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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 291 - Nr. 300 (13. Dezember - 23. Dezember)
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Tageszeitung für die Werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Ekerbach, Mosbach, Buche»,
Adelsheim, Borberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einichl. Trägerlohn KLO Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (86 -nm breit) IM Mk., Reklame-Anzeigen
M3 mm breit) 5,— Ml. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimm-ttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
EeschSftsftunden: 8—'/zk Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22 577.- Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, 15. Dezember 1921
Nr. 293 * 3. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft u. Feuilleton t
Dr. E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales -
O. Meidel; für die Anzeigen: H.Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanftalt G. m. b. H„ Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schroderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahms 2673, Redaktion 2848.

MWM'SWsWSkt.
„Der Entschluß, auf meinem Posten zu bleiben, ist
mir nicht leicht geworden. Mein Abgang Hütte die
politische Gewalt im Staate an einen Träger von
innen- und außenpolitischen Anschauungen ausge-
ltesert, mit denen weder der Krieg beendet, noch offener
Konflikt mit de« unteren Volksschichten vermieden
werden konnte."
Th. von Bethmann Hollweg
im zweiten Bande seiner Betrachtungen zum Weltkrieg.
Wer waren die Leute, über die Bethmann Hollweg, der in
den ersten drei Jahren des Weltkriegs die Kanzlergeschäfte des
deutschen Reiches geführt hat, das Urteil abgibt, eine Revolution
in Deutschland wäre — es war Anfang 19t 7 — nicht zu vermeiden
gewesen, wenn sie die Gewalt in die Hände bekommen hätten?
Es waren dieselben Leute, von denen Bethmann an anderer Stelle
seiner Erinnerungen sagt, daß sie diejenigen gewesen seien, die
das Streben der obersten Heeresleitung nach entscheidender poli-
tischer Einflußnahme in jeder Beziehung gefördert hätten, die
Konservativen. Wenn sie der Kanzler auch nicht ausdrück-
lich nennt, so ist für jeden, der zwischen den Zeilen zu lesen ver-
steht, ersichtlich, daß damals auf diesem entscheidenden politischen
Punkte auch der rechte Flügel der Nationalliberalen mit
den Konservativen Schulter an Schulter kämpfte. Jawohl:
dieses vernichtende Charakteristikum, daß sie bei ihrer Usurpierung
der politischen Führung durch die Art dieser Führung sofort eine
Revolution entfesselt haben würden, richtet sich gegen die spätere«
Urheber und noch heutigen unermüdlichen Verbreiter der Dolch-
stoßlegende. Und dieses Urteil ist — um es zu wiederholen —
nicht das eines Mannes der damaligen Opposition, sondern der
Kanzler des deutschen Reiches, eines Mannes, den man, sollte er
durchaus politisch gekennzeichnet werden, wahrscheinlich mit mehr
Recht konservativ als liberal nennen könnte.
Die Ehrlichkeit und historische Gewissenhaftigkeit, mit denen
Bethmann die Kreise zeigt, denen ihre erbärmlichen Sonderinter-
essen und Klasfenvorteile höher standen und wichtiger waren als
die Intaktheit der inneren Front, macht den soeben im Verlage
von Reimar Hobbing in Berlin herausgebrachten zweiten
Band von Th. von Bethmann Hollwegs Betrachtungen zum
Weltkriege zu einem Buche von hoher politischer Aktualität. Seine
ganz besondere geschichtliche Bedeutung macht die Authenzität aus,
die Bethmann, dieser Mensch des bis zur äußersten Feinheit ent-
wickelten Verantwortlichkeitsgefühls, beanspruchen darf. Selbst in
Augenblicken, in denen er sich über miserable Behandlung — es
gibt keinen anderen Ausdruck! — des Herrn Ludendorfs und seiner
Satrapen zu beklagen hat, bleibt er der sachliche Schilderer? „lieber
die Tiefen der Gegensätze (zwischen Bethmann und der obersten
Heeresleitung) war ich im klaren. Die Formen des Geschäfts-
verkehrs überschritten gelegentlich dis Grenzen des Erträglichen,
und immer häufiger und nachdrücklicher wurden — Anfang 1917 —
die aus einen Kanzlerwechsel zielenden Vorstöße."
