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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0065

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ander unbemerkt, and der Viertelsstab und die Platte, Fig. 10 ti. l5, ebendieselben merkbar. Darum sind
diese beide Haupteigenschaften bei Anwenduug der architektonischen Glieder vorzüglich zu berücksichtige;!
weil, wie schon oben bemerkt worden, es nicht gleichgültig ist, ob an eine Fläche eine Hohlkehle oder
ein Stab gesetzt werde. Die Platte lässt sich wohl öfters für den Viertelsstab, oder für den rechten Kar-
nies, und die Viertelskehle öfters für den schiefen Ab- und Anlauf und den verkehrten Karnies anbringen,
nie aber kann man das Plättchen, den Stab und den rechten Karnies für die Hohlkehle oder für den
schrägen An- und Ablauf und den verkehrten Karnies anwenden.

Eben so sind die hier in Vergleich gegebenen Glieder in Hinsicht auf Licht uud Schatten, so wie
auf ihre scheinbare Starke zu einander, gerade von entgegensetztem Effekt und Ansehen, indem der
Stab das wirkliche oder Reflex - Licht da erhält, wo die Kehle ihre stärksten Schatten, und der Stab
körperlich da am stärksten ist, wo die Hohlkehle ihre Schwäche zeigt.

Der Architekt muss daher nach diesen Ansichten, mit Bedenkung des Zwecks und des Materials,
seine Glieder in abwechselnder Form zu wählen und anzuwenden verstehen, damit sich dieselben in Ge-
stalt und Grösse nicht ohne Noth zu oft wiederholen, und die Form in keinen Widerspruch mit der
Materie und ihrem Zweck gerathe.

Um wohlgefällig zu seyn, ist ferner nöthig, dass grosse Glieder da angebracht werden, wo das Auge
mit Ruhe verweilen soll. So haben z. B. die Gesimse, Fig. 49 bis 55, da, wo die Bedeckung anfängt,
grosse hervorstehende Glieder, wie die Hauptplatten , die Tragsleine und die Fuss- und Deckelgesirnse
au den Piedestalen, Fig. 38 — 4i, da aber, wo die Zusammensetzung ist, kleine Glieder, damit das Auge
unverweilt über die Fügung der Glieder, und des durch sie veranlassten Spiels von Licht und Schalten
auf die Hauptform geleitet, und nicht durch ein Bemerken der Zusammensetzung gestört werde. Diese
Piedestale, welche aus drei Theilen, als dem Fuss, Würfel und Deckel bestehen, könnten an sich aus
drei Materien zusammengesetzt werden, da aber eine solche Verschiedenheit sehr leicht auf die Nebenidee
führen möchte, als ob die Form wegen der Beschaffenheit des Materials gewählt worden wäre, so thut
man besser, hier die Fugen zu vorbergen, und die Glieder ganz nach dem Erforderniss der Haupttheile
zu ordnen.
 
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