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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0148

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261

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. P/10

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ist schlecht, trotzdem die Fabrikanten und
Verkäufer als ersten Vorzug ihrer Waren
die „Stilechtheit" preisen. Und so lange
der Glaube lebt, daß ein romanischer Stoff
Rundscheiben enthalten müsse mit den
offiziellen gegenständigen Adlern oder
Löwen, der gotische dagegen Granatapfel-
muster oder Adler, Panther und sonstige
Fabeltiere oder Vierpässe usw., so lange
wird man diese Stoffe kaufen; von der
schlechten Struktur und der Zweifel-
haftigkeit des Materiales soll an dieser
Stelle gar nicht gesprochen werden. Die
hergebrachte Musterung hat sich trotz
mancher Fremdartigkeiten bei der Geist-
lichkeit, mehr noch bei den Para-
mentendamen so eingebürgert, daß letztere
vielfach kaltblütig und ohne weitere Über-
legung von einer „Kirchlichkeit" derselben
sprechen und jedwedes Muster abweisen,
das nicht in den gezeichneten Bahnen sich
bewegt. Ob da nicht manche Damen
gar an „erlaubt" und „unerlaubt" denken ?
Das hieße jede Entwicklungsmöglichkeit
von vornherein unterbinden. Es kommt
auch vor, daß Muster angepriesen werden
als originell und selbstentworfen, und
sogar das alleinige Recht der Herstellung
wird behauptet, und doch erkennt der
eingeweihte Kenner alter Stoffe bald die
Quelle, woher die Muster stammen, er
sieht auch, daß in vielen Fällen aus zwei
oder drei alten Mustern ein viertes her-
gestellt wurde, das dann als neu sich
auszugeben wagt. Damit soll nicht gesagt
sein, daß vereinzelt auch Neukomposi-
tionen im Sinne der Alten auf den Markt
kommen, durchweg aber kommt die Neu-
gestaltung nicht über eine Neuzusammen-
stellung hinaus, und sie ist dann oft un-
glücklich genug. Übel sind die Webereien
gefahren, die nach den Reproduktionen,
die vor Jahrzehnten in unvollkommener
Technik alte Stoffe unter die Leute brach-
ten, gearbeitet haben, ihren Produkten
fehlt auch der letzte Funke von Leben,
den die genauen Kopien nach den Ori-
ginalen wenigstens mitbringen.

Uns sind heute die Grundbedingungen
für eine erfolgreiche Neubelebung der kirch-
lichen Stoffweberei gegeben: Unsere deut-
schen Firmen, allen voran unumstritten die
Krefelder, sind technisch den schwierigsten

Atb. 3. Neue Kasel mit Gabelkreuz.

Abb. 4
 
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