. b.H., Heidelberg«
tLejchüftsstelle: Sckröeerstrasse 30.
Fernsprecher: Anzeigen-Ännahme 2673, Redaktion 2818.

Politische Ueberficht.
SLresrmaun über die politische Lage.
Stuttgart, 1. Dez. Auf dem Parteitag der Liberalen
Volkspartei hielt Stresemaun ein Referat über die politische Lage.
Er führte u. a. aus:
Die großen weltpolitischen Ereignisse, vor denen wir stehen.
Werden gekennzeichnet durch die Konferenz von Washington. Auch
diejenigen, die sich Sieger nennen, befinden sich in einem Zustand
völliger Unsicherheit des Gegenwärtigen und des Kommenden.
Deutschland sei das Land der geringsten Arbeitslosigkeit. Trotzdem
sei Liese Blüte nichts anderes als eine Scheinblüte. Das Ziel jeder
nationalen Partei müsse die Forderung einer Aenderung der beu-
tigen Wirtschaftsverhältnisse nach den alten soliden kaufmännischen
Grundsätzen sein. Unsere militärische Macht liege zerbrochen am
Boden, aber mancher, der auf den deutschen Militarismus geflucht
habe, würde seinem Herrgott danken, wenn er ihn noch einmal
aus dem Grabe hervorholcn könnte. lLebh. Beifall.) Wo sind die
Männer geblieben, die da uns sagten .Nur der Alpdruck des
deutschen Militarismus darf nicht mehr aus der Welt lasten, dann
wird der Weltsriede kommen." Der Wirtschaststaus der Welt
kann nicht ohne Deutschland bestimmt werden. Dem Ausland
gegenüber haben sich weite Kreise Deutschlands in psychologischer
Hinsicht falsch eingestellt. Die Linke ist in dieser falschen Ein-
stellung bis heute verharrt. Besteht eine englische Initiative auf
tlenderung der Krtcgscntfchädigungsbedingungen, so ist die Frage:
„Gibt cS demgegenüber ein deutsches Programm?"
.Vom Standpunkt der deutschen Volkswirtschaft und der nationalen
Interessen ist das erste die Herabsetzung der Kriegsentschädigungs-
summe. Ein Moratorium ohne Herabsetzung der Kriegsentschädi-
gung bringt die Weltwirtschaft nicht aus dem jetzigen Zustande
heraus. Wir können nur mit Sachleistungen bezahlen. Bevor
wir an eine internationale Anleihe denken können, mus; erst unser
Etat in Ordnung gebracht werden. Die Staatseiscnbahnen dürfen
nicht dem Privatkapital ausgeltefert werden. Ich begrüße die
vorliegenden Industriellorschläge und die Erklärung der Arbeit-
nchlner, datz sie diese Vorschläge prüfen wollen, wenn sie auch
überzeugt seien, datz das Defizit nicht weiter durchzuschleppen sei.
England hängt völlig von der Entscheidung Amerikas ab, in
Frankreich dürfte es noch zu einer Auseinandersetzung zwischen
reinen Politikern und Wirtschaftlern kommet» Was es heißt, Pole
zu werden, muß man verstehen, wie man im Osten weiß, was es
heißt, Preuße zu sein. (Stürm. Beifall.)
Schließlich setzte Strcsemann seine. Stellung zur großen
Koalition auseinander.
