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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 1/2
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Witte, Fritz: Unsere Aufgaben: Ein offenes Wort über die kirchliche Kunst an Klerus und Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0029

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1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 1/2.

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findet und erlebt und deswegen geeignet er-
scheint, durch plastischen Schmuck die Ab-
sichten des Erbauers noch klarer zur Aus-
sprache zu bringen. Freier wird der Bild-
hauer seine Werke dort gestalten, wo ihn
die Rücksichtnahme auf die Architektur
nicht mehr behindert, wo er einzig auf die
Gesamtwirkung des Raumes und seiner
Plastik in demselben Rücksicht zu nehmen
braucht. In solchen Fällen wird er sein
Inneres, sein Empfinden rückhaltloser und
deswegen auch wohl in den meisten Fällen
in denkbar voll-
endeter Verfas-
sung geben kön-
nen. — In vieler
Beziehung ähnlich
sind die Aufgaben
und Möglichkeiten
bei der Malerei.
Bei ihr ist ein be-
denklicher Tief-
stand so wenig
hin wegzuleugnen,
wie auf dem Ge-
biete der Plastik.
Nicht als ob es
uns an begabten
Künstlern fehlte,
welche den zu
stellenden Auf-
gaben gewachsen
sind, der erste
Grund zum Rück-
schritt ist hier
wohl auf tech-
nischem Gebiete
zu suchen. Malte
das Mittelalter
ausschließlich direkt auf die Wand, entweder
in der Technik des Freskos, oder mit
kalkigen dünnen Farben, die sich mit der
Mörtelschicht als Malgrund mehr oder minder
intensiv verbanden, so sind unsere Maler
von heute zu zwei Drittel dazu überge-
gangen, Malfarben zu verwenden, die ihnen
eine Ausführung der Wandgemälde ermög-
lichen, die mit monumentaler Wandmalerei
nichts mehr gemein hat, sondern vielmehr
zu einer Staffelei- oder Ateliermalerei herab-
gewürdigt ist. Solange unsere Kirchenmaler
nicht zur Benutzung eines Malverfahrens
gezwungen sind, das von vorneherein jede









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Abb. 14. St. Antonius von J. Osten, Köln.

Tiftelei unmöglich macht und einfachhin
durch seine Eigenschaften ein schnelles, groß-
zügiges Hinwerfen der Bilder verlangt, so-
lange wird die kirchliche Wandmalerei kran-
ken. Die alte Freskotechnik ließ für die
Lupenarbeit gar keine Zeit, und deswegen
verflüchtigen sich die in ihr ausgeführten
Werke auch nicht in ein Getue von tausend
Einzelheiten, die Gemälde sind kraftvoll
umrissen, sind flächiger in den Farbwerten,
sind im besten Sinne hingeworfen. Nicht
zuletzt deswegen eignet ihnen die Monumen-
talität, die wir
auf den Imita-
tionen von Staf-
feleibildern und
auf den auf die
Wand übertrage-
nen Leinwandge-
mälden(!) vergeb-
lich suchen. Da-
mit hängt auch
eng zusammen der
Mangel an Gefühl
für die Zulässig-
keit einer Per-
spektive, deren
Vordrängen man
heute mit dem
billigen Plaidoyer
für mildernde Um-
stände auf Grund
einer Umrahmung
zu entschuldigen,
wenn nicht gar
zu rechtfertigen
sucht. Man führe
nur nicht irgend-
einen großen Mei-
ster, vielleicht der Renaissance, als Kron-
zeugen ins Feld; quod licet Jovi, non licet
bovi!

Dann wirkt die ganze Heerschar der in-
und ausländischen Heiligenbildchen gerade
auch auf die Malerei von heute noch übel
nach; ihre Vergrößerung und darum die
gesteigerte Minderwertigkeit finden wir über
Land allüberall, ja, sie haben sich vielfach
gar eine bedingungslose Übersetzung in die
Plastik gefallen lassen müssen. Damit nicht
genug, reicht der Einfluß dieser geschmack-
verderbenden Machwerke noch viel weiter,
indem unser Volk mit diesem meist minder-


 
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