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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1895

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Heft 10
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Dedreux, Oskar: Die Beleuchtungskörper im neuen deutschen Reichstags-Gebäude
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https://doi.org/10.11588/diglit.6756#0087

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Stylarten etwas hat; es ist eben etwas ganz Individuales
geworden. Der Styl ist trotz allen Anklängen an die Ver-
gangenheit ein neuer und man wird denselben sicher später
als wallotstyl bezeichnen.

Schreiber dieses, dem vom Reichstagsbaumeister die
Entwürfe der Beleuchtungskörper anvertraut wurden und
dem es obliegt, über diesen Zweig des Aunstgewerbes hier
zu referiren, mußte obige Erläuterungen vorausschicken, ehe
er zur Beschreibung der einzelnen Apparate übergeht. Sie
mögen dasjenige erklären, was dem Unbefangenen in den
beigegebenen Illustrationen vorerst fremdartig, oder auf Un-
kenntniß der Stylarten zu beruhen scheint. Die Styl
Mischung, wie sie die Amerikaner naiv oder aus Mangel
vollkommener Stylkenntnisse vornehnren, wurde hier — wie
bei den meisten unter wallots Einfluß entstandenen Run st
Objekten — mit vollster Absichtlichkeit durchgeführt. Es
möge auch auszusprechen erlaubt sein, daß die anregende
Persönlichkeit wallots, sein ernstes wollen, Nichts, was an
Eopien alter Meisterwerke erinnere, anzuwenden, auf die
Bearbeitung dieser Projekte vom größten Einfluß war und
daß speziell die mit größter Liberalität zum Studiuin zur
Verfügung gestellten Handskizzen des Meisters die werthvollsten
Fingerzeige gaben.

Der große Bronzekronleuchter der Auppelhalle ist im
Prinzip sogar der ureigenste Gedanke wallots und wenn
man die Schwierigkeit der Aufgabe bedenkt, zwölf Bogen-
lampen und einige hundert Glühlampen unterzubringen,
wobei die ersteren überdieß noch soweit auseinandergehängt
werden müssen, daß sie den Raum möglichst gleichmäßig
erleuchten, während die letzteren den Auppelgemälden das
nöthige Licht zu geben die Aufgabe hatten, wenn man ferner
erwägt, daß die Reifform des Lüsters die einzige Gestaltung
ist, deren Formgebung verhältnißmäßig am wenigsten Platz
in Anspruch nimmt und so den Durchblick auf die Decken-
gemälde am geringsten beeinträchtigt, dann wird man den
sichern genialen Blick wallots auf diesem ihm sonst fremden
Gebiet umsomehr bewundern, als ihin damals der große
Barbarossalüster im Aachener Münster, an den zu denken
aus mehreren Gründen so nahe lag, nicht bekannt war.

wir geben auf Seite 78 eine perspektivische Skizze, nach
welcher die Hauptform des Lüsters und feine Wirkung im
Raum beurtheilt werden mag, auf Seite 77 das Detail des
Ringes. Die ornamentale und figurale Durchbildung dieses
größten und mächtigsten aller Ringkronen ergab sich aus
folgenden Erwägungen: Die Fresken oder Mosaikbilder der
Auppel verherrlichen voraussichtlich die größten Momente
des alten deutschen Raiserthums; im Mittelpunkt der Halle
soll aber später das Reiterstandbild Wilhelm I., als Be-
gründers des neuen deutschen Reiches, seinen Platz finden
und so kam cs von selbst, daß der Lüster die geistige Ver-
mittlung zwischen beiden projektirten Kunstwerken, zwischen
altem und neuem Reich, zu übernehmen hatte. Es lag nun
nahe, diejenigen Personen aus unserer alten Geschichte als
schmückende Figuren am Lüster anzubringen, die am Meisten
zur Ausbildung und Ausbreitung des Deutschthums beige
tragen hatten und dadurch das neue deutsche Reich vorbe-
reiten halfen. Die Gestalten der großen Aaiser verboten
sich von selbst, denn diese spielten gewiß in den Fresken
schon eine hervorragende Rolle; zunächst kamen die großen
Staatsmänner und Feldherren in Betracht, die Deutschland

urm.C S

joj. Lüster im Restaurationssaale.

Für das Reichstagshaus entworfen.

Vjo der wirklichen Größe.

schon in alter Zeit zusammenschweißten oder vertheidigten
oder neue Provinzen dem germanischen Geist unterworfen
hatten. Daß aber neben dem Helden des Schwertes die des
Geistes nicht fehlen konnten, besonders diejenigen, welche die
deutsche Sprache geradezu geschaffen und dadurch deutsches
Geistesleben erst ermöglicht hatten, Alfilas und Luther, war
selbstverständlich. — Bei der Auswahl stand mir Herr Prof.
Wilhelm Vogt in Augsburg hilfreich zur Seite, wofür dem-
selben der herzlichste Dank ausgedrückt sei.

Die Figuren sind, nach der Zeitenfolge ihres Lebens
angeordnet, die folgenden; die schon erwähnten nochmals
angeführt:

Der Gothenbischof Ulfilas, als Urheber der deutschen Schriftsprache.

Winfried Bonifazius, Apostel der Deutschen.

Roland, als Verkörperung deutscher Stärke und deutschen Ritter-
thums.

Eginhard, Staatsmann und Geschichtsschreiber Karl's des Großen.

Erzbischof Bruno, der gewaltige Kanzler Gtto I.

Markgraf kierr, der Slavenbezwinger.

kjerrmanu Billung, der Städteerbauer.

Reinold v. Dassel, Minister Barbarossas.

Gtto v. Mttelsbach, der Bannerträger des Reichs.

Albertus Magnus, der große Gelehrte.

kierrmann v. Salza, der Germanisator Preußens und

Luther, der Reformator.

Die Modelle zu denselben wie zum ganzen übrigen
Schmuck des Lüsters stammen von der Hand des Berliner
(einst Münchener) Bildhauers August Vogel, der — es
möge die kleine Abschweifung erlaubt sein — in Ueberein-
stimmung mit wallst von dem Studiuin romanischer und
gothischer Vorbilder (nicht ihrer Nachahmung), ein Mann
licherwerden und eine Erneuerung der deutschen Skulptur
erstrebt. Er hält die romanische und gothische Bildnerei,
schon weil sie auf germanischem Boden erwachsen, dem
deutschen Charakter angemessener, als die auf uns immer
 
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