Die surchtbare Lage des vom Weltverkehr abgeschlossenen, von
unzähligen Feinden bedrohten deutschen Volkes hätte auch eine
wesentlich andere Behandlung der inneren Politik notwendig ge-
macht. Man hat Bethmann mancher Versäumnisse angeklägt. Es
ist nun von großem Interesse, zu verfolgen, wie Bethmann alle
Hände voll zu tun gehabt hat, nur das unumgänglichste Minimum
an Maßnahmen zu erreichen, die die innere Front zusammenhiel-
ten, sowie die reaktionären Programme abzuwürgen, deren Ver-
wirklichung die befürchtete Wirkung des Ausbruches einer Revo-
lution gehabi haben würde. Von diesem Standpunkte aus hält
er es für schädlich, daß der Teil der Presse, der die wahre
Volksstimmung zum Ausdruck brachte, die Arbeiterpresse,
in seiner Freiheit durch die Zensur ungebührlich beschränkt wurde.
Ein Skandal war es, daß die freie Meinungsäußerung der Presse
der Linken „entsprechend enger beschränkt wurde" als die der
Rechten. Dieses Bestrebe«, bei allen Maßnahmen die Position
der reaktionären Elemente zu stärken und das Volk, sei es politisch,
sei es wirtschaftlich zu benachteiligen, beherrscht im großen und
ganzen die „Kriegsmaßnahmen". Der Kanzler hat alle Kräfte
auszubteten, um das Schlimmste zu verhindern.
Bezeichnend ist hierfür die bekannte Ost erbot schäft, die
ein freies Wahlrecht für Preußen ««kündigte. Schon
seine MinisterMigkeit hatte Bethmann gezeigt, daß „jede Reform
des preußischen Wahlrechts ... mit dem gleichen Wahlrecht enden
werde". Nach Kriegsausbruch wurde ihm klar, daß aus inner-
politischen Gründen die Wahlresorm notwendig sei. Minister von
Loebell wird im Winter 1914/15 beauftragt, die Regierung in
den Stand zu setzen, mit einer fertigen Wahlreform-Vorlage an
den Landtag heranzutreten. Bald geht eine Denkschrift an Wil-
helm ll. und im Sommer 1915 kommt von Loebell mit dem Ent-
wurf eines P l u r a l Wahlrechtes heraus, „die das System mit
dem Odium einer Bevorzugung der bemittelten Schichten fast noch
offenkundiger und gröber belasteten als die Einteilung in drei
Klaffen". Aber die Zusage des gleichen Wahlrechtes stieß „auf die
denkbar schärfsten Widerstände". Als Bethmann im Parke zu Hom-
burg Wilhelm H. auf die notwendige Ankündigung einer Beseiti-
gung der Preußenschmach schonend vorbereitete, siel ihm dieser mit
dem klassischen Einwand ins Wort: „Aber nicht das Retchs-
tagswahlrecht!" Bethmann war aber in diesem Punkte be-
harrlich. Er kam wieder auf den „gefährlichen Punkt" zurück und
Wagte die Bemerkung, daß es ihm „völlig unmöglich sein werd«,
vor dem Lande eine Vorlage zu vertreten, nach der ein mit dem
Eisernen Kreuze geschmückter armer Arbeiter neben einem be-
mittelten Drückeberger desselben Dorfes mit ungleichem Stimm-
recht zur Wahl zu gehen hätte". Und wie beantwortete Wil-
helm II. dieses wuchtige Argument? Der sonst so Redselige
schwieg. Man ermesse daraus den Hohn, der in der Ostertzotschast
lag, wenn es darin hieß: „Es ist mein Wille . . ."! Aber selbst
der Standpunkt Wilhelms II. mutzte noch als wahlrechtssreundltch

Verbreiterung der Neichsregierung?
Sitzung der Kredttkommtfsio«.
Berlin, 15. Dez. Der Reichskanzler hatte gestern nach-
mittag im Reichstag eine Besprechung mit der von ihm einbernse-
«en Krcditkommission. Dr. Wirth erstattete den Mitglieder« der
Kommission einen eingehenden Bericht über die Lage, Die Be-
sprechungen waren vertraulich.
