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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 241 - Nr. 250 (15. Oktober - 26. Oktober)
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Tageszeitung für die werktätige VeVMesrmg der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Gppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boseberg, Tauberbischossheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 5.— Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 1.30 Mk., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.60 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschästsstunden: 8—V-6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22 877. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Freitag, 21. Oktober 1921
Nr. 246 » 3. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u.äußere Politik, Volkswirtschaft ».Feuilleton:
Dr.E. Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales;
O. Geibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Druck u. Verlag der Unterbadischen Verlagsanstalt G.M.V.H., Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2618.

Die Genfer Entscheidung in Paris überreicht.
Nur „private" Mitteilung, die amtliche Notifizieruug erfolgt später»

SSMRkLßDeMUUkZMKkN.

Von Prof. F. W. Fo erster.
Aus Deutschland hallt in diesen Tagen der lauteste Protest
gegen die Genfer Entscheidung irr alle umliegenden Länder hin-
über. Daß selbst die deutschen Friedensgesellschaften — darunter
die radikalsten Gruppen — die Entscheidung für mrheilvoll erklä-
ren und ein neues Plebiszit Vorschlägen, das zeigt jedenfalls, daß
die Unteilbarkeit Overschlesiens nicht bloß eine nationalistische Pa-
role, sondern auch die Ueberzeugung derer ist, denen eine baldige
und gründliche Verständigung mit der Umwelt aufrichtig am Her-
zen liegt.
Der Verfasser dieser Betrachtungen möchte den Vorschlag
eines neuen Plebiszits mit größtem Nachdruck unterstützen. Zu-
nächst sei ohne weiteres zugestanden, daß der Bölkervundsrat mit
dem ehrlichen Willen zur Gerechtigkeit entschieden hat, und daß
er angesichts der ganzen Sachlage, einschließlich des Versailler
Vertrages, gar nicht in der Lags war, die Teilung zu umgehen.
Er konnte den in der Abstimmung kundgegebenen Willen der pol-
nischen 40 Prozent der oberschlesischen Bevölkerung nicht ignorie-
ren, er durfte dieses Recht der schlesischen Polen auch nicht einmal
zugunsten der deutschen ökonomischen Reparationsleistung gegen-
über Frankreich ausschallen, denn die Reparation der preußischen
Polenpolitik war eine der grundlegenden Tendenzen des ganzen
Friedensschluffes. Und es ist gewiß höchst bedauerlich, daß dies
von so weiten Kreisen der deutschen öffentlichen Meinung nicht
verstanden wurde, und daß man nicht sofort nach dem Friedens-
schluß, ja schon nach dem Waffenstillstand, freiwillig mit dieser
Reparation begonnen und die Gleichberechtigung des schlesischen
Polentums inbezug auf Schule, Beamtenwohl usw. radikal und
konkret verwirklicht hat, heute läge dann alles anders, auch die Ab-
stimmung wäre anders ausgefallen und Europa stünde nicht rat-
los Vor einer Aufgabe, die nur durch gründliche und ehrliche Aus-
söhnung der beiden nächstbeteiligten Volksgruppen wirklich zu lö-
sen war. Statt solcher Entwicklung ist es leider der deutschnatio-
nalen Propaganda gelungen, den größten Teil des deutschen Vol-
kes gegen die einfache politische Erkenntnis blind zu machen, daß
im Rahmen der wirklichen Sachlage ein ungeteiltes Oberfchlesien
nur dann zu retten war, wenn man das ganze Problem nicht als
eine bloße deutsche Besitzsrage, sondern als eine übernationale
Frage und Aufgabe, d. h. als Erhaltung und Vertiefung einer
staatlichen Symbiose zweier verschiedener Nationalitäten behan-
delte. Daß dieser übernationale Charakter der ganzen Angelegen-
heit bei uns übersehen wurde, das ist das eigentliche deutsche Ver-
hängnis geworden.
Nachdem aber nun die Sache in dieser Weise in falsche Bahn
gelenkt worden ist, muß die Frage gestellt werden, ob der Genfer
Entscheid, der die einzige Lösung verkündet hat, die aus dem Boden
der bisherigen Abstimmung möglich war, wirklich eine unwider-
rufliche ist, oder ob nicht die Grundvoraussetzung, von der man
mit vollem Rechte ausging, durch europäische Verständigung aus-
gehoben werden kann, ob also ein neues Plebiszit möglich und rat-
sam ist?
