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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0112

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DRITTES KAPITEL.

U E B E R DIE

VERJUENGUNG UND FORM DER S^ULENSTtEMME.

In Hinsicht auf Verjüngung der Säule findet man , dass sich dieselbe im Durchschnitt, wie es Tab. XXIII
Fig. i3 zeigt, eben so , wie der Diameter zur Höhe der Säule verhält, und um den gleichvielsten Theil
verjüngt. Wenn demnach die Säule, wie oben angegeben, 5,6,7 Durchmesser zur Höhe hat , so
theilt man den untersten Diameter in eben so viele gleiche Theile , als die Säule Durchmesser hoch ist,
und gibt dann dem obern Säulendiameter einen solchen Theil weniger. Diese Vorschrift für die Verjüngving
der Säulenstämme findet man beinahe durchaus bei den Säulenordnungen aus den besten Zeiten der Bau-
kunst angewendet, und sie scheint von der Natur der Baumstämme hergenommen zu seyn , indem sich der
kurze Baumstamm der Eiche weit mehr als der schlanke Stamm einer Tanne etc. verjüngt. Dass diese
Verhältnisse für die drei Säulenordnungen die angenehmsten und zugleich die sinnreichsten sind, kann man
sich am besten überzeugen , wenn man die auf Tab. XXII. Fig. 1 , 3 und 5, oder 2 , 4 und 6 angege-
benen Säulenverhältnisse in der Art über einander aufzeichnet, dass, wie bei Fig. 1« oder 2« , die dorische
Ordnung unten, die corinthische oben und die jonische in der Mitte , von gleicher Höhe auf einander zu
stehen kommen und dann nach einem dieser Verhältnisse den untern Diameter der dorischen und oben den
obern Diameter der corinthischen annimmt. Zieht man dann die Linien a b und cd, so ergeben sich
jene angegebenen Verhältnisse durch alle drei Säulenordnungen nach einer Verjüngung in einer Pyramidal-
form sehr maasgeblich. Diese Verjüngung verdient auch in Hinsicht auf die Mauerdicken und den Wider-
stand der Materien eine besondere Berücksichtigung, da es scheint, dass die Alten die Verhältnisse ihrer
Säulendickcn zu den Höhen hiervon abgeleitet haben. Die oben angegebene Verjüngung des Säulenstamms weicht
von dieser auf einander gestellten conischen Linie eben so viel ab , als bei vielen alten Monumenten der
Architrav oft breiter als der obere Säulendiameter ist, und darum oben Vor der Säulenrundung etwas
weniges vorspringt, durch die Capitäle aber wieder etwas verborgen wird.

Die Form des Säulenstamms findet man bei den Alten und selbst in den besten Zeiten der griechischen
Baukunst oft sehr verschieden ; bei manchen Gebäuden ist sie, wie Fig. i4 Tab. XXIII., nach oben
bemerkter Verjüngung.

1) Von unten nach oben in einer geraden Linie conisch.
 
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