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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0157

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279

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

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ihrer dürftigen Größe, sei es infolge mangeln-
der Würde, von vornherein als unzulässig aus.
Dahin gehören die durchaus steifen und dar-
um unbiegsam und unbeweglich auf der
Brust und dem Rücken hängenden brett-
artigen Plakate, mögen sie noch so reich
ausgestattet sein. Sie sind eben nichts mehr
und nichts weniger als eine Ausstellungstafel
für Stoff und Stickerei, nicht aber Kleidungs-
stücke, die den Körper des Priesters umhüllen
sollen. Ob man im einzelnen Falle die der alt-
christlichen entlehnte Form, die Glocke der
romanischen, oder den auf den Armen zu-
gestutzten Schnitt der gotischen Periode
wählen will, mag dem Geschmacke des Be-
stellers überlassen bleiben; auch die soge-
nannte römische Kasel mag als Werktags-
gewand und für ärmere Kirchen geduldet
werden. Das Stoffliche eines Kleides aber
muß unter allen Umständen dadurch zum
Ausdruck kommen, daß das Gewand den
Körper umhüllt und diesen nicht einfachhin
als Aufhängemöglichkeit für ein gesteiftes
Stück Seide betrachtet. Die F a 11 e ist ein
wichtiger Faktor in der ästhetischen Wirkung
der Kasel, und der Faltenreichtum wird bei
entsprechender Ausstattung des Stoffes auch

eine reiche Wirkung hervorbringen. Die Be-
deutung des Grundstoffes wurde bereits vor-
hin in Erwägung gezogen. Die Auswahl ist
auf einer langen Skala möglich: Einfarbiger
Stoff, Damast, farbig gemusterter, ein-
farbiger und gemusterter Samt, Goldbrokat.
Die etwaige Musterung des Seidenmaterials
muß der Ausdehnung des Gewandes ent-
sprechen und wird viel eher zu groß als zu
klein gewählt. Die Abb. 6 wiedergegebene
Kasel zeigt das unglückliche Verhältnis, das
durch zu große Musterung im Meßgewande
entstehen kann, zumal, wenn als Schmuck
desselben eine kleinlich gearbeitete Borte
gewählt wird, deren minutiöse Zeichnung
durch das Aufdringliche der Musterung des
Stoffes vollkommen erdrückt werden kann.
Selbst der größte Reichtum des gewählten
Materials kann hier keine Entschuldigung
abgeben, wie es die abgebildete Kasel er-
weist. Der für die Meßkleider gewählte
Schmuck hat selbstverständlich Rücksicht
zu nehmen auf den Grundstoff, dem als
eigentliches Kleid die wichtigste Funktion
zufällt und der damit auch das Hauptwort
zu sprechen hat. Nur in einem Falle schwindet
dieses Abhängigkeitsverhältnis der schmük-

Abb. 13. Antependium im Dom zu Halberstadt. XIII. Jahrh.
 
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