ZU DEN BILDERN VON ROBERT EIGENBERGER
VON GEORG SA1KO
Die Malerei Robert Eigenbergers, der als
Vierzigjährigermit dem Anspruchrepräsen-
tativer Geltung vor die Öffentlichkeit tritt, steht
außerhalb der Einflußsphäre des französischen
Nachimpressionismus. Sie hat weder Teil an
der Auseinandersetzung mit den Formenkreisen
der „ exotischen Primitiven ", noch an der Heraus-
bildung eines der impressionistischen Aera ent-
gegengesetzten visuellen Systemes, wie es die
„Neue Sachlichkeit" mit überspitzter Program-
matik zu formulieren versucht. Die konstitutiven
Faktoren von Eigenbergers Kunst sind im Ba-
rock und im Impressionismus enthalten, in deren
prinzipieller Stellung zum Raum und zum Gegen-
stand; aber Eigenberger entwickelt sie nach
einer Richtung, welche — im Gegensatz zu den
prävalierenden Zeitströmungen — die vermeint-
liche Abgeschlossenheit des impressionistischen
Erlebnisses völlig illusorisch macht.
In der formalen Tendenz lassen sich die
künstlerischen Bewegungen, die dem Impressio-
nismus gefolgt sind, gewissermaßen auf einen
gemeinsamenNennerbringen: die naturalistische
Grundeinstellung der Impressionisten, ihr Nu-
ancenreichtum atmosphärischer Flächen wurden
ersetzt durch Vereinfachungen, deren schwan-
kende Zielvorstellung in der Richtung formel-
hafter Typik liegt. Wenn auch diese Bewegung
zur Typik (die eine allgemein gültige Abstrak-
tion an die Stelle des naturalistischen Gegen-
standes setzen wollte, aber ein Konglomerat
aus geometrischen Elementen und deformierten
Wirklichkeitsbruchstücken war) einem neuen
überwiegend naturalistischen Verhalten ge-
wichen ist, so besteht die Tendenz zur Verein-
fachung im Kolorismus doch weiter. Hie-
rin ist sie als Allerweltskriterium „modernen
Sehens" längst populär geworden.
Dagegen greift Eigenberger auf das Prinzip
farbiger Differenzierung zurück, wie es von den
Impressionisten entwickelt wurde, aber er strebt
nach einer Erweiterung der Palette, deren Reich-
tum an zwischenstufigen Übergängen die im-
pressionistische Leistung notwendig voraussetzt,
um sie zu einer Spannweite zu führen, der gegen-
über die Farbenskala des Impressionismus auf-
fällig begrenzt erscheint.
Von dieser Konzentration auf das Problem
farbiger Differenzierungen, welche mit dem
Pleinairismus des XIX. Jahrhunderts nichts mehr
zu schaffen hat, weil sie Auswahl und Aufbau
der Farben nicht an der empirischen „Luft-
stimmung" verifiziert, geben die hier gezeigten
Schwarz-Weiß-Reproduktionen selbstverständ-
lich nur eine höchst unzulängliche Vorstellung.
Eigenbergers Formgebung gipfelt in der Er-
fassung der naturalistischen Erscheinung; sie
hat das intensive Erlebnis des Barock selbst
dort noch zur Voraussetzung, wo die diagonale
Ordnung der Komposition völlig in ein recht-
winkliges Bezugssystem hinübergeführt wird.
Entscheidend aber ist, daß die Steigerung über
das bloß Deskriptive des Bildvorwurfs hinaus
sich nicht im Bereich physiologischer Vitalität
abspielt, sondern der Ausdrucksgehalt der Form
oft erstaunlich weit in der Richtung des Ner-
vösen, Sensiblen, des Affektiven und Pathe-
tischen vorgetrieben wird. Über den Grad, mit
dem dieser intendierte Ausdrucksgehalt wirk-
sam ist, wird man sich schwer einigen in einer
Zeit, welche die Reduktion des künstlerischen
Erlebnisses auf formale Kriterien längst voll-
zogen hat und in der der Künstler — von ge-
wissen Forderungen der Wohn- und Nutz-Ar-
chitektur abgesehen — keinerlei „objektive"
Aufgaben der Gestaltung von der Gesellschaft
empfängt, weil es eine solche im Sinne einer
kulturell führenden, von einem allgemein gül-
tigen Wertsystem beherrschten Gemeinschaft
nicht gibt. Die Ursachen dieser Situation können
in diesem Zusammenhang nicht diskutiert
werden. Es mag der Hinweis auf eine der schwer
wiegenden Konsequenzen genügen, auf einen
Eklektizismus von ungeheurem Umfang, dessen
Thematik in die paar inhaltlichen Bildtypen der
impressionistischen Aera, die heute praktisch
noch immer in Geltung sind, nicht jedesmal
glücklich eingeht. Die Bedeutung solcher mytho-
logischer, biblischer u. a. Themen ist vor dem
Nachschub rationalisierter Kulturinhalte zu
romantisch-literarischen Derivaten verblaßt:
Symtom einer Zeit, die in dem Bedürfnis nach
„weltanschaulicher Totalität" oder wenigstens
„werthafter Verbundenheit" sich in die ver-
schiedensten historischen Formen des Welt-
erfassens und der Sinngebung des Daseins ein-
zufühlen versucht.
Wo Eigenberger derartige Themen aufgreift,
aktualisiert er sie, indem er sich vor allem ihres
menschlichen Kernvorganges bemächtigt, und
diesen auch dort noch psychologisch zu inter-
pretieren versucht, wo er ihn analog zubestimm-
XXXIV. März 1S31. 3
VON GEORG SA1KO
Die Malerei Robert Eigenbergers, der als
Vierzigjährigermit dem Anspruchrepräsen-
tativer Geltung vor die Öffentlichkeit tritt, steht
außerhalb der Einflußsphäre des französischen
Nachimpressionismus. Sie hat weder Teil an
der Auseinandersetzung mit den Formenkreisen
der „ exotischen Primitiven ", noch an der Heraus-
bildung eines der impressionistischen Aera ent-
gegengesetzten visuellen Systemes, wie es die
„Neue Sachlichkeit" mit überspitzter Program-
matik zu formulieren versucht. Die konstitutiven
Faktoren von Eigenbergers Kunst sind im Ba-
rock und im Impressionismus enthalten, in deren
prinzipieller Stellung zum Raum und zum Gegen-
stand; aber Eigenberger entwickelt sie nach
einer Richtung, welche — im Gegensatz zu den
prävalierenden Zeitströmungen — die vermeint-
liche Abgeschlossenheit des impressionistischen
Erlebnisses völlig illusorisch macht.
In der formalen Tendenz lassen sich die
künstlerischen Bewegungen, die dem Impressio-
nismus gefolgt sind, gewissermaßen auf einen
gemeinsamenNennerbringen: die naturalistische
Grundeinstellung der Impressionisten, ihr Nu-
ancenreichtum atmosphärischer Flächen wurden
ersetzt durch Vereinfachungen, deren schwan-
kende Zielvorstellung in der Richtung formel-
hafter Typik liegt. Wenn auch diese Bewegung
zur Typik (die eine allgemein gültige Abstrak-
tion an die Stelle des naturalistischen Gegen-
standes setzen wollte, aber ein Konglomerat
aus geometrischen Elementen und deformierten
Wirklichkeitsbruchstücken war) einem neuen
überwiegend naturalistischen Verhalten ge-
wichen ist, so besteht die Tendenz zur Verein-
fachung im Kolorismus doch weiter. Hie-
rin ist sie als Allerweltskriterium „modernen
Sehens" längst populär geworden.
Dagegen greift Eigenberger auf das Prinzip
farbiger Differenzierung zurück, wie es von den
Impressionisten entwickelt wurde, aber er strebt
nach einer Erweiterung der Palette, deren Reich-
tum an zwischenstufigen Übergängen die im-
pressionistische Leistung notwendig voraussetzt,
um sie zu einer Spannweite zu führen, der gegen-
über die Farbenskala des Impressionismus auf-
fällig begrenzt erscheint.
Von dieser Konzentration auf das Problem
farbiger Differenzierungen, welche mit dem
Pleinairismus des XIX. Jahrhunderts nichts mehr
zu schaffen hat, weil sie Auswahl und Aufbau
der Farben nicht an der empirischen „Luft-
stimmung" verifiziert, geben die hier gezeigten
Schwarz-Weiß-Reproduktionen selbstverständ-
lich nur eine höchst unzulängliche Vorstellung.
Eigenbergers Formgebung gipfelt in der Er-
fassung der naturalistischen Erscheinung; sie
hat das intensive Erlebnis des Barock selbst
dort noch zur Voraussetzung, wo die diagonale
Ordnung der Komposition völlig in ein recht-
winkliges Bezugssystem hinübergeführt wird.
Entscheidend aber ist, daß die Steigerung über
das bloß Deskriptive des Bildvorwurfs hinaus
sich nicht im Bereich physiologischer Vitalität
abspielt, sondern der Ausdrucksgehalt der Form
oft erstaunlich weit in der Richtung des Ner-
vösen, Sensiblen, des Affektiven und Pathe-
tischen vorgetrieben wird. Über den Grad, mit
dem dieser intendierte Ausdrucksgehalt wirk-
sam ist, wird man sich schwer einigen in einer
Zeit, welche die Reduktion des künstlerischen
Erlebnisses auf formale Kriterien längst voll-
zogen hat und in der der Künstler — von ge-
wissen Forderungen der Wohn- und Nutz-Ar-
chitektur abgesehen — keinerlei „objektive"
Aufgaben der Gestaltung von der Gesellschaft
empfängt, weil es eine solche im Sinne einer
kulturell führenden, von einem allgemein gül-
tigen Wertsystem beherrschten Gemeinschaft
nicht gibt. Die Ursachen dieser Situation können
in diesem Zusammenhang nicht diskutiert
werden. Es mag der Hinweis auf eine der schwer
wiegenden Konsequenzen genügen, auf einen
Eklektizismus von ungeheurem Umfang, dessen
Thematik in die paar inhaltlichen Bildtypen der
impressionistischen Aera, die heute praktisch
noch immer in Geltung sind, nicht jedesmal
glücklich eingeht. Die Bedeutung solcher mytho-
logischer, biblischer u. a. Themen ist vor dem
Nachschub rationalisierter Kulturinhalte zu
romantisch-literarischen Derivaten verblaßt:
Symtom einer Zeit, die in dem Bedürfnis nach
„weltanschaulicher Totalität" oder wenigstens
„werthafter Verbundenheit" sich in die ver-
schiedensten historischen Formen des Welt-
erfassens und der Sinngebung des Daseins ein-
zufühlen versucht.
Wo Eigenberger derartige Themen aufgreift,
aktualisiert er sie, indem er sich vor allem ihres
menschlichen Kernvorganges bemächtigt, und
diesen auch dort noch psychologisch zu inter-
pretieren versucht, wo er ihn analog zubestimm-
XXXIV. März 1S31. 3