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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 10
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Dedreux, Oskar: Die Beleuchtungskörper im neuen deutschen Reichstags-Gebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0085

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99- Beleuchtungskörper für das Reichstagshaus. — Detail vom Lüster in der großen Wandelhalle. — Naaßstab circa ‘/^s-
(Diese und die auf den Seiten 78—8( folgenden Abbildungen sind nach den (Original Entwürfen von ©. D edreur hergestellt.)

Entworfen von Archit. O. Dedreur, ausgeführt von der Maschinenfabrik L. M. Riedinger in Augsburg.

^allots Verdienst um die bildende Aunst wurde in
diesen Blättern schon des Gestern gestreift. Wie
sein Merk selbst eines der monumentalsten archi-
tektonischen Gebilde der Neuzeit ist, so hat er
an und in dessen Mauern der j)Iastik den breitesten Spiel-
raum gewährt und im Innern des Dauses auch der Malerei
ganz hervorragend Gelegenheit zur Entfaltung gegeben.
Vielleicht bietet er sogar der letztem, wenn es das Glück und
die Volksvertretung will, in nicht zu ferner Zeit die größte
Aufgabe, die überhaupt die Gegenwart zu vergeben hat.

Aber nicht der „hohen" Aunst allein, hatte er seine
Fürsorge gewidmet, in ganz großartiger Meise wußte er
auch das Aunstgewerbe zur Geltung zu bringen. Ich er-
innere nur an die monuinentalen Glasgemälde der Eingangs-
zellcn, an die gemalte Glasdccke des Sitzungssaals, an die
vielen genial componirten und aufs Sorgfältigste ausgeführten
Holzschnitzereien in allen hervorragenden Räumen, an die
schönen Intarsien, an die äußerst glückliche ornamentale
Durchbildung der Möbel, Vertäfelungen, der Decken in ljolz,
Stuck und Stein, an die trefflichen Schmiedeeisenarbeiten der
Treppengeländer, Thüren und Thore, an die Lederplastik
der Sitzmöbel, die gewirkten Tapeten, die prächtigen Teppiche
— ja man kann vielleicht nicht mit Unrecht sogar die große
Auppel als ein — allerdings gigantisches — Merk des Aunst
gewerbes — der Aupfertreibtechnik — bezeichnen.

wie den großen Meistern der Renaissance war ihm in
seinem Gebäude kein Gegenstand zu groß, keiner zu gering-
fügig, um nicht dessen vollendetste Aunstform anzustreben.
Für ihn existirte eben kein Unterschied zwischen sogenannter
„hoher" Aunst und Aunstgewerbe und er betrachtete das
letztere nicht als die verächtliche Stieftochter, sondern als die
jüngere Schwester der Architektur und schon diese Werlh
schätzung des Aunsthandwerks prädestinirte ihn zu einem
Apostel desselben, wenn man bedenkt, daß das Reichs-

tagsgebäude in Deutschland das erste Staatsgebäude ist, in
dem inan — den leider bis heute fast allgemein gepflogenen
Gewohnheiten entgegen — das Aunstgewerbe mit reichen
Mitteln und großen Aufgaben förderte, so daß es mindestens
in einzelnen Fällen einnral zeigen konnte, wie es — richtig
gepflegt — nicht hinter dem anderer Nationen zurücksteht
— wird schon darum Wallots Verdienst um dasselbe sehr
hoch anschlagen. Mehr noch wirkte er durch die hohen
Anforderungen, die er stellte. Ihm war überall nur das
Beste „gerade gut genug" und er wünschte, wie er sich ein-
mal selbst ausdrückte, alle Objekte seines Baues so vollendet
durchgeführt, duß man sie als Typen unserer Zeit und als
Vorbilder für alle Zeiten ansehen müsse. Dieß zu erreichen,
scheute er keine Anstrengung, seine Ideen, Zeichnungen und
Lehren durchzusetzen.

„Sie sollen Typen unserer Zeit werden!" Mit diesem
Schlagwort hat er seine Bestrebungen selbst am Besten prä-
zisirt, aber damit bahnte er den größten Fortschritt an, den
Baukunst und Aunstgewerbe seit einem Jahrhundert gemacht,
nämlich die Erlösung aus den Fesseln eines conventionellen
Stilschematismus. Vielleicht wird erst eine spätere Zeit diese
große revolutionäre That nach ihrem ganzen Verdienst zu
schätzen wissen, wenn einnral der egyptische Aanon ganz
abgethan ist, welcher der Weiterentwicklung der modernen
Aunst bis heule so schwere Hemmnisse in den weg gelegt-
Wird diese spätere fortgeschrittenere Epoche unsere jetzigen
Anschauungen überhaupt begreifen können?

Es nröge Schreiber dieses erlaubt sein, auf die eben-
erwähnlen Bestrebungen Wallots etwas weiter einzugehen.

wir hatten in Deutschland bis jetzt keinen eigentlichen
Styl, auch in andern Ländern war es nicht viel besser. Man
baute, ornamentirte gothisch, romanisch, Renaissance oder
Barock und wurde die größte Aunst darin gesucht, das ge-
schaffene Werk möglichst echt erscheinen zu lassen, also mög-

Zeitschrift des bayer. Au nftgewerbe-vereins München

*895. Heft \0. (Bg. {.)

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