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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Heft 6 [März 1908]
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Rott, Hans: Bauspäne von einer anatolischen Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0179

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Bauspäne von einer anatolischen Reise. 167

Kunstgelehrte Madrazo, der diesen Stil den lateinisch-byzantinischen oder westgotischen
nennt, verlegt diese Kirche, wie auch die stilistisch sich anschließende der Ermita von
Banos ins VII. Jahrhundert. Wir sind bis jetzt allerdings über die frühesten Bauten
Spaniens schlecht unterrichtet, namentlich wissen wir nichts über die zweifellos nicht
unbedeutende Bauentwicklung der Westgoten im VI. und VII. Jahrhundert. Und doch
haben die Kirchenkonzilien des VIf. Säkulums die Baukunst in Spanien mächtig gefördert.
Interessant wäre es, an den Tag zu bringen, ob die Basilianermönche, die vom Orient
nach Sizilien und Süditalien kamen und dort ihre Spuren in kirchlichen Denkmälern
und in einer der kappadokischen sehr verwandten Freskenmalerei ihrer Höhlenkapellen
hinterließen, die Vermittler der Hufeisenbogenform nach dem fernen Westen waren
oder ob lediglich das Reitervolk der Araber dieselbe «auf ihrem Sattel» nach Spanien
brachte. Daß sie ihn nicht erfunden haben können,
beweisen ja auch diese neuen Denkmäler aus den
Gegenden jener uralten Hettiter.

Ubersteigen wir die Pyrenäen, so treffen
wTir in Südfrankreich die herrlichen Gewölbebauten,
die tonnenüberdeckten Saalkirchen, die einschiffigen,
kreuzförmigen Kuppelbasiliken mit weit ausladen-
dem Querschiff, mit dem öftern 5/s Chorschluß. Wir
wissen nicht, wie ihre Vorgänger in der merowin-
gischen und frühkarolingischen Epoche aussahen.
Warum haben die Kuppelkirchen gerade in Aqui-
tanien Anwendung gefunden und anderswo nicht?
fragt ein hervorragender moderner Historiker der
Baukunst. Für die frühromanische Zeit wird heute
wenigstens «ein größerer byzantinischer Einfluß»
in diesen Ländern zugestanden. Wer kühn mit
Jahrhunderten zu rechnen versteht, wird keck auf
die Goten weisen, die ihre Kultur von den Ufern des Schwarzen Meeres mitbrachten,
auf ihren großen Plünderungszug durch Kappadokien im III. Jahrhundert, wTobei auch
die Eltern ihres größten Apostels Ulfilas, geborene Kappadokier, mit fortgeschleppt
wurden, um so die Kette von Kleinasien bis zur Garonne zu schließen. Doch da ver-
liert sich der sichere Pfad der Geschichte. Ein anderer mag mit mehr Recht in den
einfachen Kreuzkuppelkirchen des kleinasiatischen Hochlandes die Prototypen der großen,
untergegangenen Apostelkirche am Bosporus erkennen und die rote Linie bis S. Nazaro
Grande in Mailand und selbst bis San Marco ziehen. Wer mag die Wurzeln und
Fäden aller Erscheinungen verfolgen? Schließlich bleibt doch die Weise, wie das Über-
kommene und Übernommene verwertet und zum Fertigen, Vollkommenen ausgestaltet
wurde, die Hauptsache, die künstlerische Tat auch in der Geschichte der Baudenkmäler.

Abbildung 14.
Grundriß einer Höhlenkapelle im Soandere.

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