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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0153

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271

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

272

schlafe. Der liebe Gott ist uns da eben denn
doch über, er hat's nicht nötig, farbenscheu
zu sein, er wirft sie alle hinein in das grüne
Bett, die prunkenden feurigen Rot und die
lichten Blau und die saftigen strahlenden
Gelb, und er gibt ihnen als Träger der Blüten-
pracht ein Grün, das eben für dieses Rot, für

Abb. 9. Kasel im Dom zu Aachen, XIII. Jahrh. Perlstickerei,
des Schmuckes.

dieses Blau das richtige ist. Versuchen
wir von ihm zu lernen, denken auch wir daran,
daß das Licht der Faktor ist, der überall
den Farben ihre Stärke gibt und sie ver-
bindet und versöhnt. Keine Mimikry treiben
in den liturgischen Farben! Wir wollen da-
mit aber nicht dem brutalen Zusammen-
werfen von schreienden Farben das Wort

reden, nur'das eine soll hier gesagt sein:
Schwerer ist es, und mehr Geschmack er-
fordert es, kräftige Farbtöne zueinander zu
stimmen, als solche, die ausschließlich Unter-
töne anschlagen. Auch das ist wohl zu be-
denken, daß Licht und Luft an den Farben
alter Stoffe genagt und ihnen vielfach ihre
Intensität genommen haben;
und auch die alte Zeit hat
Perioden aufzuweisen, in denen
die Zwischentöne den reinen,
ungebrochenen vorgezogen
wurden. Immerhin werden
manche Terrakotta- und Meer-
grüntöne in den dunklen
Kirchen oder bei künstlichem
Lichte ihre Wirkung überhaupt
verlieren, indem vor allem das
gelbrote künstliche Licht auch
den letzten Rest von Farbig-
keit buchstäblich auffrißt.
Samtstoffe, die zu sehr ihre
Farbe verleugnen, können so-
gar vollkommen farblos, wenn
nicht gar als schwarze Flecken
wirken. Man sollte also nicht
zu ängstlich sein und in erster
Linie der tonangebenden Farbe
eine greifbare Leuchtkraft
mitgeben; die farbige Muste-
rung hat dann aber mit größter
Vorsicht und mit feinem Ver-
ständnis zu erfolgen. Gerade
für die kirchliche Weberei sind
die historischen Stile noch
längst nicht genug in ihrer
Bedeutung erkannt und in
ihren lehrhaften Darbietungen
nicht genügend ausgenutzt,
man braucht nur hineinzu-
greifen in die Schätze unserer
Museen und unter der sicheren
Führung der Alten mit frischem
Sinn und zeichnerischem Kön-
nen Neues entwerfen. Abb.
3 u. 4*) zeigt uns, was moderner Formensinn

Gute Einordnung

*) Die Druckplatten zu den Abbildungen Taf. VII,
VIII und IX, Abb. 3, 4, 14, 16, 17, 26, 27, 29, 37
wurden mir in zuvorkommendster Weise von Herrn
Hofrat Alex. Koch in Darmstadt zur Verfügung ge-
stellt, wofür ich ihm sehr zu Danke verpflichtet bin.
Die Abbildungen erschienen seinerzeit in der von Koch
herausgegebenen „Stickereizeitung und Spitzen-Revue"
 
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