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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 261 - Nr. 270 (8. November - 18. November)
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>au und Lokales:

NV. 267 » 3, Jahrgang

Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger», Gberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Voßberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einichl. Trägerlohn 6.— Mk. Anzeigenpreise
Tis e-rs. ' -- " — '
(93 mra irrest) - - - - . -
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.

ML s-id°w°-g, M«»riag, IS. N°«°mr-° 1S21
Eehsimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Eesck'ästsstunden: 8—Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volk-wirtschast u. Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderftraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2648.

Die Kapitalisten der ganzen Welt rüsten zu ernenn neuert gro-
ßen Raubzug, gegen den der des „Friedensvertrages" von Ver-
sailles ein Kinder!piel sein wird. Dem Kapitalismus gebt cs
darin wie der Kirche: Er hat einen guten Magen, hat sich noch
niemals über fressen und kann gerechte wie ungerechte Dinge gleich
gut verdauen. Dieses Mal gilt es, einen besonders großen und
fetten Happen zu schlucken: China, Sibirien, die Inseln Ostasiens,
und was sonst noch drum und dran hängt. Man will und man
Wird versuchen, die „ostafiatischen Probleme (lies: Ausbeutungs-
objekte) auf friedliche Weise zu lösen" (lies: unter sich zu ver-
teilen). Man will und wird versuchen, einer Auseinandersetzung
mit den Waffen nach Möglichkeit aus dem Wege zu gehen. Der
Ausgang und die Folgen des Weltkrieges haben die Herren ge-
witzigt: Es ist mehr als zweifelhaft, ob die Welt dir Be-
lastungsprobe eines zweiten Krieges aushalten könnte. Oder ob
nicht die ganze alte und neue Welt darüber in Trümmer gehen
würde unter gewaltigen, gigantischen Todeskämpsen und Kräm-
pfen, neben denen der Untergang der griechisch-römischen Kultur
Wie ein Schemen verblassen müßte.
In Washington geht es nicht wie in Versailles um ein armes,
ausgepowertes Mitteleuropa! Dort geht es um riesige besitz-
schwangere, zukunftsreiche Länder und Völker. Wahrlich, Wa-
shington macht dem alten Ruf Amerikas Ehre: Es bietet unbe-
grenzte Möglichkeiten! Und es ist hochinteressant zu seüen, wie
man in allen Ländern versucht, Hände und Rücken freizubewm-
men, um sich — durch nichts behindert oder abgelenkt — mit gan-
zer Kraft dieser einen Aufgabe widmen zu können.
Am besten scheint das Frankreich geglückt zu sein. Die ober-
fchlesische Frage ist aus der Welt geschafft, auf die „gerechteste"
Weise gelöst worden: durch den Völkerbund. Der schlaue Lloyd
George wurde übertölpelt. Auch in Syrien und Kleinasien sind
die Dinge für Frankreich durch das türkische Abkommen zu einem
gewissen Abschluß und damit zu einer Ruhepause gekommen, und
gegenüber Deutschland triefen die offiziellen Reden und Erklärun-
gen der französischen Minister geradezu von friedlicher Gesinnung
und von Gerechtigkeit. Zweifellos sind sie schon tauge in der
Hauptsache an die amerikanische Adresse gerichtet. Denn Wenn
auch das tatsächliche Verhalten Frankreichs dazu in offenem
Widerspruch steht, so läßt sich das von jenseits des großen Was-
sers meistschlecht nachprüfen. Und etwäZ von den schönen Phra-
sen bleibt doch hängen.
In trefflicher Spekulation auf die trotz ihrer Geschäftstüchtig-
