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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Hillig, Hugo: Volkstümliche Dekorationsmalerei
DOI Artikel:
Pudor, Heinrich: Das Kunstgewerbe auf der Leipziger Michaelismesse 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0063

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VOLKSTÜMLICHE DEKORATIONSMALEREI







schulen. Ich wünschte, es wäre möglich, im Bilde vorzuführen,
wie sich diese Institute an der Entwicklung der Dekorations-
malerei auf breiter Grundlage versündigen.

Die Wirkung der Schablonen- und Pausenfabriken ist noch
verderblicher als die der Privatfachschulen für Dekorations-
malerei, denn sie stehen gerade dem im Wege, was zu einer
inneren Gesundung der Dekorationsmalerei führen muß.
Zweifellos ist die Schablone aus dem Gewerbe nicht wegzu-
denken; es ist auch wirtschaftlich gar nicht möglich, die Schablone,
das Arbeit sparende Werkzeug, auszuschalten. Es ist auch nicht
möglich, zu verlangen, dali alle Malermeister ihre Schablonen
selber zeichnen und schneiden. Aber, wenn dem so ist, so muß
wenigstens verlangt werden, dali die Schablone, die Handels-
artikel ist, von einwandfreier künstlerischer Qualität und nicht
das Produkt halbfertiger Zeichner sei, die mit der Praxis auf
gespanntem pulse stehen, und die von Raumdekoration und
dekorativer Wirkung gar keine Ahnung haben.

Eigentlich ist das freilich ein Kapitel für sich, aber es war zu
erwähnen, weil es die neuere Dekorationsmalerei des Durch-
schnitts so heillos herabdrückt, und weil es dann dazu kommen
muH, daß die Dekorationsmalerei genau wieder auf dem alten
Flecke steht, auf dein schon einmal ihre Stagnation begann.
Neue Dekorationsmaterialien drängen sich in die moderne
Innendekoration ein, und die unglückselige Dekorationsmalerei,
wie sie einmal von einem Vertreter des preußischen Handels-
ministeriums genannt wurde, hat nun einmal das Pech, daß
gerade sie von solchen Neuerungen, mögen sie gut oder böse
sein, am ersten und am empfindlichsten getroffen wird.

Aber auch aus einem anderen Grund ist diese industrielle
und skrupellose Erzeugung von Malerschablonen für die Innen-
dekoration, und sei sie auch nur vulgärer Art, eine gewerbliche
Bi'unnenvergiftung. Solange die industriell erzeugte Maler-
schablone von den Dekorationsmalern konsumiert und an-
gewendet wird, solange kann sich das Gewerbe nicht zum
Besseren entwickeln. Sie unterbindet wirklich die Entwicklungs-
möglichkeit, die der Dekorationsmalerei heute geboten ist, schon
an der Wurzel. Wir haben schon eingangs gesehen, daß die
alte, überkommene künstlerische Ideologie mit ihren »möchte-
gernkünstlerischen« Ambitionen sehr fadenscheinig war, und wie
gerade darin, daß die Stubenmalerei gewissermaßen ein deka-
denter Beruf ist, die Ursache ihres Verfalles lag. Man könnte
die Geschichte der angewandten Malerei noch weiter zurück-
verfolgen, und man würde dann finden, daß die Separation, von
der eingangs die Rede ist, durchaus nicht die erste war. In ihrem
Stamm setzt sich die Malerei überhaupt aus verschiedenen
Wurzeln zusammen, und die germanischen Ausüber der Mal-
kunst sind gewiß recht naive Burschen gewesen, ehe sieh ihnen
das römische Element der Kirchenmaler zugesellte.

Aber bei jenen germanischen Schildmalern ist die Wurzel zu
suchen der bäuerlichen Kunstübung, die wir heute kurzweg
Bauernkunst nennen, und die bei der Wiedergeburt der Deko-
rationsmalerei die alleroberste Patin sein sollte. Es hätte füglich
gar keinen Zweck, all die alten Beispiele bäuerlicher Kunst-
übung aufzustöbern und zu konservieren, wenn nicht deshalb

und dazu, damit unsere kunstgewerblichen Berufe aus dem
munteren und immer Irischen Born der Bauernkunst schöpfen.
Und gerade der Dekorationsmalerei sprudelt dieser Born mit
besonderer Lebendigkeit. Die Biedermeierei, an der sie jetzt
wieder einmal laboriert hat, ist gewiß auch ein Rückgriff, ein
Wiederanknüpfen an eine abgebrochene Entwicklungsgeschichte
bürgerlicher Kunst — aber für den Dekorationsmaler gibt es
einen viel mehr verheißenden Rückgriff, eine viel fruchtbarere
Anknüpfung: nämlich an die der Bauernkunst.

Audi die Bauernkunst ist in ihrer Entwicklung unterbrochen,
oder um es richtiger zu sagen, für immer gestört worden, als
Deutschland die Wandlung vom Agrarstaat zum Industriestaat
machte. Und als Bauernkunst sie fortzuführen in einer Zeit, wo
der feudale Großgrundbesitz in seiner alten Macht kaum ge-
brochen ist, wo zur Arrondierung neu entstehender Großgrund-
besitze zahllose kleine Bauernstellen verschwinden, wo das Klein-
bauerntum unter schwerer wirtschaftlicher Depression stellt, und
wo es wehrlos ist gegen die Überschwemmung gerade mit wert-
losesten »kunstgewerblichen« Industrieprodukten — in einer
solchen Zeit die spezifisch bäuerliche Kunstübung als Bauern-
kunst, als Kunst für die Landbevölkerung zu konservieren, das
ist eine Utopie. Der Großgrundbesitzer kennt keine Bauern-
kunst, und den Großbauern trennt eine tiefe Kluft von dem
Kleinbauern; dieser aber ist nicht mehr derselbe, der er und der
Großbauer noch vor 50 Jahren war.

Was aber aus der Bauernkunst der Dekorationsmalerei er-
wachsen kann, das sind tausendfache Anregungen in Form und
Farbe. Das ist vor allem auch die Abkehr von jenen prunkenden,
aber wesenlosen Dekorationsanschauungen, in denen die Deko-
rationsmalerei so groß war und doch so klein. Was diese Bauern-
kunst den Dekorationsmalern lehrt, das ist die Liebe zu dem
Ding, das zu schmücken, herauszuheben ist, und ohne solche
Liebe kann einer wohl ein Ding aufdonnern, protzig und
prahlerisch gleißen lassen, aber nimmermehr schmücken, daß
sich seine Wesenheit offenbart und ausdrückt.

Mit anderen Worten: die Bauernkunst kann die Dekorations-
malerei die wahre Volkstümlichkeit lehren, ohne die sie als Hand-
werk nicht auskommen kann. Die handwerksmäßige Dekorations-
malerei kann heute weniger als je auf Schlösser und Paläste, auf
Kirchen und Rathäuser warten — sie muss ihre Kunden auch beim
kleinen Bürgersmann und, — es wäre sehr zu wünschen — auch
beim Arbeiter suchen. Sie hat die Aufgabe, in deren Wohn-
stätten wenigstens etwas von ästhetischer Kultur, etwas von
Freude an Farbe und Form zu tragen, und da sollte sie schlechter-
dings nicht mit der Formerisprache aus den Schlössern eines
Ludwig XIV. oder Ludwig XVI. kommen.

Will die Dekorationsmalerei, die über ihr ursprüngliches

Aktionsfeld hinausgewachsen ist, ihre Existenz ungeschmälert und

ungefährdet durch Modeströinungen behalten, will sie sich vor

dem Niedergang retten, dann muß sie ein ihrer Ausbreitung

adäquates Territorium haben. Das hat sie nicht, wenn sie sich

auf den Luxus verläßt — das hat sie aber sehr bald, wenn sie

ein volkstümliches Kunstgewerbe wird.

Hugo Hilhg.

DAS KUNSTGEWERBE AUF DER LEIPZIGER MICHAELISMESSE 1908.

»Wir führen dasselbe Service in Kupfer und Nickel, den
gleichen Pokal haben wir in Silber und Zinn, wir haben diesen
Weinkühler in Messing und Messing versilbert« — solche und

ähnliche Reden hört man noch heute ständig in den Muster-
lagern der Leipziger Messe, und sie sind charakteristisch genug
dafür, wie weit wir noch immer von der Erfüllung der grund-
 
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