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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 8
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Semper, Hans: Anfänge und Ausbildung des "Rubensstiles" im kirchlichen Holzmobiliar Belgiens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0069

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im MUWn UotMlüliar

von Kans Zemper.

ie Theilung der Niederlande in zwei gesonderte
Staatswesen, welche mit dem Bündniß der
Nordprovinzen durch die Utrechter Union im
Jahre 1579 ihren Anfang nahm, wurde end-
giltig dadurch besiegelt, daß sich dem im Jahre 1598 von
König Philipp II. als Statthalter der Niederlande eingesetzten
Erzherzog Albrecht von Oesterreich nur die vom langjährigen,
blutigen Kriege erschöpften Südprovinzen unterwarfen, nach-
dem er ihre Gerechtsame bestätigt hatte, während die Nord-
provinzen den Kampf für ihre Selbständigkeit sortsctzten. Zu
diesem Ausgang trug nicht wenig auch die allmählige Ent-
fremdung beider Lan-
destheile durch konfes-
sionelle Spaltung bei.

Während in der mit
romanischen Stämnren
durchsetzten Bevölker-
ung Belgiens der Pro-
testantismus noch nie-
mals so feste Wurzeln
gefaßt hatte, wie in
Holland, so daß der
Katholizismus dort
am Ausgang des 16.

Jahrhunderts, wenn
auch größtentheils nur
durch Gewalt, doch all-
gemein wieder herrsch-
te, so bildeten in pol-
land die Anschläge der
Gegenreformation ge-
rade den Hauptanstoß
zum zähen Widerstand,
zum Siege des Protestantismus und zur Abwerfung des
spanischen Joches.

Zu der politischen und konfessionellen Trennung beider
Länder kamen dann noch soziale, nationale, sowie Jnteressen-
Gegensätze, welche die Differenzirung des Nordens und des
Südens wesentlich beschleunigten und wie im geistigen Leben
überhaupt, so vor allem auch im Kunstschaffen beider
Länder, das fortan wesentlich verschiedene Bahnen einschlug,
getreuen Ausdruck fand, während in Belgien Geld und
Macht hauptsächlich in den Händen der Fürsten, des Adels
und der Kirche lagen, und folglich ihnen auch in erster
Linie die pflege der Künste zufiel, so war es in Holland
neben dem Staat und den Gemeinwesen besonders der durch
den Seehandel bereicherte Bürger st and, welcher ihre Dienste
zur Verschönerung seines Heims in Anspruch nahm.

In Belgien bildete sich in Folge dessen auf allen Kunst-
gebieten ein mehr aristokratischer, monumentaler, ins Große
gehender Stil aus, der auch aus dem durch die Kirche ver-
mittelten regen Verkehr mit Italien Nahrung sog, wogegen
in Holland ein mehr streng nationaler, patriotischer und

demokratischer Kunstgeist sich entwickelte. Vor allem prägt
sich der Unterschied fortan in der kirchlichen Kunst beider
Länder aus. Während im Norden nicht nur während der
Bilderstürme, sondern fortdauernd ein puritanischer Ver-
nichtungskrieg gegen den größten Theil des Kirchenschmucks
der Vergangenheit geführt wurde und nur weniges Mobiliar,
wie Kanzeln, Kirchenstühle, Orgeln und Monumente für
vaterländische Helden in den ausgeraubten, kahlen Riesen-
kirchen geduldet wurden, trat in Belgien gerade jetzt eine
großartige Bauepoche der in ihrer Macht sich sonnenden
Kirche ein, die im Landesfürsten Erzherzog Albrecht und im

Adel eifrige und frei-
gebige Gönner fand.

Erzherzog Albrecht
war während seiner
23jährigen Regierung
(seit seiner Einsetzung
1598) mit wahrem
Wohlwollen bemüht,
die Wunden des Lan-
des zu heilen, die
Rechtszustände zu ord-
nen, Handel und In-
dustrie zu heben,s oweit
es die Verhältnisse ge-
statteten, und beson-
ders ließ er im Vereine
mit seiner Gattin mit
wahrhaft fürstlicher
Freigebigkeit den Kün-
sten seine Pflege an-
gedeihen, aber freilich
vor Allem im Dienst
der Kirche, in welcher er, streng katholisch erzogen, eine der
Hauptstützen des Thrones sah, ebenso wie in der Frömmig-
keit und Glaubenseinheit seiner Unterthanen das sicherste
Beruhigungsmittel für dieselben. Anlässe zur Bethätigung
seines kirchlichen Kunstsinnes boten sich ihm im reichsten
Maaße.') Nicht nur trat unter seiner Regierung ein riesiges
Baubedürfniß des Tlerus ein, vor allem der Jesuiten, welche
zwar schon seit 1586 im Lande fassen, sich aber erst jetzt in
ihrer Stellung gesichert fühlten, sowie der zahlreichen anderen
Orden und Kongregationen, welche dem Konzil von Trient
ihre Gründung verdankten, sondern vor Allem drängte sich
auch die Nothwendigkeit auf, die während der vergangenen
Wirren des Krieges und Bildersturmes verwüsteten Kirchen
wieder in Stand zu setzen und neu auszuschmücken.

') Lin Zeugniß für Erzherzog Albrechts freigebige Kunstförderung,
besonders im Dienst der Kirche, gibt Francquart in der Vorrede
zu seinem -kremier livre d'arctutecture» (tS^s), wo es heißt: »Destau-
tur rnactiinae molesqus Demplorum mouasreriorum et aeäiurn, quirl
splendoris huic uni scientiae attulerit praesentia vestra; partim privato
usui, partim publico, summa magnificentia et majestate extructae«.

Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbevereins München.

*895. Heft 6. (Bg. *.)
 
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