Hier wird zunächst die Frage gestellt werden: Welcher Grund
besteht denn überhaupt zu der Annahme, daß eine solche zweite
Abstimmung wesentlich anders aufsallen werde als die erste?
Darauf ist zu antworten: Freilich, wenn die neue Frage bloß ge-
stellt wird: „Deutsch oder Polnisch", so würde die zweite Abstim-
mung kein wesentlich neues Ereignis zeitigen. Die allein erwä-
genswerte Fragestellung müßte daher lauten: Teilung (im Gen-
fer Sinns) oder Zusammenbleiben im Sinne eines oberschlestschen
„Völkerbundes", dessen Verhältnis zu Deutschland und zu Polen
und dessen innenpolitische Ordnung im Sinne der Sicherstellung
vollster Gleichberechtigung dabei genau sestzulegen wäre. Folgende
Erwägung wird klar machen, warum eine Abstimmung auf solchem
neuen Boden zu einem ganz anderen Resultat führen wird als
die erste Abstimmung: Keiner der Abstimmenden hat mit einer
Teilung gerechnet. Seit nun die Möglichkeit der Teilung in den
Gesichtskreis der Oberschlesier trat, ist beiden Gruppen die ganze
wirtschaftlich-soziale SMüerigkeit der Auflösung eines jahryutt-
derte alten und hochentwickelten Zusammenwirkens immer deut-
licher geworden. Dieses spiegelt sich ja auch in den wirtschaftlichen
Vorschlägen Genfs, die selber schon den Bedenken gegen die Tei-
lung Rechnung zu tragen suchen. Es kommt aber noch folgendes
dazu: die polnischen Volkstetle haben für Polen votiert, weil sie
darauf rechneten, daß ganz Oberschlesien, mindestens aber dessen
größter Teil, zu Polen kommen würde. In diesem Falle Ware Vas
schlesische Polentum eine beachtenswerte Minoritätsgruppe in der
Republik Polen geworden. Nun aber bleibt ein erheblicher Teil
der schlesischen Polen bei Deutschland. Aus diese Weise wird das
vberfchlesische Polentum durch die Teilung so getrennt, daß es we-
der in Polen noch in Deutschland stark genug sein wird, seine Mi-
üoritätsrechte wirksam zur Geltung zu bringen. So gerät gerade
dieses oberschlesische Polentum, das seine ganz besonderen Tradi-
tionen hat und dem doch gerade der Versailler Vertrag helfen
Zollte, durch die Teilung in eine ganz ohnmächtige Lage. So ist
zu verstehen, daß augenblicklich auch weite Schichten der polni-
schen Oberschlesier sich mit den deutschen Kreisen in dem Bewußt-
sein vereinigen, daß die geplante Spaltung des eigenartigen ober-
lchlesischen polnisch-deutschen Volkslebens eigentlich doch eine für
chle Betroffenen tödliche Operation ist. Und es kommt das Ge-
mhl hinzu, daß hier etwas aufgelöst werden soll, was nicht nur
die Nächstbeteiligten von vitaler Bedeutung ist, sondern was
kstH Europa und in besonderem Sinne Polen und Deutschland

gar nicht entbehren kann: nämlich eben die enge politische Lebens-
gemeinschaft des polnischen und des deutschen Elementes auf dem
Boden eines vermittelnden Zwischenlandes. Möge die Republik
Polen eine solche Lösung, die ihr Volksteile und Gebiete entziehen
würde, die sonst zu ihr kämen, nicht als gegen ihr tieferes Interesse
gerichtet betrachten: Polen würde an einem feindlichen Gegensatz
gegen Deutschland verbluten, gerade Polen ist auf ein solches ver-
mittelndes Zwischenland angewiesen; Vertragsrechte sind hier
Wichtiger als Besitzrechte. Guter Wille und Befreundung zwischen
beiden Ländern sind größere ökonomische Hilfen und Bürgschaften
für Polens Zukunft als ein neuer Besitz aus Kosten aller anderen
Faktoren des Gedeihens.
