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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 281 - Nr. 290 (1. Dezember - 12. Dezember)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen,
Adelsheim, Boxberg, Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich eiwchl. Trägerlohn 6.— Mk. Anzeigenpreise:
Tie einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 1.50 Mk., Reklame-Anzeigen
(SS mm breit) 4.— Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
EclMmnnttelanzeigen werden nicht ausgenommen.
Eeschäftsstiinden: 8—Hz6 Uhr. Sprechstunden derRedallion: ll—12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr 22b/7. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, 1. Dezember 1921
Nr. 281 * 3. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere «.äußerePolitik, Volkswirtschaft u.Feuilleton:
Tr. E Kraus; für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Deibel; für die Anzeigen: H. Horchler, sämtliche in Heidelberg.
Truck ».Verlag derUnlerbadischen Verwgsa istalt G.m.b.H.,Heidelberg.
Geschäftsstelle: Schröderstraße 3g.
Fernsprecher: A-:ze>geu-An,rahme 2 !71, R'drktion 2348.

Bismarcks Schatten.
Gedanken zu Robert Riemanns „Schwarzrotgold".
Von Dr. Hermann Kantorowicz, Professor an der
Universität Freiburg i. Br.
II. (Schluß.)
So ging gräßlich in Erfüllung, was der junge Bismarck
nach Olmütz prophezeit Hane, als er den Krieg gegen Oesterreich
genannt hatte einen „schmachvollen Untergang, selbst im Siege."
Aus wie vielen Briesen, Reden und Auszeichnungen jener Tage
spricht nicht jener jähe „Untergang"! Ich möchte wenigstens eine
Stelle beisteuern: „Es ist das Gefühl der tiefsten Entrüstung",
schrieb Rudolf IHering am 1. Mai 1866, dem ich Worte leihen
muß: „Mit einer solchen Schamlosigkeit, einer solchen grauenhaften
Frivolität ist vielleicht nie ein Krieg augezetielt worden wie der,
den Bismarck gegenwärtig gegen Oesterreich zu erheben sucht. Das
innerste Gefühl empört sich über einen solchen Frevel an allen
Grundsätzen des Rechts und der Moral... der einfache Sinn
eines ehrlichen Menschen reicht an einen solchen Abgrund von Per-
fidie d. h. nicht einmal zum bloßen Verständnis derselben, heran.
Man fragt sich staunend: ist es denn wahr, daß Lügen, welche die
ganze Welt als solche erkennt, von oben herab als Tatsache ver-
kündet werden können? . . . Ach, was müssen wir erleben, welche
grauenhafte Zukunft steht uns bevor!"
Aber — Mottkes Schlachtrotz siegte (um eine Nasenlänge),
und so schreibt derselbe Mann am 19. August desselben Jahres:
„Ich beuge mich vor dem Genie eines Bismarck, der ein Meister-
stück der politischen Kombination und Talkrast geliefert har, wie
die Geschichte wenige kennt. Wie wunderbar bat der Mann alle
Fäden des großartigen Gewebes gesponnen, wie fest und sicher,
daß keiner derselben ritz . . . kurz, ein Meisterstück der Berech-
nung. Ich habe dem Mann alles, was er bisher getan hat, ver-
geben, ja, mehr als das, ich habe mich überzeugt, datz es notwen-
dig war, was uns Uneingeweihten als freventlicher Ucbermut
erschien! Es hat sich hinterher herausgestellt als unerläßliches
Mittel zum Ziel. Der Mann ist einer der größten Männer unseres
Jahrhunderts; es ist mir eine wahre Erquickung, einen solchen
Mann miterlebt zu haben; ich gebe für einen solchen Mann der
Tat, nicht der leichtsinnigen, sondern der politisch und moralisch
in gleicher Weise beherzten und gewappneten Tat, hundert Männer
der liberalen Gesinnung, der machtlosen Ehrlichkeit. Hätte ich das
vor neun Wochen geglaubt, datz ich noch einen Dithyrambus auf
Bismarck schreiben würde!"
