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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Haupt, Albrecht: Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0051

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Die äußere Gestalt des Grabmals Theoderichs zu Ravenna und die germanische Kunst. 39

Diese Zimmerleute standen naturgemäß, an eine ganz andere Konstruktions-
weise gewöhnt, dem ihnen fremden Steinhau äußerst vorsichtig und skeptisch gegenüber.
Vor allem muß der Gewölbe- und Bogenbau von Anfang an ihr Mißtrauen erregt haben,
da sie (ganz ähnlich wie die Syrer in den Gegen-
den, wo man den Steinbalkenbau .pflegte) die Öff-
nungen mit Vorliebe horizontal oder durch lang-
sames Vorkragen überdeckten, wo es sein mußte,
Scheinbögen aus den überdeckenden Steinbalken
herausschnitten, bei horizontalen Überdeckungen
öfters nach dem Muster verzahnter Holzträger un-
gemein komplizierte verzahnte scheitrechte Bögen
konstruierten, und, wo sie wirkliche Bögen aus
Schnittsteinen machten, diese oft ganz aus inein-
ander gezahnten Keilsteinen herstellten. Daß ihnen
bei den ersten Versuchen dazu irgendein freund-
licher syrischer Werkmeister mit Rat zu Hülfe
kam, braucht nicht als unmöglich bezeichnet zu
werden; denn in Syrien kommen vereinzelte ver-
zahnte Bögen auch vor. In Spanien bei den Bau- Abbildung 15. Giebel von a Maria de Naraneo
ten der Westgoten, insbesondere den letzten in bei Oviedo.

Asturien, ist diese Art der Konstruktion weit ver-
breitet. Allerwenigstens pflegen die Schlußsteine der Bögen als Hakensteine ausgebildet
zu sein; Überblattungen in Steingesimsen sind nichts Seltenes (Abb. 15).1
Aber in der ganzen Welt gibt es wohl kein Bauwerk, an dem die
Anwendung der Hakensteine oder die Verzahnung der Gewölbsteine so-
wohl bei Rund- wie bei scheitrechten Bögen so vollständig durchgeführt
wäre, als am Theoderich-Grabmal. — Diese Eigentümlichkeit ist von
jeher auffällig gewesen, zuletzt hat auch Dürrn sie merkwürdig und
recht wenig begründet und überflüssig gefunden.

Ein anderer charakteristischer Beweis der Beteiligung germanischer
Zimmerleute am Werksteinbau spricht in einer besonderen Art der Be-
handlung der Gesimse zu uns. Der Holzbau stellt ja für seine Zwecke
zunächst eine große Zahl vierkantiger Balken her, die er zusammenbaut,
und aus denen er sodann seine Architektur wie den Schmuck des Bau-
werkes herausarbeitet — oder vielmehr in die er sie hineingräbt. — Er
kennt nicht das Verfahren des wahren Hausteinbaus, der die späteren
Vorragungen als Vorsprünge oder Bossen stehen lassen muß, — weil
der Holzstamm die hierzu erforderliche Materialmasse ohne ungeheuren
Abbildung 16. Verlust nicht hergibt. Deshalb kennzeichnen sich auch alle echt ger-
Ostgotische manischen Stützen aus Stein, deren man aus jener Zeit in Italien und
Marmorsäule. sonst noch genug findet, dadurch, daß sie mit Kapitell und Fuß stets
Museum Ravenna. aug einem regelmäßigen umschriebenen Parallelepipedon — oder Stein-
balken — herausgehauen sind, unter möglichster Schonung der Masse. Profile u. dgl.

i Die Araber in Spanien haben diese Konstruktionsweise, genau wie die Hufeisenbögen, von den
Westgoten übernommen. Auf letzteres macht auch Strzygowski aufmerksam.
 
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