Vom europäischen Standpunkt aus muß man jedenfalls sagen:
Die geplante Teilung wird dem wildesten Nationalismus zugute
kommen und darum gerade, weil sie im Osten einen neuen Vulkan
schafft, eine erneute Gefahr für den Frieden Europas werden.
Im europäischen Interesse liegt heute allein die Erhaltung, Kon-
solidierung oder Neuschaffung übernationaler Lebensgemeinschaf-
ten; der Völkerbund selber ist dringend auf solche entspannende
Zwischengebiete und auf solche Uebungsstätten übernationalen
Sichvertragens inmitten der großen nationalen Gruppen angewie-
sen.
Vielleicht ist es doch noch nicht zu spät, eine für Europa prin-
zipiell und praktisch so ungeheuer wichtige Frage noch einmal von
neuen Gesichtspunkten aus zu betrachten.

Die Neberreichrmg em den deutschen
Botschafter.
P a r i s, 20. Okt. Der T ext des Beschlusses derBstschaf -
terlonfersnz in der vberfchiefischen Kr«se MsM-rMG der
Entscheidungen des Völkerbunds rat es ist heute nachmittag
Uhr dem deutschen Botschafter in Paris, Dr. Mayer, über-
reicht worden.
«k
Paris, 20. Okt. Der Beschluß der Botschafterkonferenz über
Oberschlesien, der heute dem deutschen Botschafter übergeben wurde,
Wurde nur dadurch ermöglicht, daß die Alliierten, wie heute das
„Journal" schreibt, einen Winkelzug machten, durch den der klare
Wortlaut des Versailler Vertrags und gleichzeitig der Genfer Be-
schlüsse verwirkt werden kann. Die Botschafterkonferenz beschloß,
daß der Beschluß der Alliierten der deutschen und der polnischen
Regierung nicht amtlich, sondern für den Augenblick erst privatim
mitgeteilt werden solle. Der Gelettbrief schließt mit der Versiche-
rung, daß zwischen den alliierten Mächten volles Einverständnis
herrsche und drückt den Wunsch der Alliierten aus, der Genfer
Spruch möge von beiden Parteien befolgt werden. Endlich kündigt
der Schluß des Einleitungsbrtefes noch Zwangsmaßnah-
men für den Fall an, daß beide interessierten Mächte oder eine
von ihnen es ablehnen sollte, sich dem Spruch der Alliierten zu
fügen. Der zweite Teil der Mitteilung, die heute dem deutschen
Botschafter übergeben wird, umfaßt zunächst die Beschreibung der
Grenzlinie zwischen Deutschland und Polen in Oberschlesien. So-
dann werden die provisorischen Maßnahmen wirtschaftlichen Cha-
rakters aufgezählt, die dazu bestimmt sein sollen, die Schwierig-
keiten im oberschlestschen Wirtschaftsleben der Industrie aus ein
Mindestmaß herabzusetzen. Die offizielle Verlautbarung der Be-
schlüsse der Alliierten wird erst später erfolgen. Wenn Deutschland
oder Polen den Abschluß der wirtschaftlichen Abmachungen ableh-
nen sollte, würde die Uebergabe der fraglichen Gebiete an Deutsch-
land und Polen noch ytnausgefchoben werden.
Die Note Briands.
Parts > 21. Okt. Die Note, welche Briand als Präsident
des Obersten Rates gestern nachmittag dem deutschen Botschafter
und dem polnischen Gesandten in Paris übermittelte, hat folgen-
den Wortlaut:
Paris, 20. Oktober 1921.
