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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 281 - Nr. 290 (1. Dezember - 12. Dezember)
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Tageszeitung für die rvsrMirgs DevMerrmg des Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Slrerbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Voxberg, Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Vezng-preis: Monatlich ein'chl. Trägerlohn 6.30 Ml. Anzeigenpreise:
Tie eil spaltige Petitzeile (3l> mm breit) 1.80 Ml., Reklame-Anzeigen
t83 mm bieit) 3.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Taris.
Eeheimnnttclanzeigen werden nicht ausgenommen.
Ec^chästsstunden: 8—Uhr. Sprechstunden derRsdaltion: 11—12Uhr.
PosischeekkontoKarls^rcheNr 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Dienstag, 6. Dezember 1921
Nr. 285 * 3. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilletonr
Dr. E Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales-
S>. Reibet; sür die Anzergen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Truck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsa 'stalt G. m. b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schrüoerstraße 30.
Fernsprecher: Anzeige.r-Annahme 2373, Redaktion 2618.

Politische Ueberficht.

Am 30. Januar 1922: Zusammentritt des
Internationalen Gerichtshofes in Haag.
Rotterdam, 5. Dez. Der internationale Gerichtshof wird
nur 3 0. Januar i rn Haag zusarnmemretcn. Der internationale
Gerichtshof wird sich in seiner ersten Sitzung mit Organisations-
fragen beschäftigen. Der VölkerSundsra- wird ihm möglicherweise
einige Angelegenheiten zur Begutachtung vorlegen.
*
So unscheinbar diese Meldung lautet, und so wenig sie wahr-
scheinlich in weiten Kreisen beachtet wird, von so hoher Bedeutung
und Tragweite ist sie. Je mehr Bedeutung in den letzten Jahr-
zehnten aus staatspoiitischen und weltwirtschaftlichen Ursachen her-
aus die Fragen des Völkerrechts, Völkerbundes und der internatio-
nalen Staaienorganisaiion gewonnen, umso mehr trat auch das
Problem des Internationalen Gerichtshofes in den Vordergrund
der Debatte. Herausgewochscn aus einzelschtedsgerichkiichen Ver-
trägen zweier und Niedrerer Staaten untereinander schließt der
Gedanke des Internationalen Gerichtshofes die obligatorische Welt-
schiedsgerichtsbarkeit für gewisse Gebiete in sich. Beide Haager
Friedenskonferenzen haben den größten und besten Teil ihrer Be-
ratungen auf dieses Problem verwandt, es ist dort auch das fein
und bis ins Einzelne aus gearbeitete Statut eines Internationalen
Gerichtshofes, der erste Anfang eines Internationalen Rechtskodexes
änsgearbeitet worden. Der Gerichtshof trat aber leider nie in
Funktion, weil man sich über den Modus der Besetzung der Richter-
stellen nicht einigen konnte. Es ist das große Verdienst der zweiten
Genfer Völkerbundsversammlung, alle diese Schwierigkeiten über-
wunden und den Gerichtshof, der also Ende Januar im Haag zum
erstenmal Zusammentritt, ins Leben gerufen zu haben. Weitaus
die grösste Zahl der Völkerbundsstaaten hat der fakultativen inter-
nationalen Schiedsgerichtsbarkeit zugestimmt, eine große Anzahl,
darunter fast alle neutralen Staaten, haben den Internationalen
Gerichtshof als obligatorisch erklärt. Man wird der Organisation
und den ersten Verhandlungen dieses WeltschiedSgertchtShofes mit
großer Spannung emgegeusehen dürfen.


Reife -- soweit sie nicht, wie die Franzosen, bereits abgereist wa-
ren — a!S Gäste derStadtim Rathaus versammelt, wo sie Ober-
bürgermeister Adenauer begrüßte. Neichsminister a. D. Wis-
sel sprach Die Hoffnung aus, daß die auLläiMschen Vertreter den
Eindruck gewonnen hatten, daß Deutschland tatsächlich entwaffnet
sei. Aus dem Kreise der ausländischen Gäste wurde von einer
Reihe von Rednern, besonders von Engländern mW Kanadiern,
bestätigt, daß dies in der Tat der Eindruck sei.

