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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 4
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Witte, Fritz: Die Sage vom hl. Gral und die Liturgie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0066

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105

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 4.

106

in heidenischer schrifte

dirre äventiure gestifte ..."

So berichtet Wolfram v. Eschenbach über
seinen Gewährsmann. Kyot der Provenzale
selbst hat nach Wolfram die von einem Halb-
juden oder Araber Flegetänis verfaßte Quelle
benutzt.

„er jach, ez hiez ein dinc der gräl:

des namen las er sunder twäl:
' innre gestirne, wie der hiez:

ein schar (d. i. Engel) in üf der erden liez

diu fuor üf über die sterne hoch".

Hier werden uns drei Tatsachen berichtet,
die von einschnei-
dender Bedeutung
sind. Als Ausgangs-
punkt wird hier
Toledo in Spanien
hingestellt; geschrie-
ben wurde der Gral-
bericht von einem
jüdisch-arabisch
denkenden Spa-
nier; der Gral selbst
ist ein Stein, der
von Engelshand vom
Himmel niederge-
bracht wurde. So-
fern überhaupt ein
liturgisches Moment
in die Gralsage hin-
einspielt, ist der Hin-
weis auf Toledo von
großer Bedeutung.
Daß der Gral das
Heiligtum der West-
goten war, darauf
machte Sterzenbach
dings aufmerksam2).

Abb. 1. Tragaltar des Arnulf v. K. in München.

mit Nachdruck neuer-
Daß aber Toledo der
Mittelpunkt des westgotischen oder mozara-
bischen Ritus das ganze Mittelalter hindurch
gewesen und auch heute noch ist, darauf
hat meines Wissens bislang niemand aufmerk-
sam gemacht. Noch im ausgehenden Mittel-
alter bekamen sechs Kirchen Toledos das
Privileg, die mozarabische'Liturgie zu üben.
Flegetänis war vermutlich ein Mozarabe -
Halbaraber, wie Wolfram selbst sagt. In
ihm konnte am ehesten die Erinnerung an
das große Nationalheiligtum fortleben, er

2) Th. Sterzenbach, »Ursprung und Entwicklung
der Sage vom hl. Gral«. In „Forschungen und Funde"
von Jostes. (Münster 1908.)

verstand auch die liturgischen Einzelheiten,
die dem Kyot bereits verschwommen, Wolf-
ram aber völlig unverstanden vorschwebten.
Immerhin hat der deutsche Epiker den Kern
und Ausgangspunkt recht wohl noch erkannt,
das ersehen wir aus der Wertung und Auf-
gabe des Gral im Parzifal; beim jüngeren
Titurel tritt er als eucharistischer Behälter
zusammen mit der Columba, die vom Altar-
ziborium niederhängt, in die Erscheinung:
ein tübe einn engel brähte der kom üz dem
gewelbe her ab geflücket. Ein rat in wider
fürte enmitten an der snure mit fluge gen
im rurte di tübe und
nam den enge], sam
si füre üz dem para-
dise gelich dem hören
geiste der mess zu
hohem werde . . .
Im Parzifal ist
der Gral ein Stein ,
der, ähnlich wie die
Kaaba, vom Himmel
gebracht ist. Ob hier
bereits der Einfluß
der Araber in
Spanien nach 711
(Schlacht bei Xeres
de la Frontera) sich
geltend macht, sei
dahingestellt. Ster-
zenbach macht uns
mit den verschie-
denen Formen be-
kannt, in denen uns
die Gralsage im
Mittelalter entgegen-
tritt: Die Legende von Joseph von Ari-
mathaea, der in den Besitz der Abend-
mahlsschüssel kommt und in ihr das aus
den Wunden Christi fließende Blut auf-
fängt3). Von nun an ist die Gralschüssel
das Heiligtum der jungen Christengemeinde.
Gralkönig wird erst einer der Nachkommen
des Josephus; er erhält die Weisung, eine
Tafel zu errichten, an welcher die Ge-
meinde täglich gespeist werden
soll. Die Legende steht in innigstem Kon-
takt mit dem sogen. Nikodemusevangelium,
dessen Ausbeute für Sagen und Legenden
im frühen Mittelalter eine ebenso reiche ist
wie die der apokryphen Evangelien über-
») a. a. O. S. 2 ff.
 
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