Er forderte für sich als Führer, datz er nicht im entscheidenden
Augenblick taktisch eingeschränkt werde, daß er vielmehr seine Per-
sönlichkeit und seine Auffassung frei cinsctzen könne. Solle denn
oas liberale Bürgertum immer den Dingen nachbinken, und, wenn
es sich um Erlangung der Macht handele, vor lauter Ueberlegung
nicht vorangehend Der Sozialismus sei in einer inneren
Umbildung begriffen. Dieser Prozeß sei weit vorgeschritten ge-
wesen, als der unglückselige Kapv-Vutsch gekommen sei und
die Entwicklung zum Zusammenarbeiten zwischen Sozialdemokraten
und Bürgertum zurückgeworsen habe. Görlitz sei eine Etappe zu
einer neuen Verständigung gewesen. Bedingungen einer großen
Koalition seien: Keine sozialistische Führung, da das Bürgertum
Wesentlich stärker sei, sodann: keine Opferung von Grundsätzen na-
mentlich aus nationalem Gebiet. Seien diese Bedingungen
erfüllt, dann dürfe der Gedanke der großen Koalition nicht in
Personen- und Nessortsragen scheitern. Der Redner wandte sich
hier gegen die Angrisse der Deutschnationalen Volks-
partei. Eine Rechtspolittk habe keine Aussicht. Wolle man
aber eine Politik, die über die Koalilionspoliiik hinaus zur na-
tionalen Einheitsfront führe, so dürsten die Deutsch-
nationalen nicht eine Politik treiben, die es unmöglich mache, eine
solche Einheitsfront herzustellen. Man nenne die Deutsche Volks-
partei die Partei der Wirtschaft. Die Deutsche Volkspartei sei
mebr, aber nach nutzen sei die Beteiligung der Volkspartei an der
Negierung von Bedeutung als ein Zeichen dafür, datz die deutsche
Wirtschaft für die Erfüllung der übernommenen Verpflich-
tungen etnstehe. Daher werde die Deutsche Volkspartei sich
an der Regierung nur beteiligen, wenn diese Beteiligung vereinbar
sei mit der nationalen Ausfassung und der kaufmännischen Solidität.
Wenn die Partei aus diesem Boden dem Vaterland dienen könne,
dann wäre es unverantwortlich, sich dem Vaterland nicht zur
Verfügung zu stellen.
Der Redner schlotz mit dem Bekenntnis zu einer kraftvollen
Weltpolitischen Betätigung des deutschen Volles.

Die deutschen Reparationszahlungen.
Um das Moratorium.
Paris, 1. Dez. (TN.) Nach dem „Matin" soll Nawenau in
London den Vorschlag gemacht haben, eine international« Konfe-
renz zu berufen, damit Deutschland dort als gleichberechtigter
Teilnehmer mit an den Reparcuionsfragen diskutieren könne. Da-
gegen soll man In den Kreisen der Downing Street der Ansicht
sein, datz die englische Negierung, bevor sie sich binde, erst der in-
teralliierten Neparationskommlssion in Paris einen Vorschlag un-
terbreiten müsse. Es wird versichert, daß Lloyd George Finanz-
leute aus der City gesprochen habe, sein möglichstes zu tun, da-
mit Deutschland das Moratorium gewährt werde, während sich
Frankreich aus gewissen Befürchtungen heraus diesem Plane noch
entgcgenstellt.
Schwere Bedingungen.
Landon, 1. Dez. (B. Z.) Der englische Ministerrat beschäf-
tigte sich mit der Frage des Moratoriums für Deutschland und den
Reparationsproblemen. Lord d'Abcrnoon und Sir John
Bradbury sollen sich günstig für den Aufschub der deutschen

Die Ratifikation des Venediger Abkommens.
Wien, 1. Dez. In der gestrigen Sitzung des Nationalratcs
wurde die Ratifikation des Protokolls von Venedig mit den vom
auswärtigen Ausschuß formulierten Vorbehalten nach dem Vor-
schlag des Referent n einstimmig von allen drei Parteien beschlos-
sen. Bundeskanzler Scheber gab einen Ucbcrblick über die Ent-
wicklung der burgenländischen Frage, wobei er weder das illoyale
und gewalttätige Verfahren der Ungarn noch die Konsequenzen
der Entente zu erwähnen vergaß.
Weiterer Rückgang der Devisenpreise.
Frankfurt, 1. Dez. An der heutigen Börse wurde der amt-
liche Dollarkurs mit 202, nachdem er vorher aus 185 herunter-
gehandelt war, vom Publikum bezahlt.
Vertagung der Kommission der Marinesach-
verstäwdigsn.
Washington, 1. Dez. Die Kommission der Marinesach-
verständigen ist vertagt worden. Die Vertagung soll mit den Er-
klärungen des japanischen Sachverständigen Kato Zusammen-
hängen.
Der belgische Senat.
