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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Schnürer, Gustav: Das Volto santo - Bild in der Burgkapelle zu Kronberg i. Taunus
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1913.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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den Ulrich von Kronberg zu seinem Vizedom
im Rheingau, und später befahl er ihm auch
noch, „Land und Leute, die wir in Hessen,
Westvalen, Sassen, Doringen und uff dem
Eichßfelde han". Als Landvogt in Thüringen
schließt Ulrich ein Schutzbündnis mit den
Grafen von Schwarzburg und den Grafen
und Herren zu Hohenstein im Jahre 136217).
Wir haben aber auch Anhaltspunkte für die
Vermutung, daß Ulrich direkt von dem Bilde
aus Lucca Kunde haben konnte. Den Kron-
bergern war Italien nicht unbekannt. Schon
1289 hatte ein Mitglied des Hauses, Heinrich,
in Bologna studiert18). Zwei Söhne des Vize-
dom Ulrich I. treffen wir wieder dort in den
Jahren 1366—13681»). Sie heißen Ulrich (IL)
und Walter und erscheinen in der Universi-
tätsstadt mit ihrem Erzieher Hermannus
dictus de Pomerio, ein Zeichen, daß sie noch
ziemlich jugendlichen Alters, etwa zwischen
12—16 Jahren, waren. Ulrich muß der
ältere und bedeutendere gewesen sein. Er
wurde mit Rudolf, Kantor der Baseler
Kirche, als Prokurator für das Jahr 1367
an die Spitze der deutschen Studenten-
Nation gestellt. Dazu eignete er sich freilich
insofern, als er trotz seiner Jugend schon eine
bedeutende kirchliche Würdenstellung inne-
hatte. Er war schon Propst von S. Victor
in Mainz und begab sich bald nach seiner
Studienzeit nach Mainz. Von Bologna war
es nicht weit nach Lucca. Und daß die Stu-
dierenden des Rechtes aus Deutschland sich
für das weltberühmte Wallfahrtsbild in
Lucca interessierten, beweist uns ein Magde-
burger Kodex. Er enthält die Abschrift des
bekannten Berichtes über die Auffindung und
Übertragung des Volto santo von dem Diakon
Leobin oder Leboin. Die Abschrift fertigte
der Doktor der Dekrete Gherardus Koncken,
Kanonikus von Magdeburg und Halberstadt,
im Jahre 1420 in Lucca selbst an. Dorthin
kam er, als er in Geschäften sich an die Kurie
nach Florenz zu begeben hatte. Indem er
das seiner Abschrift beifügt, erwähnt er, daß
er mit seinem Besuche in Lucca damals auch

17) Ompteda, 101, 105.

■6) Fr iedlän der - Mal agola , Acta nationis
Germanicae Univ. Bononiensis (Berlin 1887), p. 36.
") Ebenda 128, 385 f. Vgl. Ompteda, 123 ff.

ein vor Jahren als Student in Bologna ge-
machtes Gelübde erfüllt habe20). Der Auf-
enthalt des Dr. Gherardus Koncken in
Bologna muß danach in das Ende des
XIV. Jahrh. fallen, nicht sehr viel später als
der Aufenthalt der beiden Söhne Ulrichs I.

Die Möglichkeit liegt also nahe, daß die
Söhne Ulrichs I. den Kult des Volto santo
bei ihrem Aufenthalt in Bologna kennen
gelernt und zu Hause verbreitet haben, so
daß ihr Vater sich veranlaßt sah, dieses Bild
in der Burgkapelle anfertigen zu lassen.

Woher aber auch Ulrich I. Kenntnis von
dem Kulte gehabt haben mag, jedenfalls
ist das Bild eine Darstellung des Volto santo
und kein Kümmernisbild, als welches man
es bezeichnet. Der Fall ist ja nicht vereinzelt,
daß erst in neuerer Zeit Bilder als Kümmer-
nisdarstellungen angesehen wurden, die den
Erlöser darstellen sollten. Die verschieden-
sten Gründe sind dafür maßgebend gewesen,
über die ich mich demnächst verbreiten
werde in einer Veröffentlichung über „Volto
santo und Sankt Kümmernis".

Es lag mir daran, schon im voraus auf die
Bedeutung des Bildes von Kronberg hinzu-
weisen, weil es in Deutschland eine der
ältesten Darstellungen des Volto santo ist,
die wir ungefähr datieren können, und auch
weil es eines der am besten erhaltenen ist, das
also die gute Hut, in der es sich befindet, wohl
verdient.

Nachschrift. Nachdem obige Aus-
führungen, gesetzt waren, erhielt ich mehrere
Artikel, in denen Herr Dr. L. De Wolf das
ähnliche, aber noch viel verwickeitere Problem
in Brügge behandelt. Ich will nicht unter-
lassen, auf die sehr eingehenden Darlegungen
noch hier kurz hinzuweisen. Sie stehen in
der zu Brügge erscheinenden flämischen
Zeitschrift „Biekorf" in Jahrgang 24 (1913)
Nr. 2—8 unter dem Titel: „De gewezen
muurschildering uit de Speelmanskapel te
Brügge". Für mich ist es kein Zweifel, daß
das Brügger Bild als Darstellung des Volto
Santo gemalt wurde.

Gustav Schnürer.

20) Watten bach, »Aus Handschriften«, Neues
Archiv X (1885) 193. Diese Notiz findet sich im
Cod. 234 der Bibliothek des Magdeburger Dom-
gymnasiums.
 
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