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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 1.1907/​8

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Bruck, Robert: Der Place Louis XV und Contants Projekt für die Madeleine-Kirche zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.19218#0241

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zu betonen, von Giebeln bekrönt werden. Eingefaßt sind diese Seitenvorbauten noch mit
Figurennischen, Medaillons und oben zu Seiten der Giebel von Trophäen bekrönt. Bei
diesen Bauten ist der Plastik ein ziemlich weites Feld der Betätigung eingeräumt, doch
überall so, daß sie nicht aufdringlich oder gehäuft wirkt und dadurch nirgends den vor-
nehmen ruhigen Charakter des Baues stört. Der reichste plastische Schmuck ist an den
Giebeln angebracht, in jedem Tympanon eine allegorische Darstellung, deren Figuren
2,925 Meter hoch waren. Für die plastischen Arbeiten waren die Bildhauer Slodtz und
Guillaume Coustou herangezogen worden. Der erste Giebel bei der rue de la bonne Morue
stellt den Ackerbau dar. Er ist verbildlicht'durch eine mit Getreideähren gekrönte Frauen-
gestalt, die in der linken Hand den Ring mit den 12 Zeichen des Tierkreises hält und
mit der rechten einen jungen blühenden Baum umfaßt. Zu ihren Füßen gewahrte man
einen Pflug und mehrere Kinder mit Getreidegarben und Ackergeräten. Der zweite Giebel
desselben Gebäudes bei der rue Royale kündete die Fortschritte des Handels durch eine
mit Perlen, Korallen und Früchten bekrönte, den Merkurstab haltende Frauengestalt.
Zu ihrer Seite sind Kindergruppen angeordnet mit Warenballen, Anker und Steuer.
Der diesem entsprechende dritte Giebel war dem Reichtum gewidmet. Eine kostbar ge-
kleidete, mit einem Diadem geschmückte Frauengestalt hält in der linken Hand ein
Schild, in dem der Platz Louis XV. eingezeichnet ist, und in der rechten eine Statue
der Minerva. Bei ihr befinden sich mehrere Genien, Versinnbildlichungen der freien
Künste, Kinder des Reichtums und des Luxus. Die Darstellung im vierten Giebel,
nahe bei dem Garten der Tuilerien, ist schwerer zu deuten. Vielleicht sollte sie die Zu-
friedenheit darstellen. Zu seiten eines Thrones sitzt auf einem Füllhorn eine mit Blumen
geschmückte Frauengestalt und blickt auf Kinder, die nach dem Klange einer Flöte
einen Reigen zu ihren Füßen aufführen.

Gerade diese Bauten Gabriels zeigen noch mehr vielleicht, wie sein Plan der
mächtigen Ecole Militaire, sein Umbau des Schlosses Compiegne und seine Wiederher-
stellung des Louvre, das zielbewußte Streben nach klassischer Bauweise.

Die Abbildung dieser Schmuckbauten zeigt uns auch die als point de vue ge-
wählte Madeleine-Kirche, deren Grundriß auf Abbildung 6, Ansicht auf Abbildung 5
und Schnitt auf Abbildung 4 ich hier nach dem Contantschen Entwürfe wiedergebe.
Die Kirche sollte ganz isoliert stehen. Sie war 117 Meter lang und 78 Meter breit. Der
Haupteingang besteht aus einer Säulenvorhalle, zu der eine 23,50 Meter breite Frei-
treppe führt. Zu beiden Seiten der Vorhalle ist je eine Kapelle, eine für die Zere-
monien der Heiraten, die andere für die Taufen. Das Innere, dreischiffig, zu beiden
Seiten je sieben Säulen, hat insofern eine ganz eigenartige Einteilung, als sich in jedem
Seitenschiffe je sechs Kapellen befinden, deren Altäre dem Schiffe zugewandt sind, und
hinter diesen Kapellen in den Scheidmauern Gänge hinführen, um den Verkehr der
Priester aus den Sakristeien des Querschiffes in die Kapellen der Seitenschiffe und in
die beiden der Vorhalle zu vermitteln. Die Priester hatten es somit, sei es um die Messe
zu lesen, um die Sakramente auszuteilen, Beichte zu hören, zu taufen oder zu trauen,
nicht, wie es sonst üblich ist, nötig, die Menge der Andächtigen zu durchqueren.1 In der

1 Diese Uniganganordnung kann ich in gleicher Weise bei keiner anderen Kirche finden. In der
Anordnung der Kapellen, der Gestallung des Querhauses und der Stellung der Kuppel haben die Kathedrale
Saint Pierre in Rennes und die Sainte Madeleine in Besancon, 1746 vom Architekten Nicole begonnen und
1830 durch Painchaux vollende!, noch die meiste Ähnlichkeit. Die Sainte Madeleine in Besancon, eines der
 
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