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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äussere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0030

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Abbildung 7. Vom Diptychon des Boetius zu Monza.

Bögen. In meiner Ergänzung habe ich denn das Bogenprofil, dieser Linie folgend, die
sich auch neben den eingehauenen Bögen an den Ecken noch vorfindet, herum-
gekrüpft gezeichnet. So ist eine eigentümliche Form an der Ecke entstanden, die an den
spätrömischen Architekturen jener Zeit öfters (oder ganz ähnlich so) vorkommt. Zur
Vergleichung und Orientierung darüber, wie sehr diese ganze Architekturbildung jener
Zeit entspricht, vergleiche man den oberen Teil des schönen elfenbeinernen Diptychons,
das sich unter der Bezeichnung des Diptychons des Boetius im Domschatze in Monza
befindet, jedenfalls aber der gleichen Zeit angehört. Die Ähnlichkeit auch des Bogens
ist in die Augen springend.

Nachdem also diese — wichtigste — Frage gelöst erscheint, tritt als nächste die
nach der Art der Brustwehr um den oberen Umgang ein.

Es ist in Übereinstimmung mit allen einsichtigen Beurteilern1 anzunehmen, daß
dieser obere Umgang keines Zugangs durch eine Treppe bedurfte, vielmehr vollständig
durch ein geschlossenes Geländer eingefaßt war. Dieses Geländer mußte jedoch eine
Türe haben.

Der obere Kuppelraum enthielt, wie ich als sicher annehme, den Sarkophag des
großen Königs, jedenfalls gerade unter dem in der Mitte am gewölbten Riesendeckstein
aufgemalten roten, mit farbigen Steinen besetzten gleichschenkligen (also nicht aria-
nischen) Kreuze. Die rechteckige Apsis ist nur etwa 1,75 m breit, demnach zu kurz,
um den Sarkophag aufzunehmen. In ihr ist ein kleiner Altar zu denken; wohl für den
Gottesdienst am Bestattungstage.

Ohne Zweifel hatte man den Grabraum durch eine Bronzetüre fest verschlossen,
wie man die Gräber der germanischen Könige gerne möglichst unzugänglich machte;
den Umgang umgab jene Brüstung, in der sich denn eine verschließbare Öffnung befunden
haben muß, wie ja schon jene Bronzetüre, von der die Spuren der tief eingehöhlten Angeln
noch vorhanden sind, den Grabraum von der Welt trennte.

So ist der obere Raum als gänzlich abgeschlossen, vielleicht nur an seltenen
Gedenktagen zu öffnen, anzunehmen; der Zugang wurde dann durch eine jedesmal
wieder wegzunehmende Treppe bewerkstelligt.

Der untere Baum dagegen war zu ebener Erde zugänglich und hat Kreuzform;
er lehnt sich daher in der Anordnung an das auch in Ravenna befindliche Grabmal
der Galla Placidia an, von ebenfalls kreuzförmigem Grundrisse, in dessen drei Kreuz-
flügeln bis heute noch die Sakophage der Kaiserin und zweier Kaiser stehen.

1 Mothes ausgenommen, der merkwürdigerweise die beiden Steintreppen von 1780 für ursprüng-
lich ansieht. Das widerlegt sich jedoch schon dadurch, daß diese merkwürdige Treppenanlage ohne die
heuligo bedeutende Erhöhung des Terrains undenkbar ist, folglich einer viel späteren Zeit angehören muß.
 
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