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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Schulz, Bruno: Die Ergänzung des Theodorich-Grabmals und die Herkunft seiner Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0212

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200 Bruno Schulz-Hannover.

oberen zu setzen waren», aber dazu ist dann nicht ein sorgfältig gearbeiteter Rundbogen
nötig, der sich achtzehnmal genau gleich wiederholt; wenn man ihn aber ausarbeitete,
so hätte man ihn auch wenigstens konzentrisch mit den sichtbaren Bögen gemacht.
Außerdem sind die Bögen da, wo sie nach Haupt einbinden müssen, durchbrochen,
und wo sie nicht durchbrochen sind, gerade da wieder sind sie hinten künstlich weg-
gearbeitet und binden nicht ein.

Nun betrachte man aber den Querschnitt durch das marmorne Bogenstück,
das Haupt zu seiner Rekonstruktion heranzieht (Abbildung 1). Der Stein ist hinten
parallel zur Vorderflucht gradflächig bearbeitet, und das durchbrochene Or-
onx. nament sitzt auch für die Ansicht von hinten ebensoweit vertieft hinter der
Fläche wie vorn, woraus folgt, daß der Stein von beiden Seiten freigestanden
hat, also wohl zu einem Altarbaldachin gehört hat, wie es auch das Inven-
tar des Museums angibt. Es ist also, wie ausdrücklich hervorgehoben werden
muß, absolut unmöglich, daß das von Haupt angeführte Marmorbruchstück
etwa, wie Haupt will, «ein letzter Rest der verloren gegangenen Architektur
sein kann», ebenso unmöglich aber auch, daß es ein ähnliches Stück sein
kann, das zum gleichen Zweck verwandt worden wäre, da es sicher bestimmt
war, auf beiden Seiten freizustehen, nicht in eine Wand einzubinden.

Kann aus allen diesen Gründen die vorgeschlagene Rekonstruktion
nicht als richtig gelten, so entsteht von neuem die Frage, welcher Art denn
nun die ursprüngliche Dekoration war.

Sie war offenbar für jede einzelne Wand getrennt ausgebildet.
Die Einbindungen, die um die Gebäudeecken laufen, haben nur 5—6 cm









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Ajjb j Höhe, können also, wenn sie nicht als spätere Zutaten aufzufassen sind, nur
Quer- ein ganz unbedeutendes Gesims getragen haben, das eine kleine obere Be-
schnitt krönung der Zehneckswand bildete und mit der übrigen Dekoration sonst
eines nichts zu tun hat. Wie aber sah diese Dekoration jeder Wand aus?
,..°fen" Nun, diejenigen Teile davon, die begrifflich dabei die Hauptsache

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Museum sind, sind uns ja noch unbeschädigt erhalten: Es sind die flachen Nischen,
zu die zu je zweien in jeder Wandfläche sitzen. Der Künstler hat also zu dem

Ravenna. Motiv gegriffen, das seit 500 Jahren gang und gäbe war, wenn es galt, einen
begrenzten Waudabschnitt architektonisch-plastisch zu schmücken, der Nische,
dem Motiv, das in der zweiten Hälfte dieser Entwicklungszeit die anderen zur Glie-
derung und zum Schmuck der Wand erfundenen Motive, die Horizontalgliederungen
sowohl wie die Vertikalgliederungen durch Pflaster und Säulen, fast ganz verdrängt
hatte. Die Nischen erscheinen in dieser Zeit meist reich umrahmt und oft in Reihen
zu mehreren nebeneinander. Die Umrahmungen bestehen aus flankierenden Pflastern,
Halbsäulen oder frei vor die Wand gestellten Säulen, die einen Giebel oder einen Rund-
bogen tragen.1 Der Rundbogen tritt dabei in älterer Zeit nur über im Grundriß halb-
kreisförmigen Nischen auf, die oben mit einer Halbkuppel (Oonche) geschlossen sind,
dann aber, namentlich wenn mehrere nebeneinander gereiht erscheinen, auch wie hier
über rechteckigen Nischen (oder bei Reihenanordnung selbst über Wandfeldern, die gar
keine Nische haben). Fast auf allen dekorierten Wänden, die wir aus dieser Zeit haben,

1 Vergl. Bruno Schulz, Bogenfries und Giebelreihe in der römischen Baukunst. Jahrbuch d. Kaiserl.
Archäol. Inst., Bd. XXI, 1906, Heft 4, S. 221.
 
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