auf deutscher Seite ist nicht festzustellen, aber es hätte keinen Sinn,
sich innerhalb dieser Kommission, die eine ungeheuer schwierig«
Arbeit zu leisten hat, über Tinge zu zanken, die u.wi ihres Ämrcs
sind. Daß die sachlichen Verhandlungen in Oberschlesicn selbst
stattfindcn sollen, ist ein erfreulicher Erfolg des deutschen Stand-
punktes: außerdem scheint cs sich glücklicherweise nicht zu bewahr-
heiten, daß der Tscheche Hoday, der nach feiner bisherigen Tätig-
keit in der oberschlesischen Angelegenheit unter deutschem wie unter
allgemein juristischem Gesichtspunkte einfach als befangen gelten
muß, als Berater des Vorsitzenden tätig fein solle.
Das Tätigkeitsgebiet der Unterausschüsse ist durch die
grundlegende Rote der Entente klar und scharf umgrenzt und eins
Ausdehnung über diese Grenzen hinaus würde von dem Vorsitzen»
den voraussichtlich gar nicht geduldet werden. Andererseits ist es
klar, daß die Lage der Deutschen in Posen und Westvreutzen von
den bevorstehenden Beralnngen ebenfalls berührt werden wird.
Es ist undenkbar, daß innerhalb des Polenstaates ein verschieden»
artiges Minderheitenrecht gelten solle, nnd daß, was für die Deut-
schen in Oberschlesien zu erreichen ist, ihren Stammesgenossen in
den anderen polnischen Gebieten nicht zugute kommen sollte: nur
wird man sich über diese Dinge neb e n b c i oder vielleicht nach-
her verständigen müssen. OS sich daraus schlicstllch eine allgemeine
Vereinigung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Polen
ergibt, bleibt ubzuwarten. Man kann sich nicht verhehlen, das; die
einzige aber scharfe Masse, die Deutschland in dem ihm aufgezwun-
gerxn Kampfe gegen Polen zur Verfügung steht, die wirtschaftliche
Abschließung, durch das entstehende Loch sn Oberscblesicn beein-
trächtigt werden wird, aber au der Tatsache, daß Polen viel mehr
ans ein erträgliches nachbarliches Verhältnis zn Deutschland an-
gewiesen ist und bleibt, als umgekehrt, ändert sich nichts. Und so
darf man hoffen, daß auch das Schicksal unserer Brüder in Posen
unD Westprentzen, die gerade gegenwärtig unter neuen ungerechten
Schikanen leiden, im Zusammenhänge mit der Lösung der ober-
schlesischen Fragen sich besser gestalten lassen werde.
Englisches Kapital in Oberschlesicn.
Beuthen, 5. Dez. Wie hier bestimmt verlautet, sind die
Besitzungen ver Grafen DonnerSmarck an ein eng-
lisches Konsortium mit dem Sitz in London verkauft
worden. Die Eintragung in das Handelsregister soll bereits am
1. Dezember erfolgt sein. Die Gesellschaft wird firmieren: Henckel
von Donnersmarck, Beuchen, Estatcs Ltd. London. Der erste Prä-
sident der Gesellschaft ist Graf Edgar von Donnersmarck und sein
Vertreter Lord CozenS Hardy. Die technische Direktion in Ober-
schlesien wird keiner Aendcrung unterzogen, doch ist es wahrschein-
lich, daß Vertreter des englischen Kapitals als Direktoren nach
O b e r s ch l e s i e n dirigiert werden.