Wie der „Berl. Lok.-Amz." wisse« will, fei eine der Voraus-
setzungen der von englischer Sette für irgend welche Abmachungen
in finanzieller Hinsicht verlangt worden die Festigung der deut-
schen Regierung. Damit würde also die Frage der Stellung der
Regierung auf einer breiteren Basis wieder akut werden. In Par-
lamentarischen Kreisen sei es, wie das Blatt mitteilt, kein Geheim-
nis, daß Besprechungen zwischen der DBP. und der DDP.
wegen des Einirilts in dir Koalition unmittelbar be-
vorstehen.
Das große Schweigen über die Londoner
Verhandlungen,
Tritt Rathenau wieder in die Regierung ein? - ««Haltbarkeit
der 26prozentigen Exportabgabe.
Berlin, 14. Dez. Der Ausschuß und das Präsidium des
Reichsverbandes der deutschen Industrie find heute vormittag zu
einer gemeinsamen Sitzung zusammengetretsn, um sich mit der
Reparationsfrage und der Kreditaktion zu beschäftigen. Das
Netchskabinett dürfte heute auch über das Ergebnis der Londoner
Reife Rathenaus beraten. Heute nachmittag ist zwar eine
Chefbesprechung, in dieser wird man sich jedoch nicht mit dem
Repamttonsproblem beschäftigen. Wann die Kreditkommission
zufammentreten soll, steht noch nicht fest. Die Entscheidung über
die Einberufung liegt beim Reichskanzler. Er hat bisher aber
noch nicht den Wunsch geäußert, die Kommission zu hören.
Berlin, 14. Dez. Als ein Anzeichen für irgendwelche „posi-
tive" Ergebnisse der Londoner Reise Rathenaus kann auch dis
Nachricht gewertet werden, daß Rathenau schon in der nächsten
Zeit wieder als Minister in die Regierung eintreten werde. Dem
„Raten um Rathenau" Wird freilich bei dem begreiflichen Still-
schweigen der amtlichen Kreise soweit »roch kein Ende gesetzt wer-
den können.
Berlin, 14. Dez. Ueber den Bericht Rathenaus vor
dem Reichskabinett über seine Londoner Verhandlungen erfolgt
auch nicht die geringste amtliche Meldung (!) und
Rathenau selber hüllt sich sogar seinen Vertrauten gegenüber in
vollkommenes Stillschweigen. Aus die Tendenz der Berichte gibt
es nur einen Rückschluß: Die Stimmung der Ausführungen, die
der Reichskanzler vor dem Ausschuß des Neichswirtschaftsrates ge-
macht hat, und die nach einstimmigem Urteil als recht optimistisch
bezeichnet wurden. Von englischer Seite erfährt die „D. Z."
hierzu, daß Rathenau in London jedenfalls ein grundsätzliches, sehr
bedeutsames Zugeständnis erhalten haben soll: Die Anerkennung
der völligen «»Haltbarkeit der SSprozentige« Ausfuhrabgaben. Die
Engländer sollen versprochen haben, bei den erforderlichen Ausein-
andersetzungen mit den Alliierten die Revision der gesamten Repa-
rationsbestimmungen von diesem Hebelpunkt aus in Angriff zu
nehmen.

gelten im Vergleiche zu dem Ludendorffs und „der Generäle".
Bei diesen Herrschaften „ging die Gegnerschaft gegen die Osterbot-
schaft" so wett, daß dem Reichskanzler der einflußreichste General
des kaiserlichen Hoflagers, mit dem ihn bis dahin beste persönliche
Beziehungen verbanden, „fortan nicht mehr die Hand reichte".
Wenn diese Gesellschaft auch in der Wahlrechtsfrage zurück-
weichen mutzte, so wuchs ihr rein politischer Einfluß doch immer
mehr. Die oberste Heeresleitung wurde bet ihrer Einmischung
täglich dreister. Ende des Jahres ISIS (!!) übersandte die oberste
Heeresleitung dem Kanzler „einen Katalog ihrer Kriegsziele",
in welchem unter anderem ein „nach der Art einer römischen Pro-
vinz" von Deutschland abhängiges Rumänien vertreten wurde.