keit und Geldgier im Grunde doch recht sentimentalen Amerikaner
haben die Franzosen Marschall Foch ihrer eigentlichen Delegation
voraufgeschickt. Jenen Foch, der ja auch die amerikanischen Trup-
pen „zum Sieg geführt hat". (Umgekehrt: sie haben ihm zu Sieg
verhalfen.) So sonnen die Franzosen sich wieder einmal in ihrer
Gloire und vergeßen dabet nicht, sich in das rechte Licht zu rücken.
Weniger glücklich war England. Man hätte es dort gar zu
gern gesehen, wenn der Konflikt mit Irland vor der Washington-
Konferenz beigelegt worden wäre. Das ist nicht gelungen. Auch
die Verhandlungen mit Aegypten sind zu keinem Abschluß ge-
langt. Und sowohl in Oberschlesien wie auch in Kleinasien hat
die Entwicklung einen Verlauf genommen, der keineswegs der
englischen Politik günstig ist. Geht die Lenkung des britischen
Staatsschiffes infolge der Schwierigkeiten der inneren und
äußeren Politik tatsächlich über die Kraft und Fähigkeiten eines
Lloyd Georges? Oder steht er all diesen Fragen gleichgültiger
gegenüber, weil er seine ganze Tatkraft auf einen Punkt zusam-
mengedrängt hat? Denn was bedeutet Oberschlesien! Was
Deutschland! Was Kleinasien! In Washington geht es um mehr!
Dort werden ganze Erdteile, dort wird die ganze Welt aufgeteilt!
Sollte Downingflreet wieder einmal „in Jahrhunderten" gedacht
haben?
Auch Japan hat sich vergebens bemüht, den Rücken frei zu
bekommen. Die Räumung Sibiriens ist zwar von diesem Gesichts-
punkt aus ein recht geschickter Schachzug. Da Japan aber nicht
das ganze von ihm besetzte sibirische Gebiet, sondern nur einen
Teil geräumt hat, so ist es fraglich, ob der Schachzug genügt. Auch
die japanisch-chinesischen Gegensätze um Schantung und die an-
dern politischen und wirtschaftlichen Konzessionen sind nicht aus-
geglichen. Ebensowenig konnte Japan den Streit um die Insel
Yap endgültig mit den Amerikanern regeln.
Es scheint, daß die Vereinigten Staaten auch in dieser Frage
ihr ein Grundsatz treu geblieben sind, sich nach keiner Seite und
keinem Punkt vorzeitig zu binden. Jedenfalls treibt man unter
Harbins drüben wieder Politik (was man von Wilson nicht be-
haupten konnte), zielklar, nüchtern und, was das Entscheidende
ist: amerikanische Politik. Meisterhaft hält Harbins seine Trüm-
pfe zurück: noch hat er keine einzige Karte ausgedeckt, geschweige
beim ausgespielt.
Wie haben sich die Dinge seit 2 Jahren doch verändert! Wa-
shington ist kein Versailles. Für Amerika ganz gewiß nicht. Die-
ses Mal findet die Konferenz nicht auf dem für die Amerikaner
ungünstigen enropäischen Boden statt, sondern im eigenen Land,
und ein Amerikaner ist Vorsitzender der Konferenz. Mit kalter
Ueberlegenhett hat man die Finanzfragen — die allen europäischen
Staatsmännern so heiß auf der Seele brennen! — von der eigent-
lichen Konferenz nicht nur ausgeschaltet — das wäre bloß ein
halber Erfolg! —, nein, man Wird sie voraussichtlich ans einer
besonderen Konferenz besprechen, die im Anschluß an die Ab-
rüstungskonferenz stattsinden soll. Wie rin Damoklesschwert wird
diese Sonder'.--nferenz Wer den Häupter» der europäischen Staats-
männer schweben »end wird eS ihnen keineswegs erleichtern, so
frei' und unsceinflutzt ihre Haltuns und SteMkS z» wahren, wie
sie es sich vielleicht gedacht habe». '
Von den 'andern, den Kleinen, darf man billig schweigen. Sie
dürfen zwar mit reden, haben aber nichts zu — sagen. Inter-
essant ist jedoch, daß Rußland — obwohl die Sowjetregirrung