Nm die Reparation.
Wichtige Besprechungen in Paris. — Noch kein greifbares Ergebnis
in London. — Ein offizieller deutscher Schritt.
Paris, 5. Dez. Entgegen dem gestrigen Dementi des
„TempS" bestätigt das französische Ministerium gestern abend
amtlich, dass eine Zusammenkunft der englischen, französischen und
italienischen Außenminister, das ist also Lord Curzon, Briand
und Della Dorret ra, in Paris unmittelbar bevorstrhe. Der
„Motin" meldet hierzu heute morgen, daß Eurzon schon morgen,
Dienstag, in Paris cintrifst. Die französische Regierung be-
absichtige, die Repalationsfrage, da man ihr doch nicht mehr auS-
weichen könne, ihrerseits beim Schopf zu fassen. Briand beabsich-
tige, Curzon eine baldige sorrnclle Rcparationskonferenz
der Ententemächte vorzuschlagcn, weil zwischen Briand und Curzon
allein ohne die Mitwirkung Lloyd Georges eine endgültige
Entscheidung doch nicht getroffen werden könne. Eine weitere Be-
stätigung, daß bei den Besprechungen zwischen Curzon und Briand
die deutschen Rcparationsfragcn eine Hauptrolle spielen werden,
ist in der Tatsache zu sehen, daß der französische Botschafter in
Berlin, Charles Laurent, gestern Sonntag abend ganz plötzlich
von Briand nach Paris gerufen worden ist, um an den Dienstag
beginnenden Besprechungen tcilzunehmcn.
London, h. Dez. Während weitere Beschlüsse über die po-
litische oder Morations-Frage von der Finanzkommission des eng-
lischen Kabinetts bis Mittwoch aufgeschvben sind, scheint Rathe-
nau vorläufig zu keinem greifbaren Ergebnis kommen zu können.
„Daily Telegraph' will sogar wissen, daß man diese Verhandlun-
gen als mißglückt bezeichnen könne. „Westminster Gazette" schränkt
diesen Pessimismus dahin ein, daß noch eine Vermittlung der
Sound Currency Association bevorstehe, die nicht aussichtslos sei.
Weil dieser Vereinigung führende Bankiers und Finanzleute an-
gehören, die zudem in der letzten Zeit zustimmende Versicherungen
amerikanischer Bankiers erhalten haben.
Beilin, 5. Dez. Wie aus parlamentarischen Kreisen ver-
lautet, hat die Neichsregierung bis jetzt noch keinen Antrag auf
ein Moratorium gestellt. Man ist der Ansicht, daß diese Frage erst
akut wird, wenn Dr. Nathenau aus London nach Berlin zurück-
gekehrt ist.
Anläßlich des gestrigen Presseempfangs wurde die Tatsache
lebhaft erörtert, daß von feiten der Reichsregierung in der Ange-
legenheit der Kreditbeschaffung im Ausland bereits ein offizieller
Schritt erfolgt sein soll. Wie dacu aus Parlameniskreisen ver-
lautet, ist ein solcher offizieller Schritt der Rcichsregierung tatsäch-
lich bereits vor einigen Tagen erfolgt. Dieser Schritt ist bei den
sür die Frage der Kredite zuständigen englischen Stellen unter-
nommen worden. Eine Antwort auf diese offizielle Frage liegt
bis jetzt noch nicht vor. Heute nachmittag Uhr findet eine Ka-
bineitssitzung stalt, in der über schwebende Fragen, insbesondere
über das Reparationsprsblem, beraten werden soll.

Deutschlands industrielle Entwaffnung.
Die Internationale Arvcitökonserenz und unsere Chem. Industrie.
Seit Monaten und Jahren ist die Chemische Industrie der
Entente bemüht, Deutschlands chemische Industrie als Konkurrent
auf dem Weltmarkt auszufchalten. Man macht vor allem in der
Press« und in Reden Stimmung gegen sie, indem man ihr vor-
wirst, sie habe sich planmäßig auf den Krieg vorbereitet und würde
auch im Falle eines neuen Krieges wieder sehr bald imstande sein,
ungeheure Mengen von Sprengstoffen und Giftgasen herzustellen.
Umso wertvoller war es daher, das; am Samstag die Mitglieder
der Internationalen ArveitSkonserenz, die z. ZI. unter Führung
des Reichswirtschaftsministers a. D. Wissel Deutschland berei-
sen,sich bei der Besichtigung der Farbwerke in Leverkusen
davon überzeugen konnten, daß die chemische Industrie Deutsch-
lands völlig auf Friedensarbeit umgrstellt ist.
In einer Ansprache, mit der der Leiter des Leverkusener Wer-
kes, Geheimrat Dulsberg, die Gäste begrüßte, gab er einen
Ueverblick über die Entwicklung der deutschen chemischen Industrie,
die dank der Verbindung von Wissenschaft und Technik nnd dank
der unermüdlichen Arbeit aller in ihr Beschäftigten schon vor dem
Kriege einen hohen Grad technischer Vollkommenheit erreicht habe.
Die Behauptung, daß die chemischen Werke sich vor dem Kriege
irgendwie mit KriegSarbcitcn besaßt oder sich auf den Krieg vor-
bereitet hätten, wies der Redner mit großer Schärfe zurück. Vor
1914 sei nich! ein Artikel für den Krieg in diesen Werken herge-
stcllt worden und es habe überhaupt keiner Verbindung mit dem
Kriegsministerium bestanden. Auch nach dem Ausbruch des Krie-
ges Hütten die Werke es zunächst ab gelehnt, sich aus Kriegs-
fabrikation nmzustellen, und sie seien eine Zeit lang sehr in Sorge
gewesen, wie sie, nachdem das Auslandsgeschäft, das 85 Prozent
des ganzen Geschäftes ausmachte, weggcsallen war, ihre Betriebe
ausrecht erhalten sollten. Zur Kriegssabrikation seien sie erst dann
Werdegängen, als die militärische Lage es notwendig machte. Von
da an habe man allerdings mit aller Kraft daran gearbeitet, das Heer
mit dem notwendigen Material zu versorgen. Jetzt seien diese
Kriegswerlstätten unter der Aufsicht der interalliierten Kommis-
sionen auf das gründlichste zerstört. Der FriedenSvertrag sei gerade
in diesem Punkte vollständig erfüllt worden und wenn
heute die Vernichtung eines Teiles der deulschen chemischen Fabri-
kation verlang, werde, so seien die in i l i t ä;r i s ch e n Gründe,
die dabei angeführt würden, lediglich ein Vorwand; in Wirk-
lichkeit bandle es sich um GefchäftsmanSvcr ausländischer chemischer
Werke, die die deutsche Konkurrenz los sein möchten.
Dem Vorlrage folgte eine mehrstündige Besichtigung der
Werke, die den Teilnehmern eine lebendige Anschauung der aus-
geführten Zerstörungen und der restlos durchgeführten Umstellung
2ns Artedensarbeit gab. Abends waren die Teilnehmer an der