So schrieb einer der leidenschaftlichsten Denker der Gerechtig-
keit, die Deutschland hervorgebrachl bat, der große Verfasser des
Buches vom „Kamps ums Recht"! Was mußte da erst am „dürren
Holze" geschehen! Bet Jhering doch wenigstens ein schwacher
Nachhall des alten Deutschland in der Redensart von der „mora-
lisch beherzten Tat"; bei den meisten anderen Bürgern wird einfach
der moralische Maßstab beiseite gelegt und der technische des Er-
folges zur Hand genommen: „liberale Gesinnung" gleich „macht-
lose Ehrlichkeit"; das „Meisterstück der Berechnung" rechtfertigt den
„Abgrund von Perfidie" und nur noch ein Grundsatz gilt: der,
keinen zu haben. Ob die Rcichsgründung anders möglich war
als aus dem Wege Bismarcks, kann niemand beantworten, und
sollte also niemand fragen, aber das wissen wir, datz sie um diesen
Preis zu hoch bezahlt war.
So läßt Niemann, indem er diese schwere Schuld des deut-
schen Bürgertums nicht genügend ans Licht zieht, allzu dunkle
Schatten auf Bismarcks dämonische Gestalt fallen. Dennoch liegt
in dieser Haltung Bismarck gegenüber die gerade heute wichtigste
Seite der Schrift. Politische Ideen müssen auch in ihren Trägern
bekämpft werden. Da aber gibt es noch viel zu tun! Welch eine
gefährliche Begriffsverwirrung zeigte sich diesen Sommer in weiten
Kreisen des deutschen Volkes, als cs am Standbild Bismarcks,-
der das Sclbstbcstimmungsrecht der Schleswiger und der Hanno-
vcianer, der Elsässer und Lothringer nicht einmal in Erwägung
gezogen hat, denen fluchte, die dieses Recht (Beweis: Marienwerder
und Allenstcin, Beuchen und Flensburg) immerhin teilweise an-
erkannt und geschützt haben — und gleichzeitig, aus Vismarcksäulen
Sonnenwendfeuer entzündend, den Abstimmungstag in West- und
Ostpreußen festlich beging! Man sehnt sich nach der Wiederkehr
des Mannes, der Hunderttauscnde von Elsässern — teils deutsche,
teils französische „Volksgenossen" —- gewaltsam losriß von dem
Lande ihrer einmütigen Liebe und in die Uniform des Erbfeindes
steckte, und sendet gleichzeitig flammenden Protest gegen den Be-
schluß in die Welt, Hunderttausende von Oberschlesiern, deutscher
wie polnischer Zunge, wider ihren Willen von ihrem Valerlande
abzutrennen!
Wir müssen und wollen ankämpfen Mann für Mann «egen
das Marterwerkzeug von Versailles: aber unter der schwarz-wciß-
rolen Fahne kann dieser Kampf unmöglich gesühri werden! Des-
halb führt der Weg ins Freie für Deutschland nur über die
Trümmer des Bismarck-Kultus. Die Welt muß ja
solche Proteste so lange als Heuchelei betrachten, als sie nickst weiß,
daß sie emporquellen aus einer entschiedenen, wenn auch vielen
nur unklar bewußten und deshalb in den alten Gesühlsbahnen
verfangenen Umwandlung unserer Willensrichtung.
Deutschlands einmütige Auflehnung wider das Werk von Ver-
sailles ist nicht, wie das Ausland vielfach meint, künstliche Mache
oder nur der Aufschrei des Geschädigten, sondern stammt aus einer
tiefen und tief enttäuschten Sehnsucht nach Gerechtigkeit und
wahrem Frieden. Bewußt geworden ist diese Umwandlung
in der deutschen Jugendbewegung, soweit sie wirklich jugendlich ist.
Es gilt das also ganz und gar nicht für unser Verbindungs-
studententum, das lediglich die alten Ideale sesthalten will. Mag
es fortfahren, nach dem starken Mann, dem neuen Bismarck, zu I
rufen, mag es weiterhin (wenn das „deutschnational" heißen kann),
die deutsche Nation durch die Behauptung lästern, daß sie I

Am 2. Dezember Botschafterkonferenz.
Die Aufhebung der militärischen Sanktionen.
