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Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

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Heft 9/10
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Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0164

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291

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

292

Abb. 20. Moderne Standarte. Applikation und Plattstich. Muster
guter Aufteilung, Flächenwirkung und Stilisierung.

kommende Grund ist mit Rankenzügen
damasziert oder geometrisch gemustert (Abb.
io). Dadurch wird wiederum das Flächen-
hafte betont. Einen Vorstoß zum Modellieren
zeigen beispielsweise die wunderbaren Figür-
chen des gestickten Antependiums zu Kloster
Kamp a. Niederrhein. Die Umrißlinie da-
gegen ist noch groß, einfach und übersicht-
lich, die Heiligen stehen einfachhin auf dem
ungemusterten Grund, und die bekrönenden
Architekturen sind vollkommen unplastisch
und ohne perspektivische Vertiefungen, also
auf das Flächenhafte vereinfacht und für
die Technik stilisiert. Die Spätgotik da-
gegen greift zur vollkommen plastischen
Durchmodellierung; wohin dieses Streben
führt, zeigt die über plastische Unterlagen
gelegte Stickerei. — Wir haben mit Absicht
gerade an dieser Stelle, wo die Ausschmük-
kung unserer Kasein zur Behandlung stand,
die allgemeineren Ausführungen über die
Grenzen der Stickerei eingefügt. Im Grunde
gehören sie auch hierhin; denn, sobald
es sich für die Stickerei um andere Auf-
gaben handelt, wie, um ein Beispiel her-
auszugreifen, um die Gewinnung eines Altar-
antependiums oder eines Wandbehanges, dort

Abb. 21. Rückseite zu Fig. 20. Entwurf und Leitung W. Pütz
Stickerei Fahnenfabrik A. Steiger, Bronzen von Anhäuser, Köln!

mag man der Kunst weitere Konzessionen
immerhin machen als bei der Kasel, dem
Meßgewand.

Auf die heute vielfach geübte Kaselaus-
stattung ist hier noch hinzuweisen, auf die in
Stramin oder Kanevas in Kreuzstich ge-
fertigten Kaselkreuze. Ganz gewiß wollen
wir es stets freudig begrüßen, wenn unsere
Paramentendamen möglichst mit eigener
Hand den Schmuck des Priestergewandes
herstellen, anstatt zur Fabrik zu gehen; wo
aber nicht gerade ärmliche Verhältnisse sich
finden, sollte man auf die seidenen Ge-
wänder keine Stickereien aus Wolle bringen;
und auch die in Seidenfäden hergestellten
Kreuzstichmuster stellen sich durch ihre
derbe, wenn nicht durch brutale Technik in
Gegensatz zu der feinen Struktur des Ge-
wandstoffes. Von dem Mitherausgeber dieser
Zeitschrift, Herrn Domkapitular Schnütgen,
wurde vor 20 Jahren und mehr die Wieder-
nutzbarmachung der Kölner Borten energisch
gefordert; mit dem Erfolg, daß wir ein Pro-
dukt erhielten, das denen des Mittelalters
auch um nichts nachstand. Seitdem sind sie
in tausend und abertausend Exemplaren ver-
breitet worden. Es lag aber nicht in der Ab-
 
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