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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 4
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Meier, Burkhard: Das Grabmal des Bischofs Rotho im Dom zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0062

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Abhandlungen.

Das Grabmal des Bischofs Rotho im
Dom zu Paderborn.

(Mit Abbildung Tafel III.)

aderborn besitzt im Chor
seines Domes an der Süd-
wand neben der Sakristeitür
ein Grabdenkmal von ge-
ringer Größe1), aber ganz
eigenartig im Aufbau und
von reizvoller Zierlichkeit im Figürlichen wie
in der Dekoration, ein Werk von stiller, ver-
haltener Art und liebevoller Durchbildung.
Der Sarkophag ist auf einen hohen,
altartischähnlichen Untersatz gestellt und
ganz an die Wand gerückt; auf ihm liegt
die gedrungene Gestalt eines Bischofs; die
Seitenflächen des Kastens sind durch reich-
gearbeitete Kielbögen mit Maßwerk in ein-
zelne Felder aufgeteilt, in denen die Halb-
figuren der Muttergottes, von Engeln und
Heiligen sitzen. Über dem Sarkophag sind
reliefartig an der Wand die Muttergottes,
verehrt von einer knienden Dame, zu beiden
Seiten die Kniefiguren rauchfaßschwingender
Engel, nach unten durch stilisierte Wolken
abgeschlossen, aufgestellt. Diese vom Sarko-
phag ganz losgelöste Gruppe sitzt in einer
Wandnische, deren Abschluß nach oben die
alte spätromanische Arkatur der Chorwand
bildet, deren Säulen, um der Gruppe Platz
zu machen, entfernt wurden.

Der Aufbau dieses Denkmals erscheint
nicht nur für Westfalen ungewöhnlich, son-
dern ist auch im übrigen Deutschland ohne
Parallelen, und man ist versucht, indem man
sich italienischer Grabdenkmäler des XIV.
und XV. Jahrh. erinnert, an italienischen
Einfluß zu denken, der sich aber wohlgemerkt
nicht im einzelnen, sondern nur in der Art
des Aufbaues äußern könnte.

Arnolfo di Cambio fixiert diesen Typus
des WT^dgrabes zum ersten Male in dem
Denkmal des Kardinals de Braye (f 1282)
in S. Domenico zu Orvieto, und von da aus
verbreitet er sich über ganz Italien. Die

') Die Maße sind nach Ludorff »Die Bau- und
Kunstdenkmäler Westfalens«, Kreis Paderborn: Unter-
satz und Schrein = 1,30 h , 2,03 1. Die Madonna -
1,14 h., die Engel = 0,58 h. •

reichsten Beispiele findet man in Neapel,
in S. Maria Donna Regina und S. Chiara, die
spätesten in Venedig: das Grab des Tom-
maso Mocenigo von 1423 in SS. Giovanni e
Paolo, und in Fano: das Grab des Paolo
Malatesta, von Filippo da Venezia um 1420
gearbeitet. Während in der Dekoration, in
der Aufstellung des Sarkophags usw. die
größte Mannigfaltigkeit herrscht, bleibt die
Regel, daß über dem Sarkophag, auf dem der
Tote liegt, die Madonna thront, der kniend,
empfohlen von seinen Patronen, der zum
ewigen Leben Auferstandene naht2). Ähn-
lich, wenn auch nur in bescheidener Ge-
staltung, ist unser Paderborner Grab.

Wie aber dieses Schema nach Paderborn
gelangt ist, und welches die Zwischenstufen
sind, vermag ich vorläufig nicht zu sagen.
Überdies soll uns das Denkmal hier mehr nach
anderer Richtung interessieren.

Auf den Büchern bzw. Schriftrollen,
welche die Engel an den Schmalwänden des
Sarkophags halten, stehen folgende Hexa-
meter zu lesen, bei denen die Endsilben der
Halbverse sich reimen:

Est Itic locus translatus signisprimo lemplo locatus
De Bitren ?tatus piesul qui Rotho vocatus

Nos aiutis re.xit ter quinis bene prolexit

ML1 decessil quem Meimverc sattele pre-

cessit.

Diese Inschrift besagt klar und einwand-
frei, daß das Denkmal dem Bischof Rotho
gesetzt wurde, dem Nachfolger des berühm-
teren Bischofs Meinwerk, der 1036—1051 und,
der Inschrift nach, aufs beste regierte.
Sonstige besondere Verdienste um Kirche
und Kultus scheint er nicht gehabt zu haben;
in „Westphalia saneta usw."3), wo er unter
den Beati aufgeführt wird, weiß der Jesuiten-
pater Michael Strunck außer seinem Leben,
allerlei Kirchengründungen usw., nichts zu
berichten. Alter Tradition nach wird Rotho
dem Geschlecht der Edlen von Büren zu-
gerechnet, und diesem Umstand verdankt er
sein spätes Denkmal: ein Mitglied dieser

-) Vgl. die Abbildungen bei Venturi: »Storia
dell'arte italiana IV: Fig. 67, 93, 190, 198, 260,
382, 395, und Venturi VI: Fig. 3 und 125.

3) Westphalia saneta beata et pia ... ab aliquo
societatis iesu sacerdote. P. I. Neuhaus 1715. S. 276.


 
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