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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Der 19. Delegiertentag in Halle
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0173

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DER 19. DELEQIERTENTAG IN HALLE







DER 19. DELEGIERTENTAG DES VERBANDES
DEUTSCHER KUNSTGEWERBEVEREINE

(Schluß aus der vorigen Nummer.)
a Im Auftrag des Kunstgewerbe-Vereins in Magdeburg
referierte Dr. Paul Ferdinand Schmidt aus Magdeburg
über die Möglichkeit einer Mitwirkung der Kunstgewerbe-
vereine auf dem Gebiete des Denkmalschutzes und des
Städtebaues. Sein Vortrag wurde von der Versammlung
zuerst mit Erstaunen, später aber mit wachsendem, sym-
pathischen Interesse aufgenommen. Man glaubte anfäng-
lich, daß eine Einwirkung der Kunstgewerbevereine auf
die Städtebau - Fragen doch wohl über den Rahmen der
dem Verbände vorgeschriebenen Tätigkeit hinausgehen
möchte und mehr den Architekten vorbehalten sein sollte.
Aber schließlich sind es ja meist gerade die Architekten, die
renovierungssüchtig manches alte Denkmal seines Reizes
beraubt haben und stets weniger vom ästhetischen als
vom rein stilistischen Standpunkte ausgehen. Könne also
hier die kulturschützende Auffassung der Kunstgewerbler
manche Geschmacklosigkeit der Renovatoren und Kon-
servatoren verhindern, so würden im Städtebau besonders
ihre raumbildenden Tendenzen nutzbringend sein können.
Der Antrag des Magdeburger Kunstgewerbe-Vereins wurde
in folgender Fassung angenommen: »Den Kunstgewerbe-
vereinen wird empfohlen, tatkräftig mitzuarbeiten an den
Bestrebungen des Denkmalschutzes und des Städtebaues,
an der Abfassung von Ortsstatuten gegen die Verunstaltung
von Straßen usw., und an der Erweckung des allgemeinen
Interesses für diese Fragen durch Vorträge, Preisaus-
schreiben, Verbindung mit Verkehrsvereinen, Baugenossen-
schaften und Ortsgruppen der deutschen Gartenstadtgesell-
schaft. - Das Korreferat zu den Ausführungen des Herrn
Dr. Schmidt gab der Vorsteher des Städtischen Museums
in Halle, Herr Dr. Sauerlandt, indem er darauf hinwies,
daß der Kunstgewerbe-Verein für Halle und den Reg.-
Bezirk Merseburg bereits seit einiger Zeit einen »Ausschuß
zur Erteilung von Ratschlägen in künstlerischen Fragen«
gebildet habe, der schon mehrfach von den Ortsvorstehern
kleiner Städte und Dörfer um Rat angegangen worden sei.
Er habe besonders den Zweck, die Beachtung des Gesetzes
gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich
hervorragenden Gegenden vom 15. Juli 1907 zu überwachen
und durch Begutachtung von Neubauprojekten, Bebauungs-
plänen und dergl. zu erleichtern. □
□ Bisher haben drei Wanderausstellungen des Verbandes,
und zwar in München, Krefeld und Pforzheim stattge-
funden, über deren, eigentlich noch nicht ganz befriedigen-
den, Erfolg der Vorsitzende berichtete. Er wünschte eine
regere Beteiligung der Lokalvereine; auch die Versamm-
lung hegte diesen Wunsch und beschloß, auch künftig
solche Ausstellungen zu veranstalten. Prof. J. J, Schar-
vogel begründete einen Antrag des Landesgewerbevereins
des Großherzogtums Hessen: »es sollten zu den Wander-
ausstellungen nur solche Objekte zugelassen werden, die
nach dem Urteil einer zu bildenden Jury als zugleich
künstlerisch und technisch einwandfrei befunden worden
sind.« Dieser Antrag fand Annahme; er enthält allerdings
eine deutliche Kritik der früheren Veranstaltungen, doch
muß man zugeben, daß wirklich nur das Beste gezeigt
werden darf, denn das Publikum würde diese vom offiziellen
Verbände ausgehenden Darbietungen wie ein Evangelium
hinnehmen. Ein gegenteiliger Effekt läge also nicht außer-
halb der Möglichkeit. Herr Wilhelm Kimbel wünschte,
daß künftig keine Schülerarbeiten mehr mit ausgestellt
werden. Die Schüler bekämen dadurch leicht einen
vorzeitigen Größenwahn, auch wollten die Besucher
der Ausstellungen doch reife und wirklich vollendete Ar-

beiten sehen. Prof. R. Luksch war gegenteiliger Ansicht,
doch pflichtete die Versammlung der Auffassung des Herrn
Kimbel bei. Übrigens hatte man auf dem vorjährigen
Delegiertentage, nach dem Antrage des Herrn Wilhelm
Staffier- Pforzheim ausdrücklich beschlossen, neben kenn-
zeichnenden Erzeugnissen des Kunstgewerbes auch solche
aus deutschen Schulwerkstätten zuzulassen. Künftig wird
also, wie Baumeister Wolff-HnWt vorschlug, eine Jury ge-
bildet, die für das künstlerische Niveau der Wander-Aus-
stellungen sorgen und verantwortlich sein wird. o
o Da Prof. Dr. Albert Osterrieth verhindert war, referierte
Herr Direktor Dr. Peter Jessen-Berlin über praktische Fragen
aus dem Gebiete des Kunstgewerbeschutzes und beschäftigte
sich hauptsächlich mit der Frage der durch das Neben-
einander des Geschmackmusterschutzes und des Kunst-
schutzes gegebenen Möglichkeit des doppelten Schutzes.
Er trat der Meinung entgegen, daß man sich, um dieser
Eventualität zu entgehen, wieder auf das Geschmackmuster-
schutzgesetz allein zurückziehen solle; nein, im Gegenteil,
man solle eine einheitliche Gesetzgebung für die Werke
des Kunstgewerbes anstreben, und zwar auf der Basis des
Kunstschutzgesetzes vom Jahre 1907, das man durch eine
Nachtragnovelle in dieser Hinsicht ergänzen könne. Der
Geschmackmusterschutz würde dann überflüssig und das
betreffende Gesetz könne ganz fallen. Herr H. Weiß-BerYm
sagte in der Diskussion, die Kunstgewerbezeichner würden
eine Klarstellung dieser Fragen mit großer Freude be-
grüßen, weil auch sie dann wissen würden, woran sie
sind. Herr W. Kimbel sprach gegen eine zu starke Ver-
kettung von Kunst und Handwerk in gesetzlichen Begriffen.
Die eigentliche Kunst müsse frei sein und nur das Ge-
schäftliche an ihr geschützt sein. Mehrere Diskussions-
redner, Direktor Hoffacker- Karlsruhe, Prof. Högg- Bremen
und andere stimmten dem bei, und hielten die Schutz-
bedürftigkeit mehr für eine Angelegenheit der Geschäfts-
leute als der Künstler. Diese seltsame Auffassung klingt
doch recht kapitalistisch, wenn ihr Vorteil für die Ent-
wickelung der Kunst und eines vielleicht im Werden be-
griffenen Stils auch nicht zu verkennen ist. Aber, werden
die Künstler sich dazu verstehen, selbst auf einen Schutz
zugunsten der Fabrikanten zu verzichten, jener Kunst-
entwickelung zuliebe? Warum wollen es nicht auch die-
jenigen, welche die Schöpfungen der Künstler materiell
verwerten? Nur weil bei ihnen auch ein pekuniäres Risiko
mitspricht, das aber beim Künstler erst recht nicht fehlt?
Übrigens käme eine solche Übung der Beschränkung auf
den Geschmackmusterschutz, den ja meist nur der Fabrikant
anzusprechen pflegt, gleich, und die nicht zum Schutze
angemeldeten Werke der Künstler würden ungeschützt
bleiben. Dann brauchte man aber das Kunstschutzgesetz von
1907 gar nicht mehr, käme also gerade auf denjenigen Stand-
punkt, den Herr Direktor Dr. Jessen bekämpfen wollte und
auch in seinem Berichte im Berliner Verein wieder bekämpfte,
n Das interessante Referat des Herrn Prof. Dr. Heinrich
Lan^-Crefeld über die Bestrebungen für Echtfärberei war
mit vielen Mustern von guten und schlechten Färbungen
erläutert; auch waren auffallend schöne Batikarbeiten im
Saale ausgestellt. Der Vortrag wird den Verbandsmit-
gliedern durch die offiziellen Mitteilungen in extenso zu-
gänglich gemacht werden. Schließlich sprach noch Herr
Dr. Sa«<77««««-Flensburg über künstlerische Webarbeiten,
speziell an dem Hamkens'schen Webstuhle. n
n Der nächste Delegiertentag wird im März 1910 in Berlin
stattfinden und hoffentlich in ebenso erfolgreicher, auf-
bauender Tätigkeit verlaufen, wie der in Halle, der aufs
neue bewies, daß den Kunstgewerbevereinen nicht nur
materielle Interessen, sondern vor allem die Fortschritte
der Kunst am Herzen liegen. □
 
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