Paris, 30. Nov. Die Botschafterkonferenz wird am 2. De-
zember zusammentreten, um sich mit der englischen Note über die
Aufhetzung der militärischen Sanktionen am Rhein, das heißt mit
der Frage der Räumung von Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort
und mit der Verminderung der militärischen Kontrollorganisationen
in Deutschland zu beschäftigen.
Unerhörtes Attentat gegen die
freie Meinungsäußerung an der Universität
Freiburg?
Die Freiburger „Vollswacht" schreibt:
Wie wir hören, wird in akademischen Kreisen mit Bestimmtheit
behauptet, der Akademische Senat der Universität Freiburg
versuche nunmehr, nachdem eine große Studcntenversammlung zum
Fall Kantorowicz Stellung genommen und einen für den Senat
unerwünschten Verlauf genommen hat, sctn Ziel auf anderem
Wege zu erreichen. Er soll nämlich Herrn Professor Dr. Kan-
torowicz verboten haben, sich in irgend einer Weise politisch
zu betätigen, die das nationale Empfinden großer Teile der
Professoren- und Studentenschaft verletzen könnte. Das heißt na-
türlich bei der bekannten monarchistischen und militaristischen Ge-
sinnung weiter Schichten der Professoren- und Studentenschaft
an der Freiburger Universität nichts anderes, als datz jede repu-
blikanische, pazifistische und insbesondere sozialistische Betätigung
in Zukunft verboten fein soll.
Wir halten diesen Eingriff in das verfassungsmäßige
Recht eines jede» Staatsbürgers, feine Meinung frei zu äußern
und seine politische Gesinnung uneingeschränkt zu betätigen, für
so ungcheuerlich, daß wir an den Senat der Universität Frei-
bürg das dringende Ersuchen richten müssen, sein diesbezügliches
Schreiben an Herrn Professor Dr. Kantorowicz in aller Oessrnt-
lichkeit bckauntzugebcn.
Das Vorgehen des Senats hat i« akademischen Kreisen große
Aufregung hcrvorgerufeu. Die auf dem Boden der republi-
kanische» Staaksverfassung stehenden Parteien haben alle Ursache,
der weiteren Entwicklung des Falles Kantorowicz die größte Auf-
merksamkeit zu schenken.
— sie allein unter den Völkern — sich nicht selbst regieren könne,
und sich dann Wundern, wenn die anderen uns demgemäß ver-
achten. Für die eigentliche Jugendbewegung hingegen ist die
Ablehnung Bismarcks sicher festzustellen; es liegt in Deutschlands
dringendem Interesse, daß auch das Ausland von dieser Be-
wegung, gegen deren angebliches Uebermaß schon geschrieben wird,
Vermerk nehme. Es gilt das nicht nur für die s o z i a l i st i s ch e
Jugend, für die es selbstverständlich ist, nicht nur für die katho-
lische, die sich mehr als je um den Namen Windthorst schart, es
gift selbst in gewissem Maße für die „völkisch e" Richlung: denn
auch sie will los vom Materialismus der Vergangenheit, und das
heißt ja vom Macht-, Reichtum- und Erfolgstreben um jeden Preis.
Es gilt vor allem, wie ich bestimmt versichern kann, von weitesten
Kreisen der demokratischen Jugend.
So tut in unserem zerrissenen Volke ein neuer Abgrund sich
auf. derselbe, den Bismarck eingerissen, und in dem wir nun sein
eigenes Bild versinken sehen — blutenden Herzens, denn ihm folgt
die Liebe, die Begeisterung dreier Generationen, und einen Erben
hinterließ der Menschenzcrstörer nicht. Freilich: Den künstlerischen
Genuß an dem unvergleichlichen Schriftsteller, die intellektuelle
Freude an dem listenreichsten politischen Techniker der Neuzeit, die
ehrfurchtsvolle Bewunderung so beharrlicher Pflichttreue und Tat-
kraft, endlich die Nacheiferung in phrasenloscr Sclbstbeschcidung
unter nüchterner Abschätzung fremder und eigener Kräfte, all dies
werden wir uns niemals rauben lassen, wie ja auch Napoleon I.
von vielen Deutschen, Schweizern, Russen, Engländern, rein als
Genie, vergöttert wurde und noch immer wird. Am wenigsten
Werden wir uns in einer Zeit, die so arm an nationalen Gütern
geworden ist, den Slolz daraus rauben lassen, daß wir eine Riesen-
gestalt, die einzige der deutschen politischen Geschichte, unser nennen
dürfen. Aber wo wir nicht die formale Größe der Gaben, sondern
das Wollen und Wirken nach feinem inhaltlichen Werte messen, da
werden wir anders urteilen, und dies ist der Standpunkt des
Politikers, auch der politischen Jugend. Deshalb gehört diesem
Standpunkt die Zukunft.