Die Verhandlrmgen Lber Oberfchlesistt.
Der „Korrespondenz Nord-Süd" wird aus Berlin geschrie-
ben:
Dieser Tage sind die Plätze bekanntgegeben worden, an denen
die Unterausschüsse der deutsch-polnischen Kommission für Ober-
schlesien demnächst die sachliche Arbeit ausnehmen sollen. ES sind
e l f solcher Ausschüsse, von denen sechs aus deutschbletbendem Bo-
den, nämlich in Beuthen, Hindenburg und Ovvein,
fünf aus verlorengehendem, nämlich in Kattowitz, zusammen-
treten werden. Daneben hat man allerdings von Besprechungen
gehört, die schon stattgefunden haben, ohne auf irgend einem Pro-
gramm zu stehen: Vertreter großer Jndustriewerke tn dem Polen
zugesprochenen Teil Obcrschlcsiens haben sich von dem polnischen
Kommissar nach Sosnowicze einladen lassen, und es sollen dort
bereits folgenschwere Beschlüsse gefaßt worden sein. Diese Nach-
richt hat berechtigtes Aussehen und Befremden erregt. Die Auf-
teilung Oberschlesiens ist noch nicht erfolgt, es handelt sich also um
Werke, die beute noch deutsch sind, und um Männer, die zurzeit
noch Reichsangshörige mit allen Rechten und Pflichten als solche
sind. Mußte man auch hier wieder der Welt das Schauspiel na-
tionaler Würdelosigkeit geben? Konnte man eS nicht erwarten,
mit fliegenden Fahnen ins feindliche Lager überzugeben? Hält
es irgend jemand für möglich, daß in umgekehrtem Falle notable
Polen dem Rufe eines deutschen Kommissars so ohne weiteres ge-
folgt wären? Wahrlich, man empfindet es wieder einmal mit
brennender Scham, daß Dinge gibt, die nur der Deutsche fertig
bringt, und daß der Judasgcist des Grafen Oppersdorf immer
noch tn Oberschlesien umgeht. Dabei hat die Entscheidurvg über
Oberschlesien Deutschland eine Wunde geschlagen, die in Jahr-
zehnten bluten wird wie heute, und wo immer das Wort Ober-
schlesien von deutschen Lippen fällt, da wird es im Sinne eines
unverjährbaren Protestes gegen einen beklagenswerten Fehl-
spruch, gegen ein ungeheuerliches Unrecht geschehen.
Man hat hier und dort gemeint, dieser Protest hätte bei dem
ersten Zusammentrcten der gemischten Kommission in Genf förm-
lich nnd feierlich wiederholt werden sollen, man kann sich aber
ernstlich fragen, ob er durch eine solche Wiederholung verstärkt und
nicht vielleicht eher abgcschwächt worden wäre; die Rechts Ver-
wahrung des Reichskanzlers steht als geschichtliche Tat-
sache fest und gsit für alle Zeiten bis zur Wiedergutmachung des
geschehenen Unrechts und für alle Organe des Reiches, sie wird da-
durch nicht berührt, daß sie an irgend einer Stelle wiederholt oder
nicht wieder!)oll wird. In Genf, wo lediglich die sormelle Grund-
lage für die sachlichen Verhandlungen der gemischten Kommission
zu schaffen war, hätte sie sicherlich nichts genützt, well sie von den
Polen sofort automatisch erwidert worden wäre, sondern eher ge-
scbadel, denn sie hätte den unparteiischen Vorsitzenden der Kommis-
sion, den schweizerischen Bundesrat und früheren Bundespräsiden-
ten Cat ander höchstwahrscheinlich zu einer mehr oder minderschar-
sen Zurückweisung veranlaßt, weil die Kommission nicht der Ort
für Proteste sei. ES erscheint auch durchaus zweckmässig, daß von
beiden Seiten die Versicherung gegeben worden ist, man wolle „in
versöhnlichem Geiste" verhandeln. Ein lieber,schuß von Höflichkeit