Der deutsch-amerikanische Frieds.
Wash ington, 14. Nov. Präsident Harbins hat heute nach-
mittag 4 Uhr die Proklamation unterzeichnet, in der der
Friede zwischen Amerika und Deutschland erklärt
wird.
Der GeueraWetriebZraL
der „Deutschen Werke" Lei Gsuerml NoKs; t.
Berlin, 14. Nov. Beim Empfang des GesamtbetriebS-
ratesderDeutschenWerke in Spandau durch den Vor-
sitzenden der Interalliierten Militiirkontrollkommission, General
Rollet, war auch der englische General Inh am zugegen.
Die Besprechung hat mehrere Stunden gedauert. Nach den Mit-
teilungen einer Zettungskorrespondenz begründete der Vorsitzende
des Gesamtbetriebsrates, Lück, die Forderung der Arbeitnehmer
auf Zurückziehung der seit September dieses Jahres von der
Kommission gestellten Forderungen, die eine völlige Lahmlegung
des Betriebes der Deutschen Werks bedeuten würde. In erster
Linie wurde die Zurücknahme der Note vom 23. September
verlangt, wonach die Herstellung von Waffen und Munition in
den Deutschen Werken bis zum 1. April 1922 endgültig aufgegeben
sein mutz.
Diese Forderung würde, so betonte der Vorsitzende des Ge-
samtbetrtebsrates, von den deutschen Arbeitern deshalb als schi-
kanös empfunden, weil die deutsche Arbeiterschaft selbst bestrebt
sei, die Herstellung von Kriegswaffen über das durch de» Friedens-
vertrag bedingte und zulässige Matz hinaus zu verhindern. Die
deutsche Arbeiterschaft Würde auf Erfüllung dieser Forderung be-
stehen und sei gewillt, etwa geplante Maßnahmen zur Durchführung
der unnötigen und die Arbeiterschaft schwer schädigenden Betriebs-
einstellung mit allen gewerkschaftlichen Mitteln ab-
zuwehren. Man werde die internationalen Organisationen zur
Solidarität auffordern.
General Nollethat zugesagt, die von den Arbsitervertretern
gegen die Maßnahme der Kontrollkommission vorgebrachten Gründe
der Botschafterkonserenz zu übermitteln. Auch der eng-
lische General Jnham wird seiner Regierung Bericht erstatten.
offiziell keineswegs anerkannt ist, inoffiziell an den Beratungen
teikrehmen wird, wenigstens soweit die russischen rind sibirischen
Fragen erörtert werden. Und nichts ist so bezeichnend sür diese
„Abrüstungskonferenz" als die Tatsache, daß Deutschland von
der Teilnahme ausgeschlossen wurde. Obwohl schließlich kein
zweiter Staat so wie Deutschland dazu berufen wäre, aus Grund
seiner praktischen Erfahrungen über Abrüstung mitzureden.
Ja, wer zweifelt noch an dem guten Willen der Konferenz-
teilnehmer? Wird doch in allen beteiligten Staaten gerade im
Hinblick auf die Konferenz fieberhaft gerüstet. Unaufhörlich wer-
den nicht nur die Verteidigungsmtttel, sondern auch die Angriffs-
mittel verstärkt. Ungeheure Summen werden für militärische
Zwecke ausgeworfen. In Japan über die Hälfte des gesamten
Etats. Allein für die Flotte gibt England in diesem Jahre über
1800 Millionen Goldmark aus. Das ist fast Las Doppelte der
Summe vor dem Kriege. Die Vereinigten Staaten mit 2700 Mil-
lionen und Japan mit fast 1000 Millionen Goldmark haben ihren
Flottenetat auf das Viereinhalbfache des letzten Friedensjahres
heraufgeschrauvt.
Die Arbeiter der ganzen Welt stehen diesem imperialistischen
Treiben mit zusammengebiffenen Zahnen gegenüber. Machtlos
durch ihre Zersplitterung. Machtlos nicht zuletzt durch eigene
Schuld. Die Internationalen Zwei und Zweieinhalb verhandeln
miteinander in einem Augenblick, wo alles nach Taten schreit.
Nur die .3 Internationale „handelt". Das heißt, sie versucht
nach wie vor, die andern Arbeiterorganisationen zu spalten, zu
zersplittern, zu schwächen. Ebenso trübe steht.es aus, wenn man
die einzelnen Länder betrachtet. Die englische Arbeiterschaft steht
unter dem Druck der großen Wirtschaftskrise und hat genug mit
sich selbst zu tun. Zu dem hat sie sich noch nicht von der Nieder-
lage des letzten Streiks erholt. Deutschland ist ausgeschaltet. In
Frankreich spielt die sozialistische Partei überhaupt keine Rolle.
Das verrät schon die lächerlich geringe Zahl ihrer Mitglieder: in
ganz Frankreich 55 000. (So viel hat unsere Partei allein schon
in Berlin.) Ebensowenig politische Bedeutung hat die Arbeiter-
schaft in Amerika, soweit sie sozialistisch oder kommunistisch ist.
Um so weniger, als sie auch dort unter Zersplitterung leidet.
Und China? Wird dieser große, volkreiche Staat, der allen
Anstürmen der Jahrtausende Überstand, sich gegen den Raubzug
wehren können, der in der Hauptsache gegen ihn gerichtet ist?
Auch daran ist nicht zu denken. Die Breschen, die der Kapitalis-
mus bereits in die chinesische Abgeschlossenheit geschlagen hat, sind
schon zu groß, als daß noch an einen aussichtsreichen Widerstand
gedacht werden könnte. Nur darf man Voraussagen, daß hier
Kräfte entfesselt werden, die einmal gefährlicher an die Tore des
Abendlandes pochen werden, als es die Angriffe der Hunnen oder
Tamerlans je getan haben.
So nehmen die Dinge ihren Lauf, ohne daß wir zunächst
etwas daran ändern können. Vielleicht wird die Washington-
Konferenz auch in der Abrüstungssrage einige Fortschritte erzie-
len. Ihre eigentliche Bedeurung, ihr eigentlicher Zweck liegt aber
auf einem ganz anderen Gebiet. Daran werden auch alle noch so
anerkenuenswerren Bemühungen der Pazifisten und der Frauen-
friedensbewegung nichts ändern. Solange die Arbeiterschaft ver-
handelt, statt zu handeln und einig und gerüstet auf Vern Blau zu
erscheinen, wird der ASrüstrmLsgeoanke ein schöner Traun« bleiben.