Brüssel, 1. Dez. In den belgischen Senat sind 73 Katho-
liken, 28 Liberale und 52 Sozialisten eingezogen.
Zahlungsverpflichtungen ausgesprochen haben. Allerdings sollen
Bedingungen an das Moratorium geknüpft werden, von denen es
nicht ohne weiteres klar ist, ob Deutschland sie annehmen kann.
Schon die Bedingung, datz Deutschland den Druck von Papiergeld
einstellen soll, ist nicht so ganz einfach durchzuführen. Noch folgen-
schwerer dürfte die Entscheidung über einen anderen Vorschlag
sein, -er mehr und mehr in den Vordergrund gerückt ist und der
dahin geht, den gesamten deutschen Ein- und Ausfuhrhandel an-
geblich als Garantie für den Zahlungsaufschub unter alliierte
Kontrolle zu stellen. Eine AufSringung der Januarräte im An-
ttiheweg könnte also, wenn sie Deutschland nicht ans eigener
Kraft zahlen kann, nur durch englisch-deutsche Kreditpläne aus der
Grundlage erfolgen, datz die englische, beziehungsweise die alli-
ierte Industrie an der deutschen Industrie beteiligt würde und
zwar in der Gestalt, datz die Anleihen der ausländischen Gläubi-
ger als erste Hypothek auf die deutsche Industrie eingetragen wür-
den. Der „Matin" schreibt: Frankreich kann nicht zulassen, datz
die Zahlungsfrist ohne Kompensation, das Moratorium ohne neue
Pfänder bewilligt werde und daß eine deutsch-englische Bank und
Handelskoalition über die Rechte und Interessen Frankreichs hin-
weg erfolge; die französische Regierung würde die nächste Gelegen-
heit benützen müssen, um dies mit Klarheit vor den Alliierten und
der össontlichen Meinung zum Ausdruck zu bringen.
Bradbury unterwegs nach Paris.
Paris, 1. Dez. (B. Z.) Der englische Vertreter der Repa-
rationskommission, Sir John Bradbury, der gestern abend zu der
Sitzung des Londoner Neichskadinetts zugezogen worden war,
soll, dem „Marin" zufolge, nach Schluß noch nachts nach Paris
abgegangen sein, nm die Pläne der englischen Negierung in der
Reparationskommission zu einer ernsten Erörterung zu stellen.
Die englische Presse zur Reparationsfrage.
London, 1. Dez. (TU.) Die Blätter melden, datz die deut-
schen Versuche, eine Anleihe zustande zu bringen, um die Januar-
zahlung sicher zu stellen, nicht erfolgreich gewesen seien. Die Mei-
nung der Sachverständigen ist die, daß Deutschland vielleicht nicht
imstande sein wird, den am ersten Januar fälligen Betrag zu zah-
len. Die Blätter glauben nicht, daß man auf das Einhalten des
Termines unbedingt drängen werde.
Lloyd Georges neuer Vorschlag.
Paris, 1. Dez. (D. A. Z.) Wie aus London gemeldet wird,
soll Lloyd George neben dem Moratorium für Deutschland zur
Besserung der deutschen Finanzen noch eine andere Lösung ins
Auge fassen, die in hiesigen französischen Kreisen große Sympa-
thien besitzt. Lloyd George Will eine Währungsreform ganz gro-
ßen Stils vorlegen, wobei der Banknotenumlauf, der in Deutsch-
land auf 102 Milliarden geschätzt wird um drei Viertel hembge-
mindcrt wird.
Italien nnd das Moratorium für Deutschland.
Rom, 1. Dez. (D. A. Z.) Die Reise Stinnes nach London
hat in hiesigen Politischen Kreisen größtes Interesse erweckt. Es
scheint, daß die Londoner Verhandlungen nicht ohne Wissen der
italienischen Negierung slattfanden.

Ausland.
TeuerungseZkzesie in Wien.
