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Zur Frage des echken Lebens
Von Wilhelm Michel
Neologie
se isi die llmgesialkung des Äußerlichen und Buchsiäblichen, das
^ Reformieren der Oberfläche. Sie siehi im GegensaH zur echien Er-
nenerung, die den Geist und die ireibenden Kräsie änderi und von da aus
ersi zu einer Neugesialtung des Znsiändlichen gelangt. Neologie verirani
aus das Machen. Sre glaubt, daß der Mensch aus seinem bewußken
Wollen heraus Mues fabrizieren könne. Sie verwechseli die Form mii
der Gebärde, die Gestali mit dem Kleid. Sie wird damii zur Verhinde-
rung des wahren FortschreiLens. Sie lenki von jeder echien Erneuerung ab.
Sic wirsk dcm Beiäkigungskrieb ein handsesies Objeki hin, erwecki den Glau-
ben, daß mit dessen Bearbeiiung eiwas Wesenhafies geian sei, und siumpfi
so den Vorsioß in die enkscheidende Tiese ab. Neologi'e isi die Maske, die
dic ewige TrägheiL des Menschen angenommen hai, um unier dem Schein
der Täii'gkeii auf derselben Siellc verharren zu können. Fasi alles, was als
„Bewegung" auftriii, isi neologisches Herumzausen am Kleide, inchi am
Wesen der Dinge. Droschkengäule versiehen zu Lraben, ohne wesentlich vor-
wärtszukommen. Die meisien „Bewegungen" sind ein solches Traben an Ori.
Man muß das Neue sein, nichi machen. Was nichi aus dem Sein
kommt, vermag die Weli nicht zu ändern. Die MeuheiL des Seins aber
iriLi um so sicherer und klarer als umformende Krasi hervor, je weniger sie
sich mii bewußien, neologischen Tendenzen verbindei. Hölderlin schrieb über
seinen „Hyperion": „Ich wünschie um alles nichi, daß es originell wäre.
OriginalitäL isi uns ja Neuheii; und mir iß nichis lieber, als was so ali ist,
wie die Weli." Dies und nichis anderes isi die Gesinnung wahrer Er-
neuerung. Nicht das Meue wollen, sondern das welihasi 2llie: das ist die
cinzige Sicherung gegen scheinhastes Tun, die einzige Garantie dafür, daß
das Neue unsres Wesens siisiend, ändernd, gesehgebend hervoririii
— wenn es vorhanden ist.
llnd wenn es nichi vorhanden ist? — So haben wir wenigstens nicht ge-
logen.
Lüge
Der Lügner isi rechi eigentlich der Schöpfer, d. h. der Mensch als
Schöpser. llnzusricden mit der wirklichen Welt, erbaui er eine künßliche
Weli oder fügk wenigsiens in die Wirklichkeit ein Stück eigenen Fübri-
kaies ein. Das isi eine außerordenkliche Leistung, wenn sie bis zu wahrhafker
Täuschung führi, d. h. wenn es dem Lügner gelingi, sein Stück Schöpfung
so in die WirklichkciL einzusetzen, daß man die Bruchsiellen nichi mehr sieht.
^37
Dezembecheft 1927 (XXXXI, z)
Zur Frage des echken Lebens
Von Wilhelm Michel
Neologie
se isi die llmgesialkung des Äußerlichen und Buchsiäblichen, das
^ Reformieren der Oberfläche. Sie siehi im GegensaH zur echien Er-
nenerung, die den Geist und die ireibenden Kräsie änderi und von da aus
ersi zu einer Neugesialtung des Znsiändlichen gelangt. Neologie verirani
aus das Machen. Sre glaubt, daß der Mensch aus seinem bewußken
Wollen heraus Mues fabrizieren könne. Sie verwechseli die Form mii
der Gebärde, die Gestali mit dem Kleid. Sie wird damii zur Verhinde-
rung des wahren FortschreiLens. Sie lenki von jeder echien Erneuerung ab.
Sic wirsk dcm Beiäkigungskrieb ein handsesies Objeki hin, erwecki den Glau-
ben, daß mit dessen Bearbeiiung eiwas Wesenhafies geian sei, und siumpfi
so den Vorsioß in die enkscheidende Tiese ab. Neologi'e isi die Maske, die
dic ewige TrägheiL des Menschen angenommen hai, um unier dem Schein
der Täii'gkeii auf derselben Siellc verharren zu können. Fasi alles, was als
„Bewegung" auftriii, isi neologisches Herumzausen am Kleide, inchi am
Wesen der Dinge. Droschkengäule versiehen zu Lraben, ohne wesentlich vor-
wärtszukommen. Die meisien „Bewegungen" sind ein solches Traben an Ori.
Man muß das Neue sein, nichi machen. Was nichi aus dem Sein
kommt, vermag die Weli nicht zu ändern. Die MeuheiL des Seins aber
iriLi um so sicherer und klarer als umformende Krasi hervor, je weniger sie
sich mii bewußien, neologischen Tendenzen verbindei. Hölderlin schrieb über
seinen „Hyperion": „Ich wünschie um alles nichi, daß es originell wäre.
OriginalitäL isi uns ja Neuheii; und mir iß nichis lieber, als was so ali ist,
wie die Weli." Dies und nichis anderes isi die Gesinnung wahrer Er-
neuerung. Nicht das Meue wollen, sondern das welihasi 2llie: das ist die
cinzige Sicherung gegen scheinhastes Tun, die einzige Garantie dafür, daß
das Neue unsres Wesens siisiend, ändernd, gesehgebend hervoririii
— wenn es vorhanden ist.
llnd wenn es nichi vorhanden ist? — So haben wir wenigstens nicht ge-
logen.
Lüge
Der Lügner isi rechi eigentlich der Schöpfer, d. h. der Mensch als
Schöpser. llnzusricden mit der wirklichen Welt, erbaui er eine künßliche
Weli oder fügk wenigsiens in die Wirklichkeit ein Stück eigenen Fübri-
kaies ein. Das isi eine außerordenkliche Leistung, wenn sie bis zu wahrhafker
Täuschung führi, d. h. wenn es dem Lügner gelingi, sein Stück Schöpfung
so in die WirklichkciL einzusetzen, daß man die Bruchsiellen nichi mehr sieht.
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Dezembecheft 1927 (XXXXI, z)