Ich habe die Ehre, Ihnen beiliegend den Text der am
20. Oktober von der Botschafterkonferenz getroffenen Entscheidung
zu übermitteln, welche im Namen des englischen Reiches, Frank-
reichs, Italiens und Japans, der wichtigsten alliierten Haupt-
mächte bei der Unterzeichnung des Versailler Frtedensvsrtrags,
handelte. Die genannten Mächte haben in Anwendung des
Friedensvertrags eine Lösung gesucht, die den Wünschen der
Bevölkerung entspricht, (!!) wie sie sich bei der Abstimmung
kundgaben, wobei auch der wirtschaftlichen und geographischen
Lage der Oertlichkeiten Rechnung getragen wurde. Nachdem sie
ein Gutachten des Völkervundrates eingesordert hatten, kamen
sie dazu, das Industriegebiet in Obrrschlesien auszutcilen. Wegen
der geographischen Verteilung der Bevölkerung und der Ver-
mischung der völkischen Elemente mußte jede Teilung dieses
Gebietes zur Folge haben, daß zu beiden Seiten der Grenzlinie
beträchtliche Minoritäten und wichtige wirtschaftliche Interessen
ebenfalls zu beiden Seiten der Grenzlinie gelassen werden. Un-
ter diesen Umständen enthält die getroffene Entscheidung Maß-
nahmen, welche im gemeinsamen Interesse die Fortdauer des
Wirtschaftslebens in Oberschlesten sowie den Schutz der Mino-
ritäten garantieren sollen. Die deutsche Regierung soll sich klar
Rechenschaft darüber ablegen, daß die Alliierten der Ansicht sind,
daß ihre Entscheidung ein Ganzes bildet. Die Alliierten sind
entschlossen, deren Beobachtung durch beide Teile durchzusetzen.
In dem Falle, wo die beiden Regierungen oder eine von ihnen
wegen irgend einer Ursache ablehnen würden, das Ganze oder

einen Teil ihrer Entscheidung anzunehmen oder wenn sie durch
ihre Haltung bezeugen würden, daß sie der loyalen Durchführung
der Entscheidung Hindernisse entgegensetzen, sind die alliierten
Regierungen im Interesse des allgemeinen Friedens der Ansicht,
daß Ne Notwendigkeit besteht, so rasch wie möglich das vorge-
sehene Regime einzusetzen, wobei sie sich Vorbehalten, solche
Maßnahmen zu ergreifen, die sie für notwendig erachten, um die
volle Wirkung ihrer Entscheidung sicherzustellen.
KEhMiWK Sie usw. gez. Briand.
AUL dem Inhalt.
Die politische Grenzlinie.
Paris, A. Ott. ME veröffentlicht heute die Dok u m ente
über Oberschlesten, die dem Bölkervundsrat und dem Vor-
sitzenden des Ober st en Rates unterbreitet wurden, gemäß der
am 12. Oktober einstimmig angenommenen Empfehlung.
Die neueGrenze folgt der O d er von dem Punkte an, wo
dieser Fluß in Oberschlesten eintritt, bis Niebo tschau. Sie
läuft dann in nordöstlicher Richtung und läßt aus polni-
schem Gebiet die Gemeinden Hohenbirken, Wilhelmstal, Raschütz,
Adamowicz, Bogunitz, Lissek, Summin, Zwonowitz, Theawackeno-
witz, Ssvelwitz, Wleza, Kriewald, Knurow, Gieraltowitz, Pretswitz,
Nachschau, Kunzendorf, Paulsdors, Ruda, Orzegow, Schöngrube
und-Hohenlinde; sie beläßt aufdeutscheM Gebiet die Gemeinden
Ostrog, Markowitz, Babitz, Gurek, Stodoll, Niederndorfs, Wtla-
haritz, Nieborowitzer Hammer, Nieborowitz, Schönwald, Ellguth-
Zubrze, Sosniza, Mathesdorf, Zschorze, Biskupttz, Bobreck und
Schömberg. Von da geht die Grenze zwischen Raßberg, das an
Deutschland fällt, und Birkenhain, das an Polen fällt, in der
Richtung Nordwest weiter und läßt auf deu ts chem Gebiet die
Gemeinden Kars, Miechowitz, Stollarzowttz, Friedrtchswille, Plako-
wttz, Larischhof, Mioar, Hauussek, Neuendorf, Tworog, Karienlast,
Potempa, Keltsch, Zavadzki, Pluder, Peterhof, Klein-Lagiewnik,
Skrzidlowitz, Gwodzian, Dielna, Cziasnau, Sorowski, im Polni-
schen Gebiet die Gemeinden Scharley, Radzionkau, Trockenberg,
Neu- und Alt-Repten, Alt-Larnowitz, NYbna, Piassetzna, Boruscho-
witz, Mikolesna, Drahthammer, Ptosek, Wüstenhammer, Kokottek,
Koschmieder, Pawonkau, Siegelsdorf, Gutsbezirk Groß-Lagiewnik,
Glinitz, Kochschütz und Bissau. Im Norden des letztgenannten Or-
tes fällt die Grenze mit der alten Grenzlinie zusammen und mit
der, die bereits zwifchenPolen und Deutschland festgelegt worden ist.