Wien, 1. Dez. Heule nachmittag kam es zu großen Arbeiter-
kundgebungen wegen der herrschenden Teuerung. Schon tn den
ersten Nachmiltagssliinden fanden sich namentlich aus dem Arbeiter-
bezirk Floridsdorf tausende von Arbeitern im Stadtinnern ein un-
zogen in Massenzügen vor das Parlament, woraus sie sich in die
inneren Stadtteile begaben. Dort kam cs vor einer großen Anzahl
von Kaufhäusern und Geschäften zu großen Kundgebungen, in
deren Verlaus viele Geschäfte saft vollständig ausgeplttndert wur-
den. Die Demonstranten schlugen tn den Gcschästslokalen die Fen-
sterscheiben ein und drangen dann in das Innere der Geschäfte,
wo sie sämtliche Lebensmittel, Schuhe und andere Bekleidungsstücke
raubten. Die Polizei war den Plünderern gegenüber vollständig
machtlos. Wie das Abendblatt der „Arbeiter-Zeitung" mitteilt.
Überreichte eine Abordnung der Floridsdorfer Arbeiter der Regie-
rung folgende Forderungen: Verwirklichung des sozickldemokrari-

scheu Finanzplancs, insbesondere Anforderung der ausländischen
Va ulen und die staatliche Kontrolle des Devisenhandcls, strenge
Strafen für Zuwiderhandlung, Anforderung alles Goldes, auch
jenes der Kirchen und Klöster, neue Vcsitzstcucr, Zahlung der Pro-
gressiven Vermögenssteuer, Verbot der Einfuhr aller Luxusartikel,
Abbau des staatlichen Lcbcnsmtttelzuschusscs. Heute abend tritt
die sozialdemokratische Fraktion des Arbeiterrates in Wien zu einer
Sitzung zusammen. Morgen abend findet eine Vollversammlung
des Arbcirerraies starr.
Wien, 1. Dez. Der „Franks. Ztg." wird über die Teuerungs-
exzesse gemeldet: Der Unwille über die in der letzten Zett mit un-
heimlicher Geschwindigkeit anwachsende Teuerung, die am heutigen
Tage mit der gleichzeitigen starken Erhöhung des Brot- und Fleisch-
preises, des Bierpreiscs, der Posttarise usw. besonders kratz in
die Erscheinung trat, hat heute zu schweren Unruhen geführt.
Sie nahmen ihren Ausgang von den Fabriken der nördlichen Jn-
dustrievororte, wo die Arbeiter zum Protest gegen die Erhöhung
der Lebcnsmittclpreife in den Streik traten. Ihnen schlossen sich
bald die Arbeiter zahlreicher anderer Fabriken an. so datz sich im
Handumdrehen eine Art Generalstreik herausbikdete. Von der
Mittagsstunde an ergossen sich die Massen der Streikenden, denen
sich nach unserer Wahrnehmung große Hausen von zumeist jugend-
lichem Mob bcigcselllen, tn die Stadt, wo es rasch zu wüsten Auf-
tritten kam, denen die überraschte Sicherheilsmannschast keinen
ausreichenden Widerstand cntgcgeuzusetzen vermochte. So kam es,
datz. bevor die Polizei wirksam cinschrcitcn konnte, große Ver-
wüstungen angerichlet wurden, die jedoch nach unseren Beobach-
tungen ausschlietzlich vom Mob und nicht von der Arbeiterschaft
verübt wurden. In manchen Straßen blieb keine Schaufenster-
scheibe ganz. Die Kassehäuscr usw., aus die es die wilderrcgte
Menge besonders abgesehen hatte, wurden zum Teil geplündert,
Trambahnen und Automobile angehalten, Passanten, die durch
Pelze oder sonstige Zeichen von Wohlhabenheit ausfielen, mißhan-
delt. Besonders übel wurde u. a. dem ehemaligen Palast des Erz-
herzogs Ludwig Viktor, jetzt Schwartzenbergkasino mitgespiclt, das
als Schauplatz von Völlereten berüchtigt ist. Einige Passanten
entgingen mit knapper Not dem Galgen, der in der Menge mit-
geführt wurde. Auch tn gewisse Banken drang die Menge ein, ohne
jedoch, soweit bis jetzt bekannt, bis zu den Kaffen vorzüdringen.
