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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 10
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Dedreux, Oskar: Die Beleuchtungskörper im neuen deutschen Reichstags-Gebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0086

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4" 78 H

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(00. Großer Lüster in dem Mittelraum der Wandelhalle des deutschen Reichstagshauses.

Nach der Originalskizze von O. Dedreux, Augsburg, gezeichnet von <£. F. lveysser, München.

lichst so, als ob dasselbe aus dem {2., s2., — f8. Jahr-

hundert stamme, Daß ein solcher Zustand unserer Aunst
ein unwürdiger, daß er ein lächerlicher ist und ein künst-
lerisches Armuthszeugniß dazu, davon wollen wir gar nicht
reden. Wan bedenke nur, in welche Eonfusion einmal
unsere Nachkommen gesetzt werden, wenn sie Gebäude und
Erzeugnisse des Aunsthandwerks aus der heutigen Epoche
auf ihre Entstehungszeit untersuchen wollen! Unsere Städte,
besonders die neueren Straßen, bilden ein eigenlhümliches
Eonglomerat von Gebäuden aller möglichen Stylarten; da
steht neben dem gothischen das Barockhaus, neben dem Re-
naissancepalast die romanische Airche, ja, was noch schlimmer
ist, selbst im Innern der Däuser herrscht keine Einheitlich-
keit, beim Eintreten in ein anderes Zimmer überschreitet
man oft einige hundert Jahre aus einmal.

Die Aunst unserer Zeit war erstarrt, äußerlich, sie war
mehr oder weniger zur Wissenschaft geworden. Diese Ueber
zeugung hatte sich, wenn auch erst bei Wenigen, schon längst
Bahn gebrochen. Den Andern, der großen Wenge und,
aus leicht erklärbaren Gründen, auch den meisten Aünstlern,
kain der genannte Anachronismus wenig zu Bewußtsein —
sie waren eben in den Anschauungen unserer Zeit ausge-
wachsen und befangen. Wan versuchte durch die verschiedent-
sten Wittel eine Besserung herbeizusühren; doch würde es

zu weit führen, spezieller daraus einzugehen; nur die ziel-
bewußten Bestrebungen des Aönigs Max II. möchte ich
kurz erwähnen, der die ganz richtige Empfindung hatte, daß
aus dem romanischen und gothischen Styl — eben weil sie
den: Aünstler noch einen gewissen Fortschritt zur Entwicklung
lassen — ein neuer moderner germanischer Styl geschaffen
werden könne. Wan weiß, wie kläglich diese Versuche
scheiterten und scheitern mußten; die damaligen Aünstler
hielten sich zu sehr an die Aeußerlichkeiten der genannten
Stylarten und naschten nur mechanisch ihre Einzelheiten.
Auch läßt sich verstandesmäßig und auf Lommando ein
neuer Baustyl nicht zu Stande bringen. Ein solcher konnte
nur entstehen in dem Geist eines eben so sein empfindenden,
wie scharf denkenden Aünstlers, der überdieß die einzelnen
Stylgattungen so genau kannte, um im Stande zu sein, deren
innerstes Wesen herauszufinden. Noch mehr, er nmßte
fähig sein, das Verwandte, Affimilirfähige der heterogensten
Stylepochen zu entdecken und zu verwenden und trotzdem
doch eine festgeschlossene Individualität besitzen, um sich die
Frische und den ganzen Zauber der Ursprünglichkeit zu be-
bewahren. Und diese Voraussetzungen trafen bei Wallot zu.
Das von ihm Geschaffene erinnert in seinem Detail an alle
möglichen Style und doch ist es weder römisch noch barock,
weder gothisch noch romanisch, obgleich es von all' diesen
 
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