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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0069

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§. 7. Eigene Verzierungen kann sich da].er der Baumeister noch verschaffen, wenn er

1) die Quader und andere Steine seines Mauerwerks von aussen rustikal oder brillantenartig etc. etc.
formt,

2) seine freien Stützen in Säulen verwandelt,

3) die Balken und Sparrenköpfe in den Hauptgesimsen als Construktions-Verzierungen gebraucht, und

4) die Dachrinnen, Uuterzüge etc. etc. mit architektonischen Gliedern versieht und schmückt.

§. 8. Sind Verzierungen von der Materialconstruktion hergenommen, so müssen sie diesem Charakter
getreu seyn, damit der Grund ihres Daseyns an ihnen nicht verkannt werde.

§. 9. Wenn mit farbigen Materialien eine Zierde, wie z. B. bei Wänden, Fussböden, etc. etc., her-
vorgebracht werden soll, so muss solches in harmonischer Zusammensetzung geschehen, damit unser Auge
wohlgefällig angezogen werde. Wenn sich hiebei die einzelnen Formen wieder in dem Ganzen als Theile
auflösen lassen, so sind solche um so mehr vollkommen. (S. Cap. 4.)

§. 10. Verzierungen, wie sie in §. 4 angegeben, lassen sich als lebende oder todte Erscheinungen,
in Sculptur oder auf der Oberfläche farbig vorstellen. Im letzten Fall müssen Verzierungen die Objekte
auf eine sinnreiche Weise natürlich darstellen, da hingegen sie im ersten Fall oft nur den Hauptcharakter
anzudeuten haben.

§. 11. Alle Arten von Verzierung müssen jedoch eine Bedeutung in sich haben, die mit der Bedeu-
tung des angehörigen Gegenstands zusammen stimmt und dem Zweck des Bauwerks entspricht.

§. 12. Einen bedeutsamen Werth können Baulichkeiten schon durch ihre Bestimmung nach §. ~
und durch ihre blosse Grösse, wie auch durch eine Reichhaltigkeit von Säulen, Pflastern, Construktionen
etc. etc., erhalten.

§. i3. Einen technischen Gehalt erhalten sie durch kunstfertige Vollendung und durch die Vorzüg-
lichkeit der Materialien.

§• \k- Einen materiellen Werth haben alle diejenigen Verzierungen, -welche auf die Dauerhaftigkeit
und Pracht der Materialien hindeuten. (§. 4« Anmerkung.)

§. i5. Bein artistische Verzierungen sind jedoch diejenigen, welche ohne Biicksicht auf die Beichhal-
tigkeit der Materie in schöner vollendeter Form ihren Zweck haben und nicht als untergeordnet erschei-
nen. (§.. 4 , A.)

§. 16. Zu Verzierungen dienen mystische, historische, landschaftliche, allegorische und symbolische
Vorstellungen, selbst leblose Dinge, insofern sie eine Bedeutung haben, wie Insignien, Attribute, Tro-
phäen u. s. W.

§. 17. Geschichtliche, mystische und mythologische Bilder, wenn sie in Farben lebend dargestellt
werden dürfen, jedoch keinen Hintergrund von Baulichkeiten oder sonstigen Formen haben, sondern sie
müssen, wie bei den Alten, blos auf einen einförmigen Grund gemahlt seyn, damit das Architektonische,
auf dem sie vorgestellt sind, durch sie nicht verhüllt oder verstellt werde, wie dies bei ganz übermahlten
Gebäuden in alten Städten häufig der Fall war.
 
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