Die wirtschaftlichen Bestimmungen.
Paris, 20. Okt. Um die Fortdauer des wirtschaftlichen
Lebens Oberschlssiens nach der Teilung zu sichern und die Schwie-
rigkeiten wäbrend der U eb er g an g s p e rio d e aus das Min-
destmaß zu beschränken, wurden folgende Maßnahmen vorge-
schlagen:
Bahnlinien, die Privatgesellschaften gehören, werden auch
Weiterhin wie bisher verwaltet. Für die Bahnstrecken des deut-
schen Staates (? Red.) wird ein gemeinsames Betriebssystem für
fünfzehn Jahrs in Kraft treten. Die Tarife werden vereinheit-
licht und die Fahrpläne sollen den Bedürfnissen der Industrie
angepatzt werden; der Aufenthalt an der Grenze soll möglichst
kurz sein.
In dem Abstimmungsgebiet wird während eines Zeitraumes,
der fünfzehn Jahre Nicht übersteigen darf? die Mark das einzige
gesetzmäßige Zahlungsmittel sein. Dieses System kann nach einer
Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen geändert werden;
für Post-, Telephon- und Telegrammgebühren wird für die ganze
Dauer das deutsche Geldshstem der Mark festgesetzt.
Zollverwaltung und Zollgrenze stimmen mit der polttischen
Grenze überein. Die bisherigen Zollgesetze und die Zollgebühren
kommen mit einigen Ausnahmen zur Anwendung: So dürfen
während sechs Monaten Rohstoffe, Halbfabrikate und un-
vollendete Fabrikate, welche aus den industriellen Unternehmungen
der beiden Parteien ins Abstimmungsgebiet kommen und von den
industriellen Unternehmungen der anderen Partei in der gleichen
Zone fertiggestellt oder verbraucht werden sollen, so: lfrei über
die Grenze gehen. Während fünfzehn Jahren dürfen die gleichen
Erzeugnisse der gleichen Herkunft rind zu gleicher Bestimmung die
Grenze zollfrei überschreiten, wenn sie zum Wiederimport in das
Ursprungsland bestimmt sind. Naturprodukte oder Fabrikate aus
dem polnischen Teile des Abstimmungsgebietes sind auf drei
Jahre von sämtlichen Zollabgaben bei der Einfuhr in das deutsche
Zollgebiet befreit. Diese dreijährige Periode beginnt mit dem
Tage der Notifizierung der deutsch-polnischen Grenzsestleaung.
Kohlen und Gruben: Polen wird während fünfzehn Jahren
die Ausfuhr der GruSeuerzeuguifse aus dem Abstimmungsgebiet
erlauben. Was die Kohlen anbetrisft, so wird den verschiedenen
Bestimmungen der Verträge, Beschlüsse, internationalen Verein-
barungen usw. zwischen Deutschland, Polen und den Ländern, die
unmittelbar oder mittelbar an der Einfuhr oberschlesischer Kohlen
interessiert sind, Rechnung getragen. Deutschland wird seinerseits
auf fünfzehn Jahre die Ausfuhr von Grubenerzeugnissen nach
Polen erlauben.
Verschiedene Bestimmungen sowie verschiedene andere Maß-
nahmen werden ins Auge gefaßt betreffend die sozialen Ver-
sicherungen, die Arbeiterverbände und den Verkehr
zwischen beiden Parteien im Gebiet. Jeder Einwohner, der seinen
regulären Wohnsitz oder seine reguläre Beschäftigung im Abstim-
mungsgebiet hat, wird kostenlos eine Verkehrserlaubnis erbauen,
die ibm gestattet, dis Grenze ohne Förmlichkeiten zu überschreiten.
Die in.Kraft befindlichen Verordnungen im Abstimmungsgeblöh
betreffend im besonderen die Gruben, die Industrie- und Handels-
 
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