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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Schulz, Bruno: Die Ergänzung des Theodorich-Grabmals und die Herkunft seiner Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0220

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208 Bruno Schulz-Hannover.

rade in den Gräbern der altchristlichen Zeit, in Eom wie in Syrien und anderswo: die
Arkosolien, eine Form des Grabes, die wohl in Katakomben und Felsgräbern ent-
standen ist, wo man das Grab aus dem gewachsenen Stein herausarbeitete, die aber
auch in den aufgebauten Mausoleen der Zeit ebenso häufig vorkommt wie der frei-
stehende Sarkophag. In Syrien1 ist gewöhnlich bei zweigeschossigen Grabbauten das
untere Geschoß mit Arkosolien, das obere mit freistehenden Steinsärgen ausgestattet,
hier in Ravenna war es umgekehrt. Hier können im Untergeschoß nur Sarkophage ge-
standen haben, während wir die Nische im Obergeschoß höchstwahrscheinlich als Ar-
kosolium ansehen müssen, in dem der König bestattet war.

Bei den syrischen Arkosolien stimmt wie hier immer die Breite mit der Scheitel-
höhe über dem Fußboden ungefähr überein, und dies Maß beträgt manchmal wie hier
weniger als 1,80 m2, meist 2 m und steigt vereinzelt bis 2,50 m. In einem solchen
Arkosolium pflegt nicht ein besonders gearbeiteter Sarkophag3 zu stehen, sondern der
Schrein für den Leichnam wird, wo nicht das Ganze aus dem Fels gehauen wird,
durch eine vorn eingesetzte schrankenartige Vorderwand und durch die drei Wände der
Nische selbst gebildet. Der Deckel ruht auf dieser Vorderwand und auf horizontalen
Vorsprüngen der drei übrigen Wände. Diese Vorsprünge brauchen nur klein zu sein
und können zur Not am Kopf- und Fußende ganz fehlen, so daß der Deckel nur auf
der Vorder- und Hinterwand aufmht. Immerhin aber beweist die geringe lichte Breite
der Nische von nur 1,79 m, daß der König nicht von großer Körperlänge war. Das
stimmt mit einer Schilderung, die ein Zeitgenosse von ihm gibt, wo es heißt4: Er hat
ein langes und ziemlich breites Gesicht, schöne blaue Augen, überragt von braunen
Augenbrauen; er hat sehr schöne Haare, er trägt sie lang und kunstvoll geordnet, das
heißt leicht gewellt und gelockt; er ist bartlos, hat sehr breite Schultern, die Arme
haben die Dicke von jungen Baumstämmen und die Härte des Steins. Die Hand ist
gut proportioniert, aber kräftig, der Wuchs ist geschmeidig, der Rücken und die Schenkel
sind von einer unerhörten Mächtigkeit, die Füße sind wohlgestaltet, aber, da das Bein
sehr stark ist, selbst sehr groß. Er ist alles in allem von einer übermenschlichen Kraft,
der nichts widersteht. — Wir haben danach den Eindruck einer sehr kräftigen, aber
untersetzten Gestalt.

Die Gesamttiefe der Nische schwankt bei den syrischen Arkosolien zwischen
0,70 m und 1,20 m und beträgt meist 1 m bis 1,10 m, so daß, die Dicke der Vorder-
wand des Schreines mit 0,10 m bis 0,20 m und ein Vorsprung an der Hinterwand für
das Auflager der Deckplatte davon abgezogen, für die lichte Tiefe des Schreines selbst
gerade etwa die menschliche Schulterbreite oder wenig mehr herauskommt. Nehmen
wir nun hier wegen der Rundung der Wand an, daß die Vorderwand des Schreines

1 De Vogüe, a. a. O.

2 Ganz genau sind die Maße nach de Vogüe nicht anzugehen, da sie nicht eingeschrieben sind,
sondern in kleinem Maßstabe abgegriffen werden müssen.

3 Manso, S. 400—401, sagt von Theodorichs Leiche: Deinde ex sepulcro ejectus est et urna, in
qua jacuit, ex porphyretico lapide valde mirabilis, ante ipsius monasterii (S. Mariae Rotundae) aditum posita
est, quem ibi cernimus usque in praesentem diem. Diese urna ist im Jahre 1564 von S. Maria Rotunda
nach dem sogenannten Palast Theodorichs gebracht und befindet sich jetzt im Museum; es ist eine Bade-
wanne und hat sicher mit Theodorich nichts zu tun.

4 Aus den sogenannten Manuskripten der Königin Christine in Historia Wilkinorum, I, 14, in An-
notationibus Peringskiold ad vitam Theodorici, p. 241. Ich zitiere nach der französischen Übersetzung bei
Deltuf, Theodoric, roi des Ostrogoths et d'ltalie, Paris 1869, S. 180.
 
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