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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0121

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SECHSTES KAPITEL.

UEBER

DIE HAUPTGESIMSE DER StEULENORDNUNGEN

WELCHE DEN HAUPTTHEIL UND MIT DEN CAPITiELEN DEN CHARACTERISTISCHEN

THEIL DERSELBEN BEZEICHNEN.

„ZiuR Vervollständigung meiner Ansichten über die drei verschiedenen Säulenordnungen und ihre bedingte
Anwendung habe ich verschiedene Hauptgesimse von alten Monumenten , in so weit solche für meinen
Zweck dienen, und solche die verschiedene Abweichung der einzelnen Glieder in charakteristischer Bezeichnung
auf die verschiedenen Ordnungen angeben , in diesen Blättern auf Tab. XXIV, XXV und XXVII. aufge-
zeichnet, und dann weiter die Construction dieser Theile in Holz anzuzeigen gesucht, um den jungen, studi-
renden Baumeister dadurch die etwaige Entstehung der Gesimse zu zeigen , und ihm eine Ansicht über die-
sen so oft verkannten Theil der Säulenordnungen zu verschaffen, nach welcher er sich etwa selbst eine Ab-
änderung in den Theilen des Hauptgesimses erlauben, oder auch nicht ganz zweckmäsig angebrachte Glieder
von alten Monumenten, welche er sonst der Hauptformen wegen nachzuahmen wünscht , verbessern und
verschönern kann, weil nicht alles, was aus dem Alterthum auf uns gekommen, schön , oder für unser Kli-
ma und unsere Sitten zweckmässig ist.

Dem dorischen Hauptgesimse und seiner Constructionsart könnte zwar die Construction des sogenannten
toskanischen Tempels, wie ihn Vitruv beschreibt, hier voran beigefügt seyn , allein da jene angegebene
Constructionsart Vitruv's in der Hauptsache nur darin von der toskanischen abzuweichen scheint, dass bei
dem toskanischen Tempel die Friesbalken weggelassen und das Dachgebälke, welches ein Viertel der Säulen-
höhe als Gesims vorspringen soll , unmittelbar auf den Architrav gelegt wurde, so übergehe ich , eine Auf-
zeichnung von diesem sogenannten Vitruv'schen toskanischen Tempel hier beizufügen , indem ich glaube,
dass man, ohne eine grosse Sünde zu begehen, auch den Friesbalken an allen drei Ordnungen in vielen
Fällen schicklich weglassen kann. Was übrigens den toskanischen Tempel selbst betrifft, so beschreibt
ihn Vitruv so unbestimmt, dass ein jeder Baumeister ein anderes , jedoch nie ein wohlgefälliges Bild von
demselben erhält, indem die Gestalt mehr einem tyroler oder Schwarzwälder Hause als einem Tempel gleicht
und desshalb, nach meinem Dafürhalten, weder in seiner ganzen Form , noch in seinen Theilen als Muster
des architektonischen Scharfsinns, noch als Schönheit aufgestellt werden kann.
 
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