Es ist kein Zufall, daß die Konferenz in Amerika staltfindet.
Die Vereinigten Staaten stehen im Begriff, ihre führende Nolle
f.m Finsmz- und Wirtschaftsleben nun auch aus das politische Ge-
biet zu übertragen. Und man hat dort aus dem Versager Wilsons
seternt. Der amerikanische Kongreß wird diesmal die Fäden
nicht aus der Hand geben. Er wird sich nicht einmal während
der Eröffnung der Konferenz vertagen. (Das war das mindeste,
was die amerikanische Regierung erhoffen durfte.) Der Trumps,
den Harding mit seiner „Gesellschaft der Nationen", gegenüber
dem Völkerbund, ausspielte, zeigt, daß Amerika sich von den andern
nicht ins Schlepptau nehmen läßt, sondern selbst über sich und —
die andern bestimmen, will. Man wird also die Monroeleüre
„Amerika den Amerikanern" in Zukunft etwas erweitern müssen.
Die Kapitalisten der ganzen Welt rüsten zu eiuem neuen
großen Raubzug. Das nennt man — lache nicht, Leser! — Ab-
rüstungskonferenz.
Kurt Heilblut in der „Glocke".

Politische Ueberficht
Reichskabiustt und KrsdiLaMon.
Berlin, 14. Nov. Das R e ich s k ab in e tt, das heute
nachmittag zusammentrat, behandelte die schwebenden Fragen der
Reparationsverhandl u n gen und die Kreditaktion
der Industrie. Au den Beratungen nahmen neben den Mi-
nistern auch die Staatssekretäre der einschlägigen Ressorts teil. Die
Beratungen des Kabinetts werden morgen nachmittag fortgesetzt.
Ueber die Besprechungen mit der R e p a r a ti o ns k o mm i s s i o n
gehen in der Presse die verschiedensten Gerüchte um. Hierzu wird
festgestcllt, daß alle Mitteilungen über die Verhandlungen auf
Kombinationen beruhen, die geeignet sind, die öffentliche Meinung
zu verwirren. Solange die Verhandlungen dauern, können amt-
liche Erklärungen darüber aus Gründen des Staatsinteresses
nicht erfolgen. Das Ergebnis der Beratungen wird alsbald nach
dem Abschluß derselben chekanntgegeben werden; gegebenenfalls
wird die Regierung im Reichstag davon Mitteilung machen.

