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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1928)
DOI Artikel:
Trentini, Albert: Der "Gegenstand"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0337

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XXXXI.

Der „Gegensiand"

Von Alberk Trenkrni

))oe war absichtlich zu späk zu Tische heimgekonnnen. Die Szene von gestern
))abend, nach tausend vorhergegangenen die endgültig zerschneidende, — die
Trennung dicser Ehe war nun nur noch Frage der Formulierung — hatte
ihr den Rückweg ins Haus zur Qual gemachk. Überdies siel ihr an ihrem
Gatken nichks mehr aus die Nerven, als seine Weise, zu essen. Ausnahmslos
immer bei glänzendcm Appetit, schlang er, obwohl man einem Landrate zu-
krauen mochte, Kinderstube genossen zu haben, jedes Essen wie ein gieriges Tier
hinunker. Auch hatte heut morgen eine so wollüstige Genugkuung darüber, sie,
diesc „ekelhafte Person, endlich anzubringen", auf seinem Gesicht gelegen,
daß sie ihn überhaupt nicht mehr anschauen konnte. Georg, der fünfzehnjährige
Sohn, aber — „gewiß", beschuldigte sie sich, „ich habe ihn seik Jahren ver-
nachlässigt!" — verstand so impertinent zu lächeln. Er Lrug nickelgefaßke
Brillen über den wasserblauen Augen, hatte einen elenden Teink, und wußke
genau so hämisch zu grinsen wie sein Vater. Indes Bargrit, die Tochker, —
o, das Weinerliche, dickflüssig Sentimentale, dabei aber anspruchsvoll An-
klagende dieses sechzehnjährigen Wesens mit den zwei weizengelben Zöpfen war
schon gar nicht zu erkragen! „Mutti" — kaum, daß Zoe sich an den Tisch
geseht hakte — „Mutti", lamentierte dies Wesen, kränend zur Mukker hin-
übergebeugk, „Mukki, die Suppe wird dir ja noch kälter, als sie schon ist,
wenn du nicht endlich issest!"

„Nrhmen Sie mir die Suppe weg!" besahl Zoe dem Stubenmädchen, das
vor dem Büfett stand.

Sofort bekam Bargrit das Würgen. Ihre anämischen Wangen wurden blau-
rok, die Kehle hüstelke heiser, die Augen quollen entzündek aus; gleich wird
sieweinen!

Das Stubenmädchen hakke Zoe den Fleischteller aufgelegk.

„Nanu?" näselte tückisch der Gatte und reckte sich steif von seinem Sessel
empor. Die dicken Wangen zikterten ihm in der Lust des Stichelns, und der
schmale Mund unter dem semmelblonden SpiHbark schmunzelte. „Wir war-
ten volle zwanzig Minuten auf dich. Willst du endlich so gnädig sein, zu
beginnen?"

„Danke!" winkte Zoe das Skubenmädchen mik der Plakte von sich weg. „Ich
nehme nicht!"

„Oho?" pfiff dcr Sohn über die Brillenränder zur Mutter herüber. „Ge-
mach, mein Kind!" hielt dagegen der Vater das Stubenmädchen auf. „Die
pommes srites haben, scheint mir, das richtige Gold heute! F r i s ch e Erbsen?"
„Gewiß frische, gnädiger Herr!" säuselte süß das Skubenmädchen; im selben

Februacheft 1928 (XXXXI, 2)

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