Hier hat der Kanzler es vorgezogen, „in einer mündlichen Bemer-
kung die Auseinandersetzung nicht aktueller Themata abzu-
lehnen".
Daß bei diesem Wahnwitzigen Treiben die verschiedenen Frie-
densmögkichkeiten nicht mit der Sorgfalt behandelt und mit der
Energie verfolgt worden sind, die sie bei unserer Lage von unserer
Sette hatten beanspruchen können, läßt sich zur Not begreifen.
Schon im Mai 1917 kommen die Meldungen, daß Oesterreich von
der Entente ein Friedensangebot bekommen hat. Aus den Aeuße-
rungen Czernins in einer Besprechung in Wien geht hervor, datz
Oesterreich reif ist zum Umfall. Aber je kritischer die Lage wird,
desto stärker werden die Einflüsse der politischen Desperados, Lu-
dcndorsss und seiner Kumpane. Erst in dem Lichte dieser Ausein-
andersetzung gewinnt das Wort Ludendorsfs von seinem Ba
banque-Sptel plastische Gestalt.
Im Juli 1917 — lange vor dem neunten November achtzehn!
— kommt es zur Revolution. Zur Revolution der obersten
Heeresleitung und ihrer, unbedingten Gefolgschaft. Am 12. Juli
ist Bethmann zum Vortrag bet Wilhelm II. auf Schloß Bellevue.
Es ist von der Frtedensresolutton die Rede. Aber „noch
vor Abschluss dieser Sache" wird gemeldet, datz Abschiedsgesuche
von Hindenburg und Ludendorff unterwegs seien, weil sie „mit
Bethmann als Kanzler nicht mehr zusammen arbeiten" könnten.
Wilhelm kennzeichnet scharf „die unerträgliche Stellung", in die er
Lurch dieses Ultimatum komme. Er fühlt sich selbst mit entthront.
Aber Bethmann mutz gehen. Und: „Ueberall war die letzt« Ent-
scheidung auf die oberste Heeresleitung übergegangen". Die Bahn
war frei für die letzten Wahnsinnstaten der Ludendörfser, die in
Vrest-Ltwwsk bei de« Verhandlungen mit Rußland ihre Krönrmg
sanden.

Deutscher Reichstag.
Berlin, 14. Dezember.
Nm Regierungstisch Giesberts und Dr. Köster,
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2.2S Uhr.
Die Vorlage zur Erhöhung der Post- und Tetegraphengebühress
Wird dem Postausschutz überwiesen.
Die Vorlage zur Erhöhungder Kohlensteuer und
der Tabaksteuer gehen nach heftigen Protesten kommunistischer Red«
ner, von denen der Abg. Koenen die Kohlensteuererhöhung alS
Gipfel der Schamlosigkeit bezeichnet und dafür zur Ordnung ge-
rufen wird, an den Ausschuß für Verbrauchssteuern.
Die Vorlage zur Verlängerung der Verjährungsfrist des See«
versicherungs Gesetzes bis zum Schluffe des Jahres 1922 wird an-
genommen.
Die Vorlage zur Verlängerung des Kapttalfluchtgesetzes biS
zum 31. Dezember 1922 wird auf Antrag des Abg. Gothein
(Dem.), der eine Verlängerung bis zum 30. Juni 1922 befürwortet,
einem Airsschutz überwiesen.
Der Gesetzentwurf über den Verkehr mit ausländischen Zah-
lungsmitteln geht an den Steuerausschutz- Danach dürfen Ge-
schäfte in ausländischen Zahlungsmitteln nur mit der Rcichsbmtk
oder mit anerkannten Bankiers abgeschlossen werden.
Die Vorlage über die Wahlen nach der Retchsversicherrmgs«
ordnung, die eine Verlängerung der AmtSdauer der Vertreter bis
zum Ende des Jahres 1922 Vorsicht, wurde angenommen, nachdem
die Regierung hatte mitteilen lassen, daß der Ausbau der Wahlen
geändert und eine Vorlage dem Reichstag im Januar zugeven
wird.
Aenderung des Einkommensteuergesetzes.
