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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 251 - Nr. 260 (27. Oktober - 7. November)
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Verein 'einen '»EMMagenden ' Erfölgi und mutzte «x nMnials
Wtederbolc-:. c-"-,: nmngleichlichen Schatz haben wir an unfern
Volkslied «ritz das hat der Abend bewiesen.
MMR würdigen Abschluß sand der gesangliche Teil durch die
bas Doppelquart eit des „S Ln gerkran z es". Mit ge-
wohnter Meisterschaft sang das Doppelquartett den „Drau-Walzer"
von Koschat. Es ist ein seltener Genuß diesen Sängern zu lau-
schen. Sie fingen mit erlesener Klangschönheit und wie ans dem
Schutz. Herr Stürmer begleitete ans dem Flügel. — Das genügt.
Wie nicht anders zu erwarten war, mutzte sich das Doppelquartett
-u einer Dreingabe verstehst.
Der Arbeitergesangverein „Säug er kränz" kann mit Stolz
auf seine Jubelfeier zurüübttcken und der Erfolg des gestrigen
Abends Wird dm Verein zu weiteren! Vorwärtsstreben anfeuern
Dsr LmrdschafisschAtz bei der Neckar-
kmrMfiEMg.
Der Landschaftsschutz bei der ReSarkanaliflerung. Das Bad.
Ar Leits Ministerium schreibt uns: Der Verein der Hei-
delberger Presse Hai in einer in allen Heidelberger Zeitungen er-
schienenen Aeutzerung die Befürchtung ausgesprochen, daß Vas
einzigartige Laudschaftsvild der Stadt Heidelberg durch die Pläne
gefährdet sei, die hinsichtlich der Ausführung der Neckarkanaliste-
rung in der Gegend von Heidelberg bestünden. Am Schlüsse der
Ausführung ist die Frage gestellt, ob den Behörden diese Dinge
bekannt seien und warum sie über die Warnungen der Bevölke-
rung rücksichtslos hinweggeschritten seien. Hierzu ist zu bemerken,
daß der Erhaltung des Landschaftsbildes bei Heidelberg und einer
diesem Ziel möglichst angepassten Ausführung der Kanalisierungs-
bauten schon längst von den zuständigen Behörden die erforderliche
Aufmerksamkeit zugewendet und datz zwischen Baden und den
maßgebenden ReichSSehörden schon vor Jahresfrist Erörterungen
über diesen Punkt stattfanden. Vor allein muß beachtet werden,
daß die Stelle, an der das Wehr bei Heidelberg errichtet werden
soll, noch keineswegs festliegt. Die Pläne, die die Reckarbaudirek-
tion in Heilbronn hierüber ausarbeiten wird, werden nach dem
badischen Waffergcsetz in einem beim Bezirksamt Heidel-
berg anhängig zu machenden Verleihungsverfahren geprüft und
es wird bei Gelegenheit der Offenlegung dieser Pläne in dem
Verfahren aller Beteiligten — zu diesem gehören auch in diesem
Falle die berufenen Vertreter des Heimatschußes - Gelegenheit
gegeben sein, ihren Standpunkt geltend zu machen. Es darf dabet
daraus aufmerksam gemacht werden, daß das badische Wassergesetz
in'8 41 ausdrücklich bestimmt, datz die Erhaltung hervorragender
Naturschönheiten den Ansatz zu Auslagen und Bedingungen, nö-
tigenfalls sogar zur Versagung eines Verleihungsgesuches geben
kann. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Behörden,
in deren Hand die Entscheidung dieser Frage Liegt, über die berech-
tigten Interessen deS Heimatschutzes hinweggeschritten seien.
Der Verein Heidelberger Presse behält sich auch hierzu seine
Stellungnahme vor.

