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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Schulz, Bruno: Die Ergänzung des Theodorich-Grabmals und die Herkunft seiner Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0213

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201

an Gebäuden wie im kleinen an Sarkophagen tritt uns so die Nische in einer reichen
Zahl von Kombinationen und Variationen entgegen. Auch hier zierte der Künstler das
Hauptgeschoß des Grabmals nicht durch ein Bekrönungsgesims mit Fries, auch nicht
durch eine Kinghalle, sondern schmückte jede Wand einzeln mit je einem Paar
architektonisch umrahmter Nischen (Abbildung 2). Erhalten sind uns von dieser
Dekoration die Nischen selbst, sowie die Einbindungen für die Bogengebälke darüber,
die in ihrer Form diesen, wie wir annehmen müssen, möglichst genau entsprachen. Die
frei vor die Wand gesetzten flankierenden Säulen sind wie ihre Gebälke verschwunden,
ebenso auch ihre Standspuren, da die oberste Schicht des Umgangs erneuert worden ist.
Ihre obere Schaftdicke können wir aus der zwischen 17 und 19 cm schwankenden
Breite für die Einbindung ihrer Architrave entnehmen. Danach könnte die Gesamthöhe
der Säulen bei etwa 22 cm unterem Durchmesser etwa 1,80 m bis 2,20 m betragen
haben. An der Türwand (Abbildung 6) ist die - _

Tür gerade so breit wie an den anderen Wän-
den die beiden Nischen mit Mittelpfeiler. Die
Wanddekoration mußte sich also hier auf zwei
Einzelsäulen mit ihren Gebälkkröpfen beschrän-
ken, die die Tür flankieren.

Die bogenförmigen Ausarbeitungen hören
an allen Wänden (Abbildungen 2, 6 und 8)
gegen die Kanten des Gebäudes hin mit steil
schräg aufsteigenden Linien auf. Diese sind
die geradlinige Umschreibung der ausladenden
Kröpfe, mit denen die Bogengesimse hier en-
digen. Abbildung 3 zeigt zwei beiderseitig mit
ähnlichem schrägen Abschluß in die Mauer ein-
gelassene Steine aus den Substruktionen des
großen Tempels in Baalbek, die in ganz ähn-
licher Weise das halbkreisförmige und das gie-

belförmige Bekrönungsgebälk einer Nische tra- , Abbildung l.

, „ . . , , Eine der acht gleichen Wände des oberen

gen. Wenn wir aber nach einem Beispiel suchen Zehneckg yom Theodorich.Gl,lbmaL

wollten, das möglichst genau dieselbe Dekora-
tion zeigen soll, wie wir es für die Nischenumrahmungen am Grabe Theodorichs brauchen,
so könnten wir uns kein passenderes wünschen, als wir es tatsächlich in dem sogenannten
goldenen Tor in Jerusalem besitzen. Das Tor vermittelte einst von der Ostseite, dem
Tal Josaphat, her den Zugang zum jetzigen Haräm-esch-Scherif, dem alten Tempelplatz.
Es ist ein Doppeltor (Ein- und Ausgang) und besteht aus einer zweischiffigen Halle1,
die sich östlich nach der Feldseite, wie westlich nach der Seite des Tempelplatzes mit
je zwei Türen öffnete. Die beiden Schiffe der Torhalle sind überwölbt und durch zwei
jonische Säulen voneinander getrennt, denen an den Stirnseiten zwei Halbsäulen und
an den Längswänden je zwei Pilastervorsprünge entsprechen. Die Pfeiler zwischen den
Türen sind ebenso wie innen nach der Halle auch nach außen mit je einer Halbsäule
geschmückt. Dieser Halbsäule zwischen beiden Türen entsprechen zwei breite Pflaster

1 Der Grundriß Abbildung 4 ist ohne Maße nach dem Gedächtnis skizziert, eine genauere Auf-
nahme bei de Vogüe, Le temple de Jerusalem, Paris 1864, pl. VII—XI.
 
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