Ausland.
Die Konferenz in Washington.
Das japanische Problem,
das im Mittelpunkt der bisherigen Abrüstungsberaiungen in
Washington stand, scheint im Laufe der Woche eine gewisse ent-
scheidende Klärung erfahren zu sollen. Der Privat Berichterstatter
des B. T. meldet darüber tn einem längeren Funkspruch vom
A. Dezember u.
Heute war der vielleicht kritischste Tag der Konferenz. Rach
Wochenlaugen Verhandlungen, die fast schon mit Gleichgültigkeit
verfolgt wurden, sollte am Ende der dritten Woche die Ent-
scheidung über den Hauptpunkt der Verhandlungen, den
Hughessche« Adrüstungsvorschlag, fallen. Wenngleich
eine überraschende Wendung nicht ausgeschlossen ist, ja sogar noch
immer die Möglichkeit eines plötzlichen Abbruches der Verhand-
lungen besteht, so scheint doch die Krise als solche überwunden: ein
Umschwung bei den Japanern ist deutlich erkennbar. Die stürmi-
schen Ereignisse am Tokioer Hofe haben ihren Abschluß gefunden,
die Besinnung hat die Oberhand gewonnen. Der Kronprinz-Re-
gent hält die Zügel der Regierung wieder fest in der Hand, Kato
bleibt, und fein Einfluß ist sogar gestiegen. Shidehara hütet da-
gegen noch immer das Krankenlager. Da nun von Tokio strikte
Weisungen eingelausen sind, ist auch das Bild der japanischen De-
legation klar geworden. So hasst Japan, sich den amerikanischen
Gegner vom Lewe zu hallen und zugleich das chinesische Ausbeu-
tungsgebiet zu sichern. Obwohl Karo Vizeadmiral ist, bezeichnet
man diesen Umschwung als Sieg der Diplomaten gegen die Mi-
litärs, was kein Wunder ist. Denn Kato ist als Diplomat und
Politiker in den Vordergrund getreten. Die Japaner erklären, daß
sie den Versuch, als Sprenger der Konferenz hingcstellt zu wer-
den, vereitelt hätten. Die Folge wäre ein neuer furchtbarer Welt-
krieg gewesen, bei dem Japans Feinde immer mit dem Propa-
gcmdamittel von Japans angeblicher Kriegslust und Eroberungs-
sucht gearbeitet hätten. Die Amerikaner beginnen zu frohlocken.
Die Gefahr eines japanisch amerikanischen Krieges scheint, wenig-
stens sür eine große Spanne Zeit, gebannt.
Die entscheidende Unterredung zwischen Hughes, Bal-
four und Kalo, die heute stattsand, dauerte drei Stunden. Man
sah dem Ergebnis mit größter Spannung entgegen. Wenngleich
über die tatsächlichen Vorgänge bei dieser Besprechung keine nähe-
ren Einzelheiten bekannt werden, so scheint doch sestzustchcn, daß
die Zusammenkunft einen herzlichen nnd versöhnlichen Verlauf
nahm und das erwartete Ereignis, die Zustimmung Japans zu
dem amerikanischen Abrüstungsvorschlage, brachte. Aus Kreisen
der japanischen Delegierten, denen Kato sofort Mitteilungen
machte, höre ich, daß Japan dem FlottenvcrhWniS 5 zu 3 im
Prinzip zugestimint hat. Es knüpfte allerdings daran eine Reihe
von Bedingungen, die im wesentlichen in der Forderung nach ganz
neuartigen Garantien zur Sicherung der japanischen Einfluß-
sphäre in China bestehen. Ein endgültiges Ergebnis brachte die
Unterredung jedoch nicht. Das Resultat der Besprechungen wird
heute »ach Tokio gekabelt. Kato hat sich Vorbehalten, erst nach
 
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