Au der Losung „Zurück zu Bismarck" oder „Los von
Bismarck" werden sich mehr und mehr die Geister scheiden. Wir
werden in großem Maßstab hier die Kurve des Urteils erleben von
instinktivem Widerwillen über den Gipfel der Verhimmelung bis
zu kalt-kritischer Abschätzung, die wir im. kleinen an Vöcklin und
Wagner erlebt haben, und mit größerem Recht: denn was nur auf
dem Erfolg beruhte, mutz mit dem Mißerfolg untergehen. Der
Schauder, mit dem das deutsche Volk gerade jetzt den dritten Band
der „Gedanken und Erinnerungen" liest, — das schriftstellerische
Wunderwerk eines in Gift und Galle getauchten Griffels — wird
diesen Verlaus beschleunigen. Man braucht kein Prophet zu sein,
um zu wissen, daß Bismarck um 1960 wieder als das gelten
wird, als was er dem ganzen deutschen Volk 1860 gegolten Hai:
als Verführer des deutschen politischen Charakters und damit als
Urheber seines „Unterganges schon im Siege".

Politische Ueberficht.
Entscheidende Wendung in der Reparations-
politik.
Ein zweijähriges Moratorium? — RethenauS Arbeit.
Kabinettsrat in London.
Mirbachs Bureau meldet aus London: Mit der Lage, die
nach der nächsten Jnnuarzahlung Deutschlands für Deutschland
und die Ententestaatcn sich ergeben werde, beschäftigt sich die
Daily Mail auf Grund von Mitteilungen, die ihr aus angeb-
lich gutunterrichteten Kreisen zugegangcn sind. Danach beschäf-
tigt dieses Problem zurzeit die englische Regierung. Der Sturz
der deutschen Mark übe aus den englischen Handel eine zer-
störende Wirkung aus, so daß der deutsche Markt für englische Gü-
ter so gut wie gesperrt sei. Diese Tatsache hat das englische Mit-
glied der Rcparationskommisston Sir John Bradbury ver-
anlaßt, ein Memorandum auszuarbeitcn, das demnächst das eng-
lische Kabinett beschäftigen wird. Es wäre jedoch verfrüht» jetzt
schon zu sagen, daß das Ergebnis dieses Studiums ein von der
englischen Regierung auf ein oder zwei Jahre gewähr-
tes Moratorium sein werde. Wenn man zu dieser
Schlußfolgerung kommen würde, so geschehe cö nur, um eine
rasche Wiederaufnahme des englischen Handels zu ermöglichen.
England werde jedoch zur Bedingung machen, datz die deutsche Re-
gierung den Banknotcndruck cinstelle und für später eine
höhere Bcsteucru-ng der Industrie vornehme. In dem
genannten Blatt wird behauptet, daß nun auch die französische Re-
gierung die Schwierigkeiten der deutschen Lage erkannt habe, den-
noch würden die Zahlungen Deutschlands nicht erlassen wcrorn,
cs müsse nur einen Aufschub erhalten.
London, 30. Nov. (Berliner Tageblatt.) Rarhenau
wird wahrscheinlich heute vormittag von Lloyd George emp-
fangen werden. Auf Grund der Vorschläge, die Rathenau dem
Finanzministrr Horne überbracht hat, findet heute nachmittag
eine Sitzung des englischen Kabinetts über die Moraroriumssrage
statt. Bemerkenswert ist, daß die Kreise der City der Negierung
ein zustimmendes Gutachten über den Zahlungs-
aufschub für Deutschland erreicht haben. Der gestrige
Kabinettsrat und seine Tagesordnung werden durch eine kurze
offizielle Reutcrmeldung bestätigt.