FLierliche ImMKiEAlaLirm.
Am Samstag, den 5. Novernber fand in der alten Aula der
Ruperto Carola die feierliche Immatrikulation für das' Winter-
Semester 1921/22 statt. Der Rektor, Prof. Dr. Beer, machte die
Erschienen auf die Bedeutung deS Aktes aufmerksam. Insbeson-
dere ermahnte er die nichtdeutschen Studierenden, sich der deutschen
Gastfreundschaft, die ihnen die Tore deutscher Wissenschaft öffnet,
würdig zu erweisen, die Art, wie in Deutschland Wissenschaft ge-
trieben wird, zu respektieren und sich zu überzeugen, datz zu den
Völkern, die sich Kulturnationen nennen, auch das deutsche Volk
gehört und zwar nicht an letzter Stelle. Studenten und Dozenten
bilden zusammen die civitas academica, beseelt von den; Geist
edler Humanität, der den einzelnen Studenten mit dem nötigest
Fachwissen für seinen künftigen Berus ausstattel. Aber nicht Slotz
zu Kärrnern und Handlangern der Wissenschaft sondern zu Bau-
meistern in ihr will die Universität ihre Jünger erziehen. Aber
die deutschen Hochschulen sind nicht blotz Lehr- und Lernanstalten,
sondern zugleich Forschungsstätten. Die Grundlagen des „akade-
mischen Staates" sind die gleichen, die den „Staat" überhaupt
tragen, symbolisiert in dem Fassendenschmuck des noch in seinen
Ruinen prächtigen Otto-Heinrichsbaus: Kraft, Tapferkeit, wissen-
schaftliche und sittliche Tüchtigkeit; Ehrfurcht, Treue, Wahrheits-
drang und frischer Wagemut. In der der Verpflegung der Stu-
denten dienenden Mensa academica wurden im Sommer rund
45 000 Essen, darunter ca. 3600 Freitische, verabreicht. Für dm
Winter hat die sürsorgeude Badische Regierung in dem Ncuen-
heimer Lehrerseminar billige Wohnung und Verpflegung für ca.
50 Studenten zur Verfügung gestellt. Sind auf der Universität die
Studenten im Allgemeinen die Empfangenden, so können sie durch
ihren unverwüstlichen Frohsinn, die jugendliche Begeisterung für
alles Edle in Natur und Geschichte auch ihren Lehrern ein schönstes

Zweites Festkonzert des Arbeiter-GefamgVsr--
eirrs „Sängerkrmrz" znr Feier seines 30jähr.
Bestehens.
Der Abend War „zeitgenössischer" Musik gewidmet. Er begann
mit Hans Pfitzners Ouvertüre zum „Käthchen von Heilbronn".
Diese Musik entstammt der frühen Schafsensperiode des Meisters,
Weist aber in ihrer Gestaltung schon ganz die charakteristischen Züge
des „leisten Romantikers" auf, wie auch die Instrumentation be-
reits typisch Psitznerische Farben bringt. Von der Poesie der Kom-
position allerdings ließ die Wiedergabe am Sonntag das meiste
nur erahnen. Daß das Werk immerhin einigermaßen gelang,
ist nur der Routine unseres städtischen Orchesters zu danken, das
sich auch wieder zusammensand, als gegen Ende beim Uebergang
in Halbe ganz unvermittelt nahezu doppeltes Tempo genommen
wurde. Es folgten zwei a capella-Chöre Bruno Stürmers,
die bei dieser Gelegenheit ihre Uraufführung erlebten. Der erste
mit einem Brentanotext ist zweifellos der stärkere und bedeutendere,
doch fehlte seiner Wiedergabe jene seelische Vertiefung, die eine
eindringliche, e Wirkung ermöglicht hätte. Der Chor gab sich wacker
Mühe, die Scywierigkciten der Komposition zu bewältigen, liess es
jedoch bei mancher Dissonanz zweifelhaft, ob sie in der Partitur
steht oder auf Jntonattonsschwankungen beruhte.
Darauf brachte man ein Violinkonzert des gleichen Kompo-
nisten in d-moll, das mehr als die Chöre eine Beurteilung des
produktiven Schaffens Bruno Stürmers zulätzt. Formal weist es
eher in die klassische Gattung als in das Gebiet der neuen Musik:
es variiert in drei Sätzen dasselbe Thema, von denen der mittlere
sogar regelrechte Dreiteilung aufweist und der letzte ausdrücklich
als Rondo bezeichnet ist. Harmonisch bringt es kaum Neues und
auf dis Instrumentierung hält sich in gewohnten Bahnen. Die
thematische Entwicklung ist stellenweise recht reizvoll, doch ohne be-
sondere Originalität. Frau Elisabeth Stürmer spielte den
schwierigen Solopart. Sie hatte tonltch schwer gegen die Orchester-
dynamik anzukämpfen, die den kleinen Ton ihrer Geige leicht über-
wucherte. Ihr für eins Fran recht respektables Können, über das
früher schon einiges gesagt wurde, bewährte sich, von etlichen Trü-
bungen der Tonretnheit und gelegentlichen rhythmischen Schwan-
kungen abgesehen, von neuem.
Das Eindrucksvollste gab mau mit einem Werk Camillo Horns,
eines Brucknerschülers, de m„Gotenzug" für Männerchor mit Or-
chester. Musikalisch wertvoll, im Schwierigkeitsgrad der schwerer-
ren Hcaarchöre und mit stimmungsreicher Ausmalung des Textes
gab de. Chor den Sängern Gelegenheit, die Entwicklung ihres
Könnens zu zeigen, das in manchem noch der Abschleisung und
Ausfeilung bedarf, jedoch bereits eine recht wirkungsvolle Inter-
pretation dieses Chores ermöglichte.
Den Abschlutz bildete der erste und fünfte Satz aus deut Bu-
sonischen Klavierkonzert. Es ist mir unmöglich, danach über das
Werk zu sprechen. Genau so wenig, wie es möglich sein wird, etwa
ein Gedicht zu beurteilen, oder ein Schauspiel, von dem man einem
nur die erste und die letzte Strophe oder den ersten und den 'stuften
Akt vorsetzt. Die beiden ausgefiihrteu Sätze mögen die „zwei

