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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 3): Über die höhere Baukunst — Tübingen, 1819

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https://doi.org/10.11588/diglit.6994#0146

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allen Seilen gleich ausbreitet) Hessen peripteri, Fig. 8. Einige derselben , die eine blosse Säulenstellung
ohne Zelle hatten, wie das Innere des Serapis- Tempels zu Pozzuolo, hallen die Benennung Monopteri, Fig. 9.

Nach diesen einfachen Formen waren die meisten der griechischen Tempel gestaltet und benannt. Erst
in den spät ein Zeiten der Börner fing man an, von dieser schönen Simplicität abzuweichen, und dieselben in
ihren Formen zu verunstalten. Vergleicht man die einfachen griechischen Tempel mit den ägyptischen , oder mit
der angeblichen Form des Tempels Salomons, so sieht man schon aus der Gestalt, dass die Griechen, denen
das reine Menschliche als ein Göttliches erschien, ihren Gottheiten eine veredelte Mensehenwohnung gaben,
da die Aegyptier hingegen bei ihren Tempelzellen f ür ihren Gott, Apis gleichsam die Form eines Stalls zur
Grundform annahmen, die Juden aber ihren Tempel für einen unsichtbaren Gott errichteten, und densel-
ben darum in ein Profanes und in ein Allerheiligstes theilten.

Der christliche Kirchenbau hatte übrigens ein gleiches Schicksal in Hinsicht auf Form zu erleiden, indem
er von der ersten reinen Basilikaform , (so Avie unter Constantin die nunmehr abgebrannte Paulskirche zu
Born aufgeführt war), manche Abänderungen und Zusätze erhielt, welche theils nach den verschiedenen got-
tesdienstlichen Verrichtungen , theils aber aus frommen Ansichten mit den christlichen Kirchenbau vereinigt
wurden. So gab z. B. die Idee, dass man

1 ) zur Grundform der Kirchen ein römisches oder griechisches Kreuz annehmen müsse,

2) Dass die Taufcapellen verdrängt und mit zu den Kirchen gezogen wurden ,

3) das Predigamt,

4) die Verbindung der Kirche mit Klöstern und Chören ,

5) die beruhigende Idee, um, oder in der Kirche selbst begraben zu seyn, oder gar in einer besondern
mit der Kirche in Verbindung stellenden Gruft oder Gapelle nach dem Tode daselbst zu rohen ,

6) die Heiligkeit.des Hochaltars schon von aussen, durch einen erhöhten Auf bau oder Kuppel sichtbar zu
machen , und

7) die Anwendung der Glocken mit den Kirchenthürmen für das Zeichengeben des Gottesdienstes , so
wie auch für polizeiliche Zwecke als Aufstellung der Uhren auf solche Thürme etc.

unseren.Kirchen eine besondere Gestalt.

Alle, selbst mit Einschluss der gothischen, haben seit Verbreitung der christlichen Beligion nun mehr oder
minder von jenen Zusätzen erhalten , allein die so einzig und kostspielig aufgeführte Peterskirche in Rom
ist wohl ein Muster von allen diesen Zusätzen , ohne dass sie darum zu den schönsten und vorzüglichsten
Kirchen zu zählen seyn möchte.

III. 4.' Heft.

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