Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0052

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
> ****** *•

VORERINNERUNG.

In diesem zweiten Hefte des dritten Theils meines architektonischen Lehrbuchs habe ich im ersten Ka-
pitel, als Fortsetzung der Formenlehre, die Formenzusammensetzung ganzer Gebäude angegeben, um
den jungen Baukünstler schon frühzeitig auf die Bilder einzelner oder auf die Gruppirung verschiedener
Gebäude aufmerksam zu machen, damit er sich hierin gleichsam spielend übe, und dieselben, nach ihren
vielfachen Zwecken jezt schon in der äussern Gestallung als Ganzes betrachten lerne.

In dem zweiten Kapitel habe ich, zum Behuf von Schutz und Stärke dieser Formen, Fuss und
Deckel denselben beigefügt, und davon die architektonischen Glieder nach ihrer Zweckmässigkeit herzu-
leiten gesucht; dann in dem dritten und den folgenden Kapiteln eine systematische, von den Griechen und
Römern aufgefasste r Lehre der Verzierung architektonischer Glieder und Flächen aufgestellt.

Es wird zwar gewöhnlich die Verzierungslehre in den architektonischen Lehrbüchern erst am Ende
vorgetragen, wo die Anwendung derselben bei einzelnen Bauten zugleich gezeigt werden kann, allein da
ich sie hier alseine eigene Lehre zu behandeln suche, so mag sie sich wohl am schicklichsten dem Cyklus
der Formenlehre anreihen, so wie sie auch dem jungen Architekten Gelegenheit bietet, sich im freien
Handzeichnen zu üben, und dabei über alles, was Bild und Form ist, nachzudenken.

Zudem ist es auch bei dem weitern Studium der Holz- und Stein-Construclion sehr vortheilhaft,
wenn der Lehrling das Nothige, in Hinsicht auf Verschönerung und Veredlung, mit den übrigen techni-
schen Vorschriften in Verbindung zu bringen weiss, indem die Construction auf Erfindung neuer Verzie-
rungen von selbst hinleitet, wie denn die bekannten Verzierungen grösstentheils aus der Construction her-
vorgegangen sind, und das unbegrenzte Feld der Erfindung hierin noch bei weitem nicht durchlaufen ist.

Die Griechen und Römer, welche bei ihren Werken die Verzierungen auf den höchsten Grad der
Vollkommenheit brachten, sind hier wohl als die einzigen Vorbilder anzunehmen, da sie die architektoni-
schen Glieder in der zwekmässigsten Gestalt formten, und bei ihren Gebäuden, besonders ihren Tempeln,
jene natürlichen Verzierungen, welche, durch die Holz- und Stein-Construction, als ein ungesuchtes not-
wendiges Bedingniss entstanden zu seyn scheinen, bei jeder der drey Säulen-Ordnungen auf das Sinn-
reichste anzuwenden verstanden.
 
Annotationen