Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 9/10
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0171

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
305

1913. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9/10.

306

tigerweise beim prächtigen Damastleinen
bleiben und absolut Farbe haben will, der
passe sich zum wenigsten dem Material an
und gehe den kraftlosen Zeichnungen aus
dem Wege (Abb. 29)*).

Verschiedentlich ist an dieser Stelle auf
die Bedeutung der Fahnen, der kirchlichen
wie profanen hingewiesen und betont worden,
daß die Durchschnittsware einen ganz be-
denklichen Tiefstand erreicht hat. Schema
ist ein quadratisches Stück Seide, Samt oder
Ähnliches, benäht mit
schmalen Börtchen,
welche vom Quadrat
einen breiten Rahmen
abtrennen. Die vier
Eckstücke führen Jah-
reszahlen und Em-
bleme, darunter in nai-
ver aber verblüffender
Naturtreue Scheren,
Hämmer, Lämmchen,
Herzchen usw. Die
Mitte nimmt meist ein
über Eck gestelltes
Heiligenbild auf grü-
nendem Rasen oder
in reicher Architektur
ein; Bergknappen sieht
man im Kohlenstollen
fleißig bei der Arbeit
usw. Auf der Rück-
seite ein schlecht ge-
zeichnetes Wappen
und noch schlechtere,
einem Zeitungsblatte
entlehnte Schrift. Man
könnte hier bei uns im
Norden ganze Satiren
schreiben über das Chaos von Formen und
Farben, die auf Vereins- und Kirchenfahnen zur
Schau gestellt werden. Doch die Sache ist
ernst genug, zumal doch unsere Vereins- und
Kirchenfahnen als Prunkstücke gelten sollen
und somit den Geschmack des Kirchenvor-
standes und der Vereinsmitglieder nach außen
hin kundgeben. Auch bei der gestickten
Fahne ist die Vermeidung von perspekti-

Abb. 31 Röchelte und Stola.

*) Hier sei nachdrücklichst auf den Wert des küst-
lichen Damastleinen hingewiesen, wie es für kirchliche
Zwecke in mustergültiger Weise von der Weberei
R. Waters in Burgwaldniel hergestellt wird. Es sollen
später an dieser Stelle Abbildungen vorgeführt werden.

vischen Vertiefungen erster Grundsatz. Die
Umrißlinie etwaiger Figuren hat hier in
großer einfacher Form und starker Be-
tonung die Dominante abzugeben, ganz ähn-
lich wie beim Glasfenster der Bleiriegel, nur
selbstverständlich farbiger, da nicht wie beim
Glas die Farbe der Figur von ihrer Stärke
an den etwa schwarzen Kontur abzugeben
imstande ist. Dem Ornamentalen sollte man
keine andere Rolle zuteilen als die, für die
Figuren den Untergrund abzugeben, also die
teppichartige Wirkung
hervorzurufen, die für
die Flächenkunst allein
zulässig ist. Daraus
ergibt sich die prak-
tische Brauchbarkeit
gerade einer Sticktech-
nik zur Herstellung
von Fahnen: der Ap-
plikation, die es er-
möglicht, ähnlich wie
bei der Glasmalerei
farbige Flächen neben-
einander zu setzen und
mit kräftigem Kontur
klar und übersichtlich
wirken zu lassen (S.
Abb. 20 u. 21). Welche
Möglichkeiten sich bie-
ten für die äußere Ge-
staltung wie den De-
kor der Fahnen mögen
die Abbildungen 18 bis
21 zeigen, von denen
die eine allerdings eine
profane Standarte dar-
stellt, darum aber nicht
minder als Vorbild die-
nen kann. Sie ist im wesentlichen aus farbigen
Seidendamasten von tiefer Farbe zusammen-
gesetzt. Die Hauptmotive, wie der nach der
bekannten Miniatur wiedergegebene „Herr
Walther von der Vogelweide" mit überein-
andergeschlagenen Beinen, sein Wappen mit
der Nachtigall sind in farbigen Seidenstücken
appliziert, die wieder in derber Seiden-
stickerei farbig konturiert sind. Leider kann
die Abbildung von der trefflichen Wirkung
kein Bild geben. Die Ornamenthecke hinter
Walther schlägt in ihren gestickten und appli-
zierten Blättern und Blüten mit den schla-
genden Nachtigallen denselben Ton der
 
Annotationen