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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0155

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275

1913.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

276

nieder, daß der Priester dastehe „weiß ge-
waschen im Blute des Lammes". Wenn wir
irgendwo heiligen Ernst und zurückhaltende
Würde, wenn wir irgendwo Entfernung von der
leisesten Anlehnung an weltliche Kleidung
verlangen müssen, dann hier bei der Albe.
Hier können eher wie anderswo an profane
Kleidungskunststücke erinnernde Zutaten

Abb. 11. Kasel des XVIII. Jahrh. (Oegenb

dem Gewände seinen ganzen tiefinnerlichen
liturgischen Gehalt benehmen; wenn hoch-
ragende windige Spitzen an durchsichtigem
Tüllstoff schweben, oder aufdringliche Sticke-
reien am unteren Rande sich prunkend als
Hauptsache vordrängen. Überlassen wir
solche Extravaganzen den Südländern und
bleiben wir beim blendend weißen Linnen,
das ja gerade für uns Deutsche so etwas wie
Poesie in sich schließt. Wie dürfen und
können wir denn die Albe ausstatten ? Eines

vorweg: Es wäre ein Mißgriff, wollten wir
den unteren Rand und die Ärmelenden mit
einer ringsum laufenden auf Seide ge-
fertigten Stickerei versehen. Das in der
Struktur und im Material derbe Leinen ver-
trägt keine zarten Seidenbesätze in dem
Sinne, daß letztere gewissermaßen nach unten
und an den Ärmeln eine Fortsetzung oder Ver-
längerung des Leinen-
gewandes bedeuten.Eher
dürfen wir den Saum
durch ein noch derberes
ähnliches Material bil-
den. Das Leinen hat
eine mehr oder minder
kräftige Bindung, es
zeigt eine bewegtere,
rauhere Oberfläche als
die Seide,'es ist gewisser-
maßen, unter die Lupe
genommen, aus Millio-
nen kleiner Quadrate
zusammengestellt. Am
deutlichsten zeigt das
die vergröberte Struk-
tur des sogenannten
„Kanevas" und in derb-
ster Durchbildung der
Stramin. Ein solcher aus
mehr oder minder großen
Quadraten bestehender
Stoff fordert eine ganz
bestimmte Art Stick-
technik und Zeichnung.
Die Vierecke bestimmen
den Lauf des Stickfadens
und fordern eine eckigere
Linienführung als die
glatte Seide. Hier heißt
es also, vorsichtig die
Muster stilisieren und
elspiel-) nicht etwa naturali-

stische Rankenzüge mit den leisesten Be-
wegungen wiedergeben. Das Mittelalter be-
vorzugt deshalb das geometrische Muster,
das sich der Fadenzeichnung des Stoffes
anpaßt. In anderen Fällen liegt die Stickerei
reliefartig auf dem Leinengrund auf, als
sei sie nachträglich auf diesen aufgenäht.
Eine ebenso dankbare wie wirkungsvolle
Schmucktechnik für das Leinen ist die
sogenannte Durchbrucharbeit, die entweder
in Weiß allein oder auch unter Zuhilfe-
 
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