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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0131

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SIEBENTES KAPITEL.

HEBER DIE SiEULENSTlJ EHLE.

Die Säulenstühle, in so fern man sie unbedingt den Säulenordnungen als einen wesentlichen üieil beifü-
gen will, sind wohl eine Ausartung des guten Geschmacks, denn sie können nur bedingungsweise bei
Gebäuden, Ehrensäulen u. s. w., wo die Säule ein Ganzes für sich bildet, Statt haben. Man findet siedesshalb
auch nur in den spätem Werken der Architektur, wo die Baukunst, schon in Verfall war,, bei Gebäuden
angewendet und zu den Säulen als besondere Theile gezogen. Die Säulenstühle möchten wohl daher ent-
standen seyn , dass man zwischen den Säulen in den Sockel eines (Gebäudes die Treppen verlegte , wie
z. B. an dem Minerva-Tempel zu Assisi, und an andern Orlen mehr der Fall ist, wo die Treppen wegen
Abhang des Terrains nicht vorn an den Tempel gelegt werden konnten. Nach und nach haben denn
solche ähnliche Durchschnitte des Unterbaues gefallen , man hat sie ohne Noth nachgeahmt, bis endlich das
für die Säule übriggebliebene Sockelstück selbst zu einem Theile der Säule erhoben und von allen Seiten
mit Fuss- und Deckelgesimsen versehen wurde. Die alt-dorische Säulenordnung zeichnet sich besonders darin
aus, dass sie drei , vier und mehrere über einander stehende Staffeln oder Gradinen hat (Tab. XXIV
Fig. 18"), welche gewöhnlich 1/4 bis y3 der untersten Säulendicke hoch und breit sind, und zuweilen
gerade wie die Stufe a , oder wie die Stufe b unten mit einer kleinen Vertiefung auf einander ruhen.

Diese Vertiefung findet man auch selbst unten bei dem Säulenstamm c c an mehreren alt-dorischen
Tempeln *) , sie scheinen darum angebracht zu seyn , damit die Ecken des Steins bei der Säule nicht
abspringen und man an den Stufen den Auftritt von der Steigung um so mehr durch eine Schattenlinie
unterscheiden kann , indem es sich oft trifft, dass die Steigung und der Auftritt der Stufe ein gleiches
Licht erhalten , in welchem Fall alsdann dieser Schattenstreifen gegen einen Fehltritt schützt Die übrigen
Säulenstühle, bei welchen der Würfel ä Fig. 218 Tab. XXV und aa»*>a3 * Tab. XXVII oft 1 , a, 3, 4
Säulendurchmesser oder sogar ein ganzes Stockwerk hoch angenommen, sind zwar nach dem charakteristischem
Gehalte der Säulenordnungen, in Hinsicht auf Reichhaltigkeit der Glieder, wie Tab. XXIV Fig. 19" 193 und
Tab. XXV Fig. 20% 21% 21 3 bei den Hauptgesimsen gezeichneten Säulenstühle anzeigen, in ihren Fuss-
und Deckelgesimsen verschieden. Ausserdem aber sollte das Deckelgesims , wenn der Unterbau nicht
ganz glatt, wie Fig. 192 Tab. XXIV und 21" Tab. XXV zeigt, werden soll, niemals unter der halben
untersten Säulendicke hoch seyn , damit die Säule dasselbe nicht zu erdrücken scheine. Als der unterste
Theil des Säulenstuhls muss das Fussgesims noch um etwas höher als das Deckelgesims angenommen
werden. Es kann daher, wenn es die Höhe des Säulenstuhls erlaubt, eine Höhe bis zu dem Durchmesser
der ganzen Säule erhalten. Da übrigens der Säulenstuhl nur als Unterbau eines Gebäudes zu betrachten ist,

*) An dem Apollo-Tempel zu Delos und an einem Tempel zu Segesta sieht man ebenfalls solche Vertiefungen, sie scheinen aber nur darum
vorhanden zu seyn , um nach Fertigung des Tempels den übrigen Theil des Säulenstamms darnacli auszuarbeiten, was aber in der Folge unterblieb.
III. 3.* Heft. ()
 
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