Veränderungen im Auswärtigen Amt.
Ministerialdirektor von Simfon ist zum zweiten Staatssekre-
tär im Auswärtigen Amt ernannt worden. Er übernimmt als
Nachfolger des zum deutschen Gesandten in Peking ernannten
Staatssekretärs Boye seine Abteilung, die zwar offiziell nicht
mehr handelspolitische Abteilung heißt, in der aber vorwiegend
die wirtschaftlichen Fragen bearbeitet werden. Herr von Simson
hat seit dem Weggangs des Herrn von Boye die Abteilung interi-
mistisch geleitet. Er erhält jetzt nur offiziell den mit dem Amt
verbundenen Rang. Vorher ist Herr von Simson Dirigent der
Abteilung Frankreich im Auswärtigen Amt gewesen.
Mit den jüngsten Ernennungen im Auswärtigen Amt dürften
die Personalveränderungen noch nicht abgeschlossen sein. Mit der
Einrichtung der O st ab te i lu n g, deren Leitung Herr v. Mal-
zan übertragen worden ist, ist der Anfang jener Reform des in-
neren Dienstes im Auswärtigen Amt gemacht worden, die seit dem
Ausscheiden des Geheimrats von Schüler erstrebt und vorbereitet
wurde. Ihrer völligen Durchführung haben bisher neben anderen
auch räumliche Hindernisse im Wege gestanden. Aber sie soll jetzt
innerhalb der nächsten Wochen zu einem gewissen Abschluß ge-
bracht werden. Anstelle der Länderreferate, die Geheimrat
Schüler eingerichtet hatte, und die eine Hypertrophie innerhalb
des Auswärtigen Amtes zur Folge gehabt hat, soll eine Drei-
teilung treten: die Ostabteilung, die das ganze Osteuropa
und die Balkanländer umfassen soll, die englische Abteilung, in
der die Fragen Englands, der englischen Kolonien, der Vereinig-
ten Staaten, Südamerika, Afrika bearbeitet werden sollen, und
an deren Spitze gegenwärtig Ministerialdirektor Schubart steht,
drittens Europa ausschließlich Osteuropa. Diese Abteilung
dirigiert gegenwärtig Herr v. Mutius, der bis vor einigen Mo-
naten in Paris tätig gewesen ist.

Die internationale GsWerkschaftshilfe für
Rußland.
Berlin, 14. Nov. Der Vorstand des Internationalen
Gewerkschaftsbundes hat bekanntlich einen Vertrag mit
der russischen Sowjetregierung abgeschlossen, der die
ungehinderte Durchführung der Internationalen Gewerkschaftshilfe
für die notleidende Bevölkerung in Rußland sichern soll.
Auf Grund dieses Vertrags eröffnet der Internationale Gewerk-
schaftsbund demnächst ein Zentralbureau in Petersburg, als dessen
Leiter der englische Gewerkschaftsführer O'G radh gewonnen wor-
den ist . Als Stapelplatz sür die in den verschiedenen Ländern ge-
kauften Lebensmittel istHamburg gewählt, von wo sie so schnell
wie möglich nach Petersburg gebracht und dann unter Leitung
O'GraLys nach ihren Bestimmungsorten transportiert werden.
Mit der Errichtung eines ersten Kinderheimes in
einer von der russischen Regierung noch näher zu bestimmenden
Stadt soll sofort begonnen werden.
Die angebliche Abschaffung kirchlicher
Feiertags in Thüringen.
Dieser Tage machte eine Meldung die Runde durch die Presse,
wonach dis sozialistische Negierung in Thüringen kirchliche Feier-
tage abgeschafst hätte. Die Hetze geht vom reaktionären Evans.
Bund aus und wird natürlich in der gegnerischen Presse mit ent-
sprechenden Kommentaren weiterverbreitet. Wie liegt die Sache?
Dem „Vorwärts" wird hierzu aus Weimar geschrieben:
„Was hat in Wirklichkeit die Thüringer Landesregierung ver-
brochen? Es ist ihr "nicht im Tramnr eingefallen, irgendein kirch-
liches Fest als solches abzuschaffen, wie in Presseäußerungen und
 
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