»
Ans diesen beute morgen vorliegenden Meldungen ist zu er-
sehen, daß sich die Dinge in England jetzt ziemlich rasch entwik-
kcln. Erst vor einigen Tagen tauchte die Nachricht auf, datz
Lloyd George etne großzügige diplomatische Offensive für eine
neue Erfüllungspolitik plane und schon fand gestern in London
ein Kabinettsrat statt, der zu einem konkreten Moratoriumsvor-
schlag des Reparationskommisstonsmitglicdcs John Bradbury
Stellung zu nehmen batte. Falls sich diese Nachrichten bestätigen
ist also die Berliner Reise der Reparationskommission doch nicht
so ganz erfolglos gewesen. Gleichzeitig weilt ja noch Stinnes
und Haven st ein, nun auch Walter Rat Henau in Lon-
don, wahrscheinlich, um irgend ein Neparationssachleistungsab-
kommen mit England ähnlich dem Wiesbadener Abkommen mii
Frankreich dnrchzusetzen, hoffentlich mit günsti-geren Anrechnungs-
bedingungen.
Wir wissen heute noch nicht, was alle diese Verhandlungen ft
den nächsten Tagen und Wochen für Resultate zeitigen werden
Sicher aber ist, daß der Gedanke der Revision des Londoner Re-
parationsplanes mächtig marschiert, was nicht zuletzt Folge dci
ehrlichen Crfüllungspoliiik des Kabinetts Wirth ist. Wir babcr
hier stets den Standpunkt vertreten, der Fvicdensvertrag muß ar«
seinen eigenen ökononrischen und politischen Unvernünftigkeite»
zerbrechen. Wenn jetzt wieder der Volkspariciler Hugo die Er-
f llumgspolitik der Regierung Wirth unsinnig nennt und ihr der
Vorwurf macht, sie tue zu wenig zur Revision, so ist das eitel Par-
icidcniagogie, die jedes klare außenpolitische Denken vermisse»
läßt. Wenn wir immer wieder sagen: ir-ir können und wollen
nicht erfüllen, dann glaubt uns das kein Mensch, daun wird dal
als böser Wille auSgelcgt und nützt uns gar nichts. Wenn wir
aber mit allen Kräften an eine Erfüllung gehen, dann werden dir
Folgen für die Weltwirtschaft ganz von selbst die Revision er-
zwingen. Bereits heute sind wir an diesem Wendepunkte ange-
laugt, und darum muß dieser Weg zu Ende gegangen werdens
denn nur er führt Len Friedcnsvertrag ad absurdum.

Parteitag der Deutschen Volkspartri.
Stuttgart, 30. Nov. Heute vormittag trat hier zur Ein-
keilung des Parteitags der Zentralvorstand der Deutschen Volks-
partei zu einer Sitzung zusammen. Dr. Stresemann konnte infolge
einer leichten Erkrankung an dieser Tagung nicht tcilnehmen, wird
aber voraussichtlich zur Eröffnung des Partciiags in Stuttgart
eintressen. Der Zentralvorstand wies mit über rund 250 Teil-
nehmern eine fast vollzählige Besetzung auf. Der 1. Punkt der
Tagesordnung betraf die politische Lage. An Stelle von
Dr. Stresemann erstattete Abg. Dr. Hugo hierzu den Bericht. Er
führte u. a. aus: Im Mittelpunkt unserer Politik müsse das Stre-
ben stehen, den auf Deulschland lastenden Druck der Gewalt zu
beseitigen. Die Politik deck Erfüllung sei eine Illu-
sion. Gegen die Unsinnigkeit der BcsatzungSpolitik müsse Front
gemacht werden. Man vermisse es bei der Regierung, daß sie
nichts unternehme, um den Beweis gegen die SchuldlNge zu
führen. Dr. Hugo betonte, daß die KreditaMon der Industrie
keine Sache der Partei und daß die Deutsche Volkspartei für keine
Kundgebung des Reichsverbandes der deutschen Industrie verant-
wortlich sei. Die Zweckmäßigkeit der großen Koalition s-st sux
Deutsche Volkspariei nur dann geaeben, wenn sie inn«n-»w*b v-r
Regierung genügenden politischen Einfluß besitzt. Hierauf sprach
noch der preußische Kultusminister Dr. Boelitz. der hervorhob,
 
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