Unter den Ausgeplünderten befindet sich auch Sir William
Goode, der gewesene Vorsitzende der österreichischen Abteilung
-er Wiedergutmachungskommission, in dessen Wohnung im Hotel
Bristol sich eine Anzahl von Engländern und Amerikanern ge-
flüchtet hatte, um dort Schutz vor dem in das Hotel eingcdruugeuen
Mob zu finden. Etwa SO Personen erbrachen die Tür, die zum
Zimmer Godes führte, und beraubten ihn mit Ausnahme des An-
zuges, den er am Leibe hatte, und seines wcißlcinenen Sommer-
anzuges seiner ganzen Garderobe, indem sie Kasten und Koffer
völlig plünderten. Der Schaden, der durch die Zertrümmerung
der großen Fensterscheiben der Kauslädcn und Kaufhäuser verur-
sacht worden ist, übersteigt nach fachmännischer Schätzung weit den
Betrag von einer Milliarde Kronen.

Badische Politik.
Dex zweite Fall Below.
Heidelberg, den 2. Dezcnrber 1921.
Die „Volkszeitung" hat bereits gestern in einem Telegramm
mitgeteilt, datz man in Freiburg unter Führung des rühmlichst
bekannten Herrn v. Below dem Pazifisten und Demokraten
Kantorowicz die freie Meinungsäußerung zu verbieten und
das, trotzdem die allgemeine Studentenversamnckung an dem
Verhallen des Professors Kantorowicz durchaus nichts auszusetzen
hat. Unter der Ueberschrist „Wie lange wird der Skandal dau-
ern" erfahren wir nun weiter aus unserem Freiburger Partei-
organ:
„Einen Skandal müssen wir es nennen, daß ein Stockreaktio-
när wie Herr v. Below an einer Universität der Republik, auch
noch in Baden, wo das Vott den ostelbisch orientierten politischen
Anssaffungen des Historikers v. Below gänzlich ablehnend gegen-
übersteht, seinen gehässigen Kampf gegen die Republik und ihre
Einrichtungen bis hente weitersührcn kann. Diese ostelbischen
Kultnrpioniere, die jetzt selbst im Senat der Freiburger Univer-
sität einen Trimvh feiern konnten, werden im Stillen sich unbän-
dig amüsieren über diese Schassgcduld der Republikaner, die sich
solche Professoren gefallen lassen. Sie würden im umgekehrten
Fall ganz anders exerzieren mit ihren republikanischen Kollegen.
Daß sic hier ungefähr nach den Weisungen des preußischen Exer-
zierreglements und des Jnstruktionsbuches des alten Militaris-
mus handeln würden, hat Herr v. Below selbst im hoffentlich
noch nicht für immer abgeschlossenen Fall Balcntin-Below bewie-
sen. Dieser selbe Herr Below schreibt nun dieser Tage in einem
Artikel der „Deutschen Zeitung" (Berlin) u. a.:
Diese „demokratischen Republikaner" werden von der furcht-
baren Angst geplagt, daß ein großer Strom kräftigen nationalen
Lebens ihre Parteiberrlichkeit Hinwegschwemmen könnte; des-
halb liefern sie uns lieber der Entente aus, wenn sie nur die
nationale Bewegung in Deutschland niedrig halten können. Da-
her auch der Eifer für „republikanische" Geschichtsbücher: Ait-
gelpunkt aller Politik ist die Verhinderung der nationalen Er-
hebung. Hier licet auch (wie alle Kenner der neuesten Ge-
schichte Oberschlesicns wissen) der Schlüssel für das unglückliche
Schicksal Oberschlesiens.
Wir wiederholen die Frage: Wie lange soll der Skandal
noch dauern, daß ein solcher Feind der Republik von dieser auch
noch mit einen« der wichtigsten Lehrämter betraut wird? Die
Republik ist durch den Willen der ungeheuren Mehrheit des Vol-
kes an die Stelle der Monarchien getreten. Der ungeheuerliche
Vorwurf des Herrn von Below, diese „demokratischen Republika-
ner" lieferten. Deutschland lieber der Entente, aus, als daß sie sich
 
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