Ei» Antrag Marx (Ztr.) und Emminger (Bahr. Vp.)
fordert die Aenderung des Einkommensteuergesetzes, und zwar soll
die Einkommensteuer betragen für die ersten 4V OSO Mk. des steuer-
baren Einkommens 10 Proz., für die weiteren 10 VVO Mk. 15 Proz.,
für die Weiteren 10 0VV Mk. 20 Proz., für die wetteren 4Ü VÜÜ Mk.
25 Proz., für die weiteren 200000 Mk. 30 Proz., für die weiteren
200 000 Mk. 35 Proz., für.die weiteren 500 000 Mk. 40 Proz., für
die wetteren 500 000 Mk. 45 Proz., für die weiteren 500 SSO Mk.
50 Proz., für die weiteren 1 Mill. Mk. 55 Proz. und für die wette-
ren Beträge SO Proz. Die Vorlage wird auf Antrag des Abgeord-
neten Pohlman« (Dem.) dem Steuerausschutz überwiesen.
Ein von allen Parteien eingebrachter Gesetzentwurf zur Her-
aufsetzung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung wird
angenommen. Die Versicherungsgrenze wird aus 40000 Mk.
festgesetzt.
Das Orts klasse «verzeichn iS geht an den Beamten-
ausschuß.
Darauf wird die Aussprache über die Interpellation Dr.
Stresemann (D.Vp.) über die Vorkommnisse in der Pfalz
fortgesetzt.
Für die Deutschnationalen spricht Abg. Berndt, der die
deutlichen Worte des Innenministers anerkennt. Desgleichen tut
Abg. Korell (Dem.), der die nationale Treue der Arbeiterschaft
hervorhebt.
Abg. Merkel (Unabh.) stellt fest, datz die Arbeiterschaft deS
besetzten Gebietes durch irgendwelche Treibereien der Franzosen
oder Belgier vom Reich nicht zu trennen ist. Anders läge es bet
den bürgerlichen Parteien. Die rheinisch-westfälischen Industriellen
hätten sogar die Besetzung des Ruhrgebietes gewünscht, um sich den
Steuern z» entziehen. (Widerspruch rechts.)
Abg. Fries (Komm.) weift die Behauptung zurück, datz die
Kommunisten in engen Beziehungen zu den Franzosen stehen. Eine
Loslösung des Rhetnlandes liege nicht im Interesse des Prole-
' tariats.
Damit ist die Interpellation erledigt. Das Haus vertagt sich
aus Donnerstag 2 Uhr: Interpellation des Zentrums über daS
Saargebiet, Tabaksteuer, Ortsklassenverzetchnis, kleine Vorlagen.
Schluß gegen 7 Uhr.

Politische Ueberstcht.
Der Hochverratsprozetz gegen die Kapplsten,
7. Tag.
Schluß der Beweisaufnahme.
Leipzig, 14. Dezember.
Zunächst wird der frühere Oberbürgermeister von Berlin-
Schöneberg,
Staatsmtnister a. D. Dominicus
vernommen. Er sagt aus, datz zur Zelt des Putsches in Berlin-
Schöneberg eine außerordentlich gedrückte Stimmung
herschtc.
Auf eine Frage des Präsidenten, ob eine allgemeine Freude
zu bemerken war, erklärt der Zeuge: Ja, bet einzelnen Teilen.
Bei der großen Mehrheit aber herrschte grobe Beunruhigung.
Der Zeuge berichtet dann, wie er mit Lüttwitz über den Be-
schluß der Eisenbahner gesprochen und ihm die Folgen eines Streik»
vorgestellt habe. Lüttwitz habe aber erklärt: Ich habe mich Herr«
Kapp unterstellt und folge seinen Anweisungen. Wir fuhren dann
in die Reichskanzlei und erklärten mit den Ministern Südekum
und Oeser Herrn Kapp die Folgen eines Generalstreiks. Kapp gab
uns keine direkten Antworten. Später erfuhren wir, datz Kapp
anderen Weisungen nicht gefolgt war.
AlS zweiter Zeuge wird
Ftnanzminlster Südekum
vernommen. Er ist von dem Ausbruch des Putsches überrascht
worden. Erst am 13. März hat er von dem Putsch gehört und
von der Festnahme der preußischen Minister. Es ist ihm gelungen,
unterirdische Verbindungen mit den verhafteten Ministern herzu-
 
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