Beschenk geben. ' Mit ernstem Fleitz und in rechter BurschLUlust
die st'udentenjahre .zugcH'raHi - dann wird noch gern der Greis
mit in.nn-er Bewegung die Dichterworte nächsprecyen:
Student sein, wenn die Veilchen blüh«,
das erste Lied der Lerche singt;
der Maiensonne junges Glühn
triebweckend in die Erde dringt.
Student sein, wenn die Weißen Schleier
vom blauen Himmel grüßend Wehn.
Das ist des Lebens schönste Feier,
Herr, laß die Zeiten nie vergehn!
Universität Heidelberg. Uebersicht üb er die Z ah i de»
Studierenden. Im Sommer-Semester 1921 betrug die Ge-
samtzahl der Studierenden 2941. Ausgeschieden sind durch Exma-
trikulation, Verzicht usw. 1020. Für das Winter-Semester 1921/22
sind verbtteven 1921. Neuzugang 406. Stand am 5. November
1921 2327. Vorgsmerkt sind 44 Studierende. Verteilung aus
die Fakultäten: Theologische Fakultät: Alter Be-
stand 107, Neuzugang 22, zus. 129. Juristische Fakultät:
Alter Bestand 364, Neuzugang, 92, zus. 456. Medizinische
losophische Fakultät: Alter Bestand 295, Reuzugang 40,
Fakultät: Alter Bestand 506, Neuzugang 101, zus. 607. P h i-
sophische Fakultät: Atter Bestand 649, Neuzugaug 151,
zus. 800. Naturw.-matherrral. Fakultät: Atter Bestand
295, Neuzugang 40, zus. 3S5.

Morgen Dienstag abend 7 Mr Sitzung des Ortsveremsvor-
standes im Parteisekretariat.
Das Bauprogramm für die Neckarkanaltsation. In der am
Samstag in Stuttgart abgehaltenen Aktionärsversammlung der
Neckar-A.-G. berichtete Aufsichtsratsmitglied Oberbaurat Conz Über
die Pläne der Neckar-A.-G., na chdenen zunächst die Strecke zwischen
Heidelberg und Mannheim mit einem Kostenaufwand von rund
800 Millionen, ferner die Arbeiten Sei Neckarsulm-Horkheim mit 210
Millionen in Angriff genommen werden. Weiter ist beabsichtigt, in
Bälde mit den Arbeiten bei Oberesslingen (45 Mill.) zn beginnen
und autzerdem noch eine Staustufe Sei Pfarrhausen und Overtürk-
hsim anzulegen. Dieses Bauprogramm erfordert insgesamt 620
Millionen. Autzerdem sollen noch zwei weitere Staustufen Sei
Münster und Aldingen aus geführt werden. Bis Ende 1925 rech-
net man mir der Fertigstellung der Staustufen auf badischem und
bis 1923 der Staustufen aus württemvergjschsM Gebiet.
Aus der attkstholischen Gemeinde. Heute abend 8)1 Uhr
spricht der Stadtpsarrer der altkatholischen Gemeinde H. Hüt-
wohl im Saale des „Prinzen Max", Marstallstratze, Wer das
Thema: „Ist der Alt-Katholizismus noch zeitgemäß?".
Kleine Kinder nicht ohne Aussicht auf die Straße lassen. Unter
einen Wagen der Straßenbahn geriet am 5. ds., mittags f^1 Uhr
Sei der Hauptstraße und Leyergasse ein zweijähriges Taglöhners-
kind aus der Leyergasse, das sich mit seinen 4- und 8jährigen Ge-
schwistern aus der Hauptstraße tummelte. Während die anderen
Geschwister kurz vor dem heransahrenden Straßenbahnwagen über
die Hauptstraße sprangen, blieb das 2jährige Kind stehen und lief
in dem Augenblick, als der Wagen vorübersuhr, in denselben
hinein. Durch Winden mutzte der Wagen gehoben werden, um das
Kind, das schwere, aber nicht lebensgefährliche Verletzungen davon-
trug, aus seiner gefährlichen Lage zu befreien.
Rasch tritt der Tod den Menschen an. Aus Kehl wird gemel-
det: Der 72jährige Pensionär Wilhelm Knapp von Heidelberg,
der am Allerheiligentage das Grab seiner Frau in Straßburg be-
suchen wollte, wurde am Bahnhof von einem Herzschlag betroffen.
Wie die „Kehler Zeitung" erfährt, wird die Leiche mit der Zu-
stimmung der französischen Behörde nach Straßburg überführt und
im dortigen Familiengrab Seigefetzt.
PersoualnachrichLett. Wie der „Staatsanzeiger" meldet, wur-
den Studienassessor Otto Matthes aus Wiesbaden zum Turn-
lehrer an der Universität Heidewerg und der akademische Turn-
und Sportlehrer Heinrich Buch geister zum Turnlehrer an der
Universität Freiburg ernannt.
Hilfe für Kleinrentner. Die Kleinrentner, die sich infolge der
Geldentwertung in schwerster Not befinden, sind bei der Reichs-
regierung um Maßnahmen zur Linderung ihrer bedrängten Lage
vorstellig geworden. Sie verlangen einen Gesetzentwurf, wonach
allen Rentnern, die über 60 Jahre alt sind und deren jährliches
Einkommen 6000 Mk. nicht übersteigt, eine jährliche Unterstützung
aus Reichsmitteln gewährt wirb.
EwgessNÄt.
Ein Urteil des Mieieinigungsamt, das nicht z» verstehen ist.
Ich war von 1. Oktober 1919 bis 15. April 1S20 Besitzer des
Hauses zur „Gold. Glocke", Fischmarkt 1. Am 15. 4. 20 verkaufte

schönsten" sein und „miteinander im engsten Zusammenhang stehen"
(wie es in der Einführung hieß), vom künstlerischen Standpunkt
aus betrachtet, bedeutet ein solches willkürliches Auseinanderreißen
und Zerstückeln eine unverzeihliche Entgleisung. So kann ich nur
feststellen, daß Fräulein Elisabeth Moritz am Klavier eine
ganz famose, perlende Fiugertechntk zeigte und in den Akkord-
passagen einen kräftigen, nie harten Anschlag, so daß wir die Pia-
nistin gern einmal in einem Werk hören möchten, in dem sie auch
Gelegenheit hat, ihre künstlerisch-musikalischen Fähigkeiten zu be-
weisen. Die grotzdynamische Steigerung gegen Ende verleitete den
Chor zu einer letzten Verausgabung zum Nachteil einer schönen
und vornehmen Tonbildung.

Es ist gewiß erfreulich, datz Herr Bruno Stürmer sich mit sol-
cher Tatkraft für die zeitgenössischen Künstler einsetzt und Auffüh-
rungen ihrer Werke vermittelt. Ebenso erfreulich ist es, wenn man
ein Streben sieht, Las künstlerische Niveau der Männergesangver«
eine zu heben und statt des sattsam bekannten „Liedertaselstil"kitschS
wertvolle Musik zu pflegen. Und ich selbst habe Optimismus genug,
an die Möglichkeit künstlerischer Volkserziehung zu glauben. In
einem Arbeitergesangverein aber gleich einen ganzen Abend „Zeit-
genössische" Musik zu bringen, heiße ich den Hausbau beim Dach
ansangen. Es ist gewiß nicht so, daß der Werktätige von der neuen
Kunst ausgeschlossen sein soll. Aber ich fürchte, datz er sich auf
diesem Gebiet, das selbst den Geschulten und Eingeweihten heute
noch so sehr problematisch ist, nicht wird zurechtfinden können. Man
hat ciugesehen, datz es ein Unding war, in Volkshochschulkurse»
wen über Kants Kritik der reinen Vernunft zu hatten,
dem, für den diese Vorlesungen bestimmt sind, ein Gr-
und eine Einstellung vorhanden ist, denen solche Gebiete
u ,.,ue weiteres zugänglich sind. Genau so unmöglich scheint
es nur, Bindungen und Beziehungen Herstellen zu wollen zwischen
unserer neuen Kunst und dem unkompliziert empfindenden und in
nichts vorbereiteten und geschulten Mann aus dem Volk. Der „Ro-
mantikerabend" im April stand dem Verständnis sicher unendlich
viel näher als dieser „zeitgenössische", und trotzdem gab es damals
Zuhörer genug, die selbst mit der nicht eben „schweren" Schubert-
scbcn H-moll-Sinsonie nichts anzufangen wußten und sich lang-
weilten. Erziehung zu mmustkalischen Geschmack und Verständnis
ist eine harte und schwere Arbeit und das erstrebte Ziel kann nicht
erslogen werde«, sondern braucht ein Ansteigen von Stufe zu Stufe.
Grundlage dazu aber ist für die Männergesangvereiue doch wohl
vor allem die wahre Volkskunst, das echte, alte Volkslied und jede
von ernste mWillen getragene Entwicklung müßte von hier aus-
gehen.
Man mag meinen Standpunkt für den Rückständigen halten.
Er gründet sich auf Erfahrungen eigener Praxis und auf so
manche Beobachtung am Konzertabend. Vom künstlerisch-kritischen
Gesichtspunkt aus erheben sich gewichtige Bedenken gegen den
neuen Kurs des „Säugerkranzes".Es bleibt die Frage, ob die Sän-
ger selbst den ungewohnten Weg mit Freuden und Genuß
gehen, und ob der begeisterte Beifall wirklich überlegt, über-
z e u g t und ehrlich war. Ist das der Fall, dann wäre das sicher
in mehr als einer Hinsicht erfreulich. Vorläufig scheint mir Grund
genug, daran zu zweifeln. Michel Rühl.

sch dasselbe an eine Frau Rtdinger unter der Bedingung, beM
wurde im Kaufvertrag ein Passus ausgenommen, wonach ick im
Hause, bis ich eine Wohnung gefunden habe, wohnen blcwe»
könnte. Frau Ridinger verkaufte am 1. April das Haus ar.,
den derzeitigen Besitzer Osche-Haas. Stets bemüht, eine Woha
nung zu finden, wurde ich solange Frau Riding er das Gv!
schäft hatte, vom Wohnungsamt mit der Begründung abgewiesen,
der neuen Besitzerin stände hier keine Wohnung zu, ich müsse i»
meiner Wohnung verbleiben. Entgegenkommenderweise irai ich
dem neuen Besitzer meine Wohnung, welche aus einem großen
Daume bestand und im ersten Stock gelegen war, gegen 2 kleine
in: 2. Stock ab. Nachdem unten« 2. Juli die Kündigung gegen
mich -ausgesprochen wurde, erhielt ich nochmals vom Wohnungs-
amt eine Zuschrift, es könne mir keine Wohnung zugewiesen wer-
ben, da Herrn Osche-Haas hier keine Wohnung zustände. Un-
ternr 8. August ds. Js. wurde vom Gemeindegericht Räumungs-
urteil sowie Tragung der Kosten gegen mich ausgesprochen. Eine
Wohnung wurde mir aber trotzdem vom Wohnungsamt nicht
nachgewiesen. Aus 10. 9. 21 erhielt ich eine Vorladung vom Miet-
einigungsamt belr. Wietsteigeruug. Der Besitzer beantragte als
reine Miete für die beiden Zimmer 60 Mk. im Monat. Nachdem
ich beim Termin an Hand meines Quittungsvuches nack-gewissen,
datz ich diesen Betrag bereits bezahlte, wurde vom Vertreter des
Besitzers Herrn Rechtsanwalt Dr. Ka-ufmann beantragt, rrese
Summe aus 100 Mk. pro Monat zu erhöhen, was ich ablehntc zu
bezahlen. Nun wurde vom Mieteinigungsamt beantragt, die beiden
Zimmer, in welchen kein elektr. Licht, kein Gas, kein Ofen, noch
Herd sich befindet, Kelleranteil wurde mir ohne weiteres vor eini-
ger Zett entzogen, von einem Hotelfachmann einschätzen zu lassen.
Dies Gutachten lautete dahin, daß die beiden Zimmer als Woh-
nung zirka 500 Mk. im Monat wert seien, dagegen als Hotttzim-
mer, im Monat 480 Mk. einbringen könnten und wurde ich beim
Termin am Mittwoch verurteilt, 150 Mk .im Monat zu bezahlen.
Da auf dem gleichen Stockwerk sich noch weitere 7 Zimmer befin-
den, welche zusammen Z mal die gleichen Räume wie meine 2
Zimmer abgegeben würden, so wäre dies für ein Stockwerk eine
Miete von Mk. 7200 und dazu in der Altstadt. Nach meiner An-
sicht dürfte es überhaupt nicht stattsinden, datz ein Rechtsanwalt,
wie Dr. Kaufmann, der anscheinend Aber das ganze Micteini-
gungsamt zu befehlen hat, bei gegebener Gelegenheit den Bürger-
meister vertritt, auf der anderen Seite einen Hausbesitzer ver-
treten. M.

Gsmchtshslle.
Freiburg, 4. Nov. Eine 14köpfige SchieSergesellschast, die
den Schleichhandel mit Kokain, Morphium und Salvarfau betrieb,
hatte sich vor der Strafkammer zu verantworten, die den Geschäfts-
führer Joses Schnock aus München-Gladbach zu 6 Monaten Ge-
fängnis und 10 000 Mk. Geldstrafe, den Privatmann Heinrich Jesus
aus Zell a. H. zu 4 Monaten Gefängnis und 5000 Mk. Gelöst rase,
den Kaufmann Johann Georg Guth aus Kittersburg zu 2 Mona-
ten Gefängnis und 1000 Mk. Geldstrafe verurteilte. Wetter er-
hielten zwei Angeklagte je 2000 Mk. und 6 Angeklagte je 1000 Mk.
Geldstrafe. Weiter verurteilte das Gericht die 24jährige Berta
Grellmann aus Reutlingen, eine ganz gefährliche Diebin, zu 3
Jahren 2 Monaten Zuchthaus. Ihre Spezialität waren Pcn-
sions- und Gasthosdiebstähle, die sie in Nürnberg, Heidelberg,
Donaueschingen und Freiburg beging.


VeVfKmmlrwgsZalTKdLr.
Arvritergesangveretn Haudschuhsheim. Morgen Dienstag abcu'o,
pünktlich 8 Uhr: Gesamtprobe. In Anbetracht unteres
Konzertes an: Sonntag ist es Pflicht aller Sänger vollzählig
zu erscheinen.

SiadLLHsaiTV-SpiSlplaN.
Dienstag, 8. Nov. a. M. „Wiener Blut". Anfang 7*/, Uhr.
Mittwoch, 8. Nov. Miste „Cavallerie rusticcma" und „Bajazzo".
Anfang 7'/<r Uhr.
Donnerstag, 10. Nov. s. M. „Die Jungfrau von Orleans". An;ang
7'/- Uhr.
Freitag, 11. Nov. Miete 8 im Stadtthsater „Doppelselbstmord". An-
fang 7*/s Uhr. W60
Freitag, 11. Nov. in der Stadthalls 1. Veranstaltung dsr Theatsr-
und Musikgemeinschaft „Fidelio". Anfang 7 Uhr.
Samstag, den 12. Nov., a. M. „Ihre Hoheit, die Tänzerin". An-
fang 7>L Uhr.

StadtthLKter.


Wiener Blut.
Operette in 3 Akten. Musik von Io h an n S tr äutz.
Gern zollt man der leichtgeschürzten Muse ihre Daseinsberech-
tigung, ja freut sich sogar ihres Daseins, wenn sie sich in solchen
feschen Gewände zeigt, wie in dieser Operette. Die stammt noch
aus dem Jahre 1899 (übrigens dem Todesjahr Meister Johanns).
Da trieben die „süßen Mädel", die „Faschingsfeen" und „Holland-
Weibchen" mit ihrer falschen, abgeschmackten Sentimentalität iw'h
kcin Unwesen, fehlte der Kinoeinschlag in der Operette. An Stelle
süßlicher Rührseligkeit herrschte Laune, Uebermut, Stimmung auf
der Bühne, vor allem aber auch echte fidele Stimmung im Orchester.
So auch im „Wiener Blut". Man nimmt den in „weanerische
Gemütlichkeit getauchten Unsinn der Handlung Pariser Musters
gern in Kauf, vergißt das zwangsläufige der der Musik angepasst:«
Texte und gibt sich dem Rhythmus Strautzscher Walzer und ande-
rer Tanzarten vollständig gefangen. Und bars sagen: der Bearbeitrr
Adolf Müller jun. hat gute Auslese getroffen, als er diese mach'-
vollen Wiener Tanzrhythmen in den Rahmen dieser Operette
spannte. So etwas, wie ein hohes Lied auf den Wiener Walzer
schuf, bei dem «och obendrein Vater Lanner mit dem alten
„Schönbrunner" einige Takte lang sekundiert. Was beim „Drei-
mäderlhaus" zum gröbsten Unfug wurde, „ich sags, wie's is", im
„Wiener Blut ist die Verwendung der alten guten Straußscheu
Tänze eine lobenswerte Tat. Das prickelt und zwirbelt und zuckt
und packt, datz Köpfe und Füße das Stillhalten vergessen. O, In
herrliche Gegenwart des „Ox- und Foxtrott", des famosen „Jazz"
und „Shimmy" und wie die Tanzverrücktheiten unserer zeitgenössi-
schen Jugend heißen! Was wft-gt dieser ungezählte musikalische
Blödsinn gegen eine einzige Straußsche Tanzmelodis. Das eine
nichts wie Nervenkitzel, das andere dagegen Laune, Uebermut,
Frohsinn, Stimmung.
Nun zur Ausführung, der ersten Wiederholung am Freitag.
Kapellmeister Feder scher hatte die musikalische, Fritz Daurer
die szenische Führung. Aus festen Fützen stand die Wiedergabe,
fleißige Vorarbeit war erkennbar. Kapellmeister Fed erseh er
bestätigte sich wiederum als gewandter, geschickter, temperament-
voller musikalischer Führer, der mit seltener Lust und Freude diri-
gierte, der mir dem Orchester echte Straußsche Musik spielte. Auch
das Operetten-Ensemble war in vorzüglicher Stimmung. Ina
Kniep (Gabriele) frisch, vornehm, von hervorragend darstelle-
rischer wie musikalischer Qualität. Erna Hertel (Pcpi) sine
reizende, waschechte Probiermamsell. Fritz Daurer (Fürst) wie-
derum ohne jede Uebertreibung, dadurch feinkomisch, wirkungsvoll.
Fred Schommer (Josef) in jeder Beziehung eine erstklassige
Leistung schassend. Georg Rippberger (Balduin) Wohl noch
ein wenig farblos, Verträgt noch einen Schutz „Wiener Blut", aber
doch zufriedenstellend, da er das Gesangliche seiner Partie dankens-
wert bewältigte. Etwas trocken wirkte auch D. Kir sch (Tänzerin
Cagliari), welche die Partie für Eugenie Casal übernommen hatte.
Ihr fehlt noch reichlich der sogenannte Operettenschmitz. Eine kleine
Wirkungsvolle Studie gab Paul Kastner (Fiakerkutscher). Der
Erfolg war auch in der Wiederholung dieser Operette ein ausge-
zeichneter. Der Theaterleitung aber sei der Dank nicht vorsrtt-
halten, datz sie dieses Werk aus den Spielplau setzte. Bravo!
F. M .
 
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