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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,1.1927-1928

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Heft 5 (Februarheft 1928)
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Lose Blätter
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8883#0380

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sich zu einem harmonischen WelLbilde zu fügen anhebk. Jch sehe nun eme
unmittelbare Beziehung zwischen dem Tanz jenes Negermädchens und der
Szene im zweiLen Teil Jhres Faust, wo der, nachdem er vergebens den
Papillon der Erkenntnis zu erhaschen versucht hat, zu den Müttern binab-
steigt, um, von Helena vor die slehende Stirn getreten, der abgewandtcn
Mißachtung des naturhaften Prinzipes sich preisgegeben zu sehen."

„Sie mögen da, mein Freund, in Ihrem Erklärerwillen vielleicht ein wenig
zn weit gegangen sein," erwiderte Goethe mik einem Lächeln und ging in sein
Arbeitszimmer hinüber.

Tribüne

Die Kunsi als Währung

Ein Brief an einen Freund in Amerika
Bon Knrk Karl Eberlein

sd/Iie haben mir, lieber Freund, so viel Gukeö und Unbekanntes von Jhrer
. . . ^^ amerikanischen Skudienreise, von Jhren Eindrücken und Erlebnissen in deu
besten Privatsammlungen, von öen fabelhafken Museen und Kunsthandlungen, von
der freundlichen Höflichkeit der Amerikaner erzählt, daß ich nur tvünschen kann,
auch einmal hinüber zu kommen und das Versäumte nachzuholen. Aber heute abcnd
bei der stillen Lampe meiner Gedanken geht mir doch so manches durch den Kopf,
was sich fchwer fassen, aber auch fchwer halten läßt. Jn wenigen Sätzen also
nur die Essenz:

Sind Sie sich wohl bei all den Herrlichkeiten des KunftbesitzeS auch bewußt, daß
Amerika seit nicht allzu langer Zeit, aber doch im Gleichfchritt mit seincr Be- imd
Überreicherung, für Europa und die europäifche Kunst etwa die Rolle spielt, die
einst Rom in seiner höchsten Macht für Griechenland spielte? Jch meine so, daß
Rom nicht nur der Beherrfcher und Bankier der Gläubiger und Arbeitgeber, son-
dern auch der Sammler, der Aufkäufer, der Kunfträuber Griechenlands war; daß
es eine fremde abgestorbene Kultur — die ihm trotz guten Willens wesensfremd,
weil unerlebt war — bei sich aufstapelte, museumSartig und dekorationsartig ver-
wendete, ohnc doch selbst annähernd GleichwertigeS fchaffen zu können. Haben Sie
einmal bedacht, daß dies Sammeln — das doch auch wir eine Zeitlang etwas
fieberhaft geübt haben — seine bedenkliche Seite hat und dem König Midas eines
Tages recht fatal werden könne; daß aber andererseits Sie als Alteuropäer da
drüben alle diese Schätze mit denselben Gefühleu und Gedanken betrachten könnten
wie damals ein Edelgrieche in Rom die Kunstfchätze aus semer Heimat? Zweifellos
hatte jene griechifche Kunft für Rom denselben hohen Kunft- und Handelswert, den
heute unsere alten Meifterwerke für den Amerikaner haben. Es ift anerkannte,
internationale, marktgängige Wertkunft (mit Goldwerten), die sich die Neichen
zu Genuß und Ansehen in gegenseitigem Rangftreit und Wettbewerb zusammen-
kaufen und zum Schmuck des Hauses und ihrer Umgebung erwählen. Wie ftark
dabei Reklame und Ehrgeiz mitspielen, bleibe ganz dahingeftellt. Wie nun aber,
wenn dieser Goldwert etwa morgen nicht mehr gelten würde, wenn die Gvld-
währung „Kunsi" aufhören würde, Währung zu sein, nichts mehr wäre, wenn
eine andere, neue Währung in Kraft träte? Denn theoretifch könnte ganz gut
eines Tages die Goldwährung wie die Kunftwährung (dieser Kunft) einfach
wertlos sein. Was, glauben Sie, würden diese Kunftwerke dann ihren Besitzern
sein? Dasselbe? Weniger? Nichts? Würde immer noch das von Chronos ange-
rauchte Kunftgut importiert? Würden die Museen weitersammeln, würden die

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