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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0158

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281

1913. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. U/10.

282

kenden Stickerei vom Grundstoff, dann näm-
lich, wenn die ganze Kasel im wesentlichen
nur aus Stickerei besteht, wie wir sie in der
Barockperiode vielfach finden. Wir sind ge-
wöhnt worden, am neuen Meßgewand durch-
weg gemusterte Stoffe zu sehen, und nur
dort vielleicht, wo ein weißseidenes Braut-
kleid etwa zum Meßgewande verarbeitet
wurde, finden wir den einfarbigen unge-
musterten Grundstoff, leider dann vielfach
mit einem unverhältnismäßig reich gearbei-
teten Kreuz als Schmuckstück versehen, das
vielfach dann auch
noch durch seine
krause Vielfarbigkeit
als eine völlig un-
vermittelte Aufnäh-
arbeit erscheint. Dem
einfarbigen, unge-
musterten Grund-
stoffe sollte man
auch, wenn tunlich,
eine einfache Deko-
ration geben, falls
man nicht, was sehr
zu empfehlen ist, die
Farben des gestick-
ten Dekors durch
kleinere, flächenauf-
teilende Musterungen
auf dem Seidenstoffe
selbst ausklingen las-
sen will.

Im übrigen eignet
die Uniseide sich vor-
trefflich auch für eine
würdige und künstle-
rischeAusstattung des
Meßgewandes, den Vorzug bietet sie jeden-
falls, daß die Stickerei keine Beeinträchtigung
durch einen vielleicht ganz andersgearteten
Schmuck in der Weberei erleidet. Da-
gegen wird man gut tun, den Dekor so anzu-
legen, daß er nicht als die Hauptsache er-
scheint. Die verflüchtigende Art der Gold-
konturzeichnung, wie sie die Kasein in Abb. 7,8
aufweisen, dürfte hier den Vorteil glücklicher
Einordnung in den Grundstoff bieten und
vornehmlich für nicht zu große Kirchen-
räume geeignet sein.

Ist der Stoff gemustert, so ist es oft nicht
leicht, an einem Gegensatz zwischen Schmuck
-und Kleid selbst vorbeizukommen. Wer

Abb. 14. Moderne Kasel römischer Form. Wiener Arbeit

allerdings dem gestickten Stabe oder Kreuze
der Kasel die vornehmste Bedeutung zumißt,
und nicht dem Gewände als solchem, der
wird sich über die Tatsache einer unheil-
vollen Konkurrenz leichter hinwegsetzen. Die
Paramentensticker der Frühzeit, also der
Periode, die eigentlich doch den Urzustand
der Priesterkleidung am getreuestcn wieder-
zugeben befähigt sein sollte, hat dem Ge-
danken der Unterordnung des Schmuckes
recht wohl Rechnung getragen, wie die
Aachener Kasel (Abb. 9), eine jüngere im
Dome zu Halber-
stadt (Abb. 2) und
viele andere erweisen.
Hier berührt sich
eben die Frage der
Art der Stickerei
und ihres Verhält-
nisses zum Gewand-
stoff mit der nach
der Art des Kasel-
schmuckes über-

haupt. Heute wird
sie mehr als je ven-
tiliert, nachdem ein-
zelne für die früh-
christliche Epoche be-
geisterte Männer un-
ter ausdrücklicherZu-
stimmung des Pap-
stes der Form und
Ausstattung derKasel
in der Frühkirche das
Wort geredet haben.
Zweifellos nicht mit
Unrecht. Faßt man die
Entwicklungsstadien
des Meßgewandes ins Auge, so sieht man wirk-
lich nicht ein, warum man den Anknüpfungs-
punkt für eine Um- und Neugestaltung der
kirchlichen Gewänder nicht an der Stelle
finden soll, wo wir ihren Urzustand er-
kennen. So gut aber die folgenden Jahrhun-
derte neben manchen anderen Gründen vor
allem den der praktischen Brauchbarkeit auf
eine Umarbeitung der Gewänder einwirken
ließen, ebensogut dürfen auch wir den prak-
tischen Bedürfnissen und den Forderungen
bequemer Handhabung entgegenkommen und
die frühchristlichen Gewänder „auf unseren
Leib zuschneiden". Und was den Urschmuck
angeht, die